Inhalt der Printausgabe

Januar 2005


Volksküche heute
PRIMA SCHINKEN ZUM VERSCHENKEN
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Silvesterzeit - Selbstmordzeit! Aber das muß nicht sein. "Denn wahrlich, wer anderen eine Freude macht, der wird mit Freude überschüttet werden" (Houellebecq), und was könnte Trost und Freude reicher spenden als ein nagelneuer Bentley mit Frau drin? Ein gutes Buch natürlich; und just derer gab's in der Saison 04 erneut unübersehbar. Suchen Sie sich also dreivier aus, bestellen, einpacken lassen, wegschmeißen - adieu Singledepression!

Bücher. Ach ja, Bücher! Welch ein Zähneknirschen ächzt aus Leser- und Verlegerkreisen! Von struktureller Krise geht die Rede, von Umsatz- wie Qualitätsverfall, vom internetgeführten Todesstoß gegens Wesen Buch als solches. Schwanengesang? Sirenengelöcke? Keine Ahnung. Solang indes Olympier und Heroinnen oder besser Heroinen vom Schlage Grassens oder Moppel-Ich-Susanne-Fröhlichs schreiben, wird "das Buch", wie's in einem sogesehen zwielichten Gedicht von Robert Gernhardt heißt, "bleiben".
Und wie die Restwelt immer besser werden, wahrer, tausendschöner und, glaubt man der hier gesichteten Neuerscheinungsliste der Deutschen Bibliothek, gar zärtlicher. "Der verliebte Puschl erzählt: Neue Geschichten um den Kuschelbären und sein MS-krankes Frauchen" schenkt uns eine, der onomatopoetische Altherrenzwangsreflex sei gnädig überlesen, Kuschelpuschlmusch namens Ilse Koch, verwandt/liiert bestimmt mit Schnuckelbrummkopf Roland; und apropos schwarze Kassen: "Kreative Geldgeschenke: Neue Ideen für viele Gelegenheiten" verhökerte im selben Bücherjahr rotzfrank und frech der vermutlich selber reich beschenkte Stuttgarter Frech-Verlag: "Elf Tage verheiratet: 32 €; Bauauftragserschleichung: 80000 €; Manuskriptannahme: 35 Mio" - kreativ? Ja. Aber neu?
Vom wirklichen, vom immateriellen Glück weiß zum Glück der Europäische Verlag der Wissenschaften und sein sonnenheißer Denker Matthew Nwoko. Wie kein Zweiter vor und nach ihm spürt er in "Der Reichtum des Menschseins: Die Armut des Seins ohne den Anderen" der Idee nach, daß das Sein des Menschen reich eventuell nur sei mit dem Anderen (Menschen), arm hingegen ohne ihn; daß also ein bis auf nur eins, ein letztes Menschen-exemplar vollständig menschenleerer Globus für eben jenes letzte einzige das denkbar hinterletzte Unglück, ja die reine vollvermaledeite Scheiße sei; und wird so falsch nicht liegen?
Doch, wird er doch. Denn der Weg von Menschsein I zu Menschsein II führt auch heutzutage oft über den "Penis" (Freud), und wer da einen lächerlich zu kleinen hat, mag arm sein mit dem Anderen, in seinem Garten sich verstecken und sublimativ wie neidisch "Über Blumen und Bäume staunen", nämlich über allerlei extremvirile Stengel und Stämme ("Gottes Schöpfung - unsere Welt; Bd 2, Gütersloher Verlagshaus") - oder aber mit zwei kombattanten Neuerscheinungen das Übel an der Wurzel packen. Nämlich sich zunächst Herbert Enderwitz' akuten und doch blendend nachkriegshellen "Der Aufstieg (!; d. Verf.) des Menschen aus vormenschlicher Gebundenheit zu mitmenschlicher Freiheit: Sein Auftrag und seine Bestimmung" schwerstbesoffen einpfeifen, um derart rund die Sache endlich anzugehen: "Natürliche Penisvergrößerung: 5 Zentimeter in 5 Wochen". Macht, Faragas und dem Stolberg-Verlag sei Dank, per anno einen guten halben Meter, und schon ist alle Enderwitzsche Seins-Armut vergessen, der Reichtum da, die Frauenwelt ganz hin und weg:


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster