Inhalt der Printausgabe

Juli 2005


RÜCKKEHR DES HÄSSLICHEN
(Seite 2 von 2)

Man weiß es nicht. Doch sicher ist:
Aber apropos Koch. Vertrauten gilt er ja durchaus als geistreich und charmant, wenn nicht sensibel und verletzlich, und ausschließlich die, die keinen Umgang mit ihm pflegen, schätzen ihn als ästhetisches Unikum, ja Unikat, als Niegewesenes zwischen Sergio Corleone, Schweinchen Babe und Nacktschnecke, zwischen kanthergeschulter Schleimig- und Ungenießbarkeit, zeittypischer Infantilität und kruder Machtlust also, und fragen möchte man da schon, ob seine Frauen und Kinder das eigentlich wissen oder wenigstens so ähnlich befürchten, aber der häuslichen Harmonie und Stimmung halber schlicht verdrängen: eine Energieleistung, von der noch größte AKWs nicht mal im Traum zu träumen wagten. Roland soll, der ARD zu glauben, Innenminister und der neue Schily werden - inwiefern also, so muß die Frage lauten, übertrifft der kommende schwarze Sheriff den sogenannten roten an Häßlichkeit um Längen?
Dreierlei drängt sich auf. Ad 1: das völlige Fehlen von Falten. Der Krummweg vom voltaireschen Fighter und Verfechter der res rublica und ergo RAF-Verteidiger Schily zum gleichnamigen Abschieber und Flüchtlingsjäger hinterließ immerhin Spuren und Furchen, die den moralischen Verfall eingruben als schrecklichstes Kainsmal: Hier hat sich einer verloren, aber im Kampf. Koch hingegen, Anwalt wie Schily, war zur Verteidigung der Meinhof von Anfang an zu jung, wenn nicht zu dumm, wahrscheinlich hat ihn Baader auch nicht mal gefragt: dies wohl das sicherste Indiz, daß Koch den Kaufhausbrand und die radikale Revolution, die Enteignung der Expropriateure und Taunusbanker - überhaupt nicht will oder wollte! Himmel, was ein Doofkopf!
Ad 2: die Augen. Schily, wenn er blickt und redet, weint. Leidet. Will das alles nicht: Kroatenconnection, Bootsflüchtlinge, Bin Laden, Hooligans. Streitet kraftvoll wider alle Ausgeburt des Bösen und will nicht sehen, was er weiß: daß jede Ausgeburt einer Gebärenden sich verdankt, einer Mutter, in diesem Fall der Herrschaft des Kapitals, der UNO, der Unicef und wie die selbsternannten Raben-"Mütter" alle heißen. Merkel hingegen oder wo waren wir: Koch - weiß überhaupt nichts. Sein historisch-politökonomischer IQ, vereidigte Tester sprechen von knapp 14, ist ja zu blöd für die Hilfsschule, sein Denkorgan als solches Fehlanzeige; und das Gesicht, seit der Romantik Fenster zum Hirn, im Falle Koch für Physiognomen und Schädelforscher ein gefundenes Fressen. Nicht überrascht mithin, daß er, erst im erstrebten Amte, die faschistische Startbahn West übers dichtbesiedelte Frankfurt-Bockenheim zielstrebig hinaus nach Würzburg und München, letztendlich wohl Monaco erweitern lassen will von 1-¤-Negern, die dann pro Akkord-Dutzendbruch den Nachzug eines Kindes beantragen dürfen; im Gegenzug soll ihm, Koch, pro Bimbofreudenträne eine Todsünde erlassen werden. Gipfel der Unglaublichkeit: All dies ist wörtlich nachzulesen im neuen CSU-Programm!
Ad 3: die Brille. Kochs ist zwar astrein, aber Beau und Glückspilz Schily kommt ganz ohne aus. Wie überhaupt ein Fundamentaleinwand gegen diesen Essay bereits hier entkräftet werden soll: Es schillern nämlich auch die Schilypartner Schröder, Fischer, Struck, Eichel usw. keineswegs so super unzumutbar wie die um Merkel; sondern eben durch die Bank apart und zauberhaft! Was zu beweisen war! Vor allem Trittin, dem man den Teppichhändler mit Zweitstandbein Bordellcasino nicht wirklich abnimmt, so sehr er sich auch müht und fönt. Struck? Ein Joop unter den Beckhams der Landesverteidiger, ja das ganze Rotgrünkabinett ein Augenschmaus!
Es gibt auch Schönheit in der Politik!
Dagegen die baldigen: Guido Westerwelle, Günther Beckstein, Volker Kauder, Michael Glos, Wolfgang Gerhardt, Wolfgang Bosbach, Annette Schavan, Silke Lautenschläger, Peter Müller, Thomas de Maizière und Friedbert Pflüger: o weh und ach du grüne Neune! Welch ein Streichelzoo aus Verwachsung und Pech, fauler Selbstverlotterung und doch auch aggressiv forciertem Freaktum! Aus Pickel, Bauch und Tränensack, Langeweile, schlechten Zähnen, Mundgeruch und Zellulose - gittigitt! Das ist schon streckenweise unsäglich und verboten; aber, siehe oben, kein Wunder.
Bleibt Frau Merkel. Bekanntlich will sie Lebens-mittelkorb und Mülltonne zusammenlegen und dafür beim Notarzt sparen, doch wenn nicht alles täuscht, wird sie so nicht elfenhafter. Hundertvierzigmal bewarb sie sich nach ihrer Scheidung als AOL-Single des Monats, schickte am Ende gar Untenrumbilder - hundertvierzigmal kam eine Formmail zurück: "Lieber AOL-Kunde, vielen Dank für Ihr Angebot. Wir möchten es lieber nicht ins Netz stellen. Fröhliche Weihnachten, Ihre AOL-Single-Redaktion." Eine Kränkung, die Frau Merkel zweifelsohne stärker machte, härter, wütender auch im Kampf gegen Merz - aber zarter? Weicher? Feminin nachgiebiger? Zu einer liebreizenden Ehefrau, die den Frühlingsputz genießt, während sie das Hirschgulasch auf dem Ceranfeld gart und der abendlichen Wiederkehr des Göttergatten sehnend tränenfeucht entgegenzittert?
Nichts von alledem. Sondern gegen sie war die gleichirre Thatcher die Heidi Klump des letzten Gefechts. Deutschland stehen goldschöne Zeiten bevor. Lesen Sie nun weiter auf Seite 22.

Thomas Gsella



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster