Inhalt der Printausgabe

Februar 2005


Krieg und Frieden
(Seite 3 von 4)

Jetzt gibt's erst mal Feuerwerk
André Heller, der Organisator des zentralen Festakts am 8. Mai, über Luftwaffe, Würstchen und Lebenskünstler

Herr Heller, Sie sind einer der gefragtesten Event-Arrangeure. Was reizt Sie an der Aufgabe, die Feier zum Kriegsende am 8. Mai zu gestalten?
Es ist nicht leicht, eine Feier zu organisieren, die gleichzeitig eine Niederlage und einen Sieg zum Thema hat. Wie ein Friedensfest feiern, das doch im Grunde mit Waffen zu tun hat? Ist die Abwesenheit von Krieg schon Frieden?
Wie haben Sie dieses Problem gelöst? Was erwartet uns denn nun am 8. Mai?
Ursprünglich wollte ich 500 russische Bären, 500 amerikanische Seeadler, 200 französische Hähne und Mr. Bean im Olympiastadion die Schlacht um Berlin nachstellen lassen, mit dem MDR-Fernsehballett als Wehrmacht. Da hat sich aber schon bei ersten Versuchen schnell herausgestellt, daß die Seeadler als Luftwaffe total versagen. Abgehauen sinds auf gut deutsch, die Feiglinge.
Und die Bären?
Die waren als Panzerarmee vorgesehen und hätten auch mitgemacht. Aber die Hähne! Die französische Armee war da schnell angefressen, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Also mußten Sie neu planen.
Schaun S', ein Künstler wie ich hat immer so viele Ideen im Kopf, da muß er nur hineinpacken. Jetzt gibt es erst einmal ein großes Feuerwerk, und anschließend singt Xavier Naidoo "I've Been Looking For Freedom", und die Berliner Philharmoniker spielen dazu.
Klingt ja nicht sehr aufregend.
Das ist erst der Anfang. Später dann, wenn es dunkel geworden ist, stellen wir im Stadion für zwei Stunden das Licht aus, um ein Gefühl der Bedrohung zu erzeugen. Ich hoffe, daß es den Leuten dann vorkommt wie 1945: Plötzlich hat keiner mehr Geld, und alle haben eine Stinkwut auf Deutschland. Dann wird über einen Zeitraum von zehn, fünfzehn Jahren das Licht wieder angestellt, und es gibt Würstchen.
Hmmm, Würstchen!
Auf diesen Effekt setze ich natürlich. Ein Würstchen schmeckt ja noch mal so gut, wenn man fünfzehn Jahre lang keins gehabt hat. Dann bezahlt man auch gerne 25 Euro dafür.
25 Euro? Ist das nicht ein bißchen teuer?
Genau darum geht es: Was ist uns der Frieden wert? Ich glaube, Stalin hätte damals ganz gerne 25 Euro bezahlt und dafür seine Ruhe gehabt. Diese Grenzerfahrung ist auch das Thema meiner Feuer-und-Licht-Show "Flik-Flak": Jemand hat eine Grenze, jemand anders fährt mit dem Panzer drüber. Da werden Emotionen freigesetzt, die dann wie Feuer vom Himmel regnen. Deswegen sagt man ja auch: Diese Emotion, die hat mich jetzt erschlagen.
Als was möchten Sie Deutschland im Ausland darstellen?
Deutschland ist für mich immer noch das Land der Bürokraten und Lebenskünstler, die voller Temperament ihre schlechte Laune an Stärkeren auslassen. Daß das schiefgehen kann, hat die Geschichte gezeigt.
Herr Heller, wir freuen uns auf ein rauschendes Fest.


André Heller, 57, Multimedia-Verzauberer
André Heller wurde 1947 in Wien geboren. Er zählt zu den einflußreichsten Multimediakünstlern der Welt. Seine wichtigsten Stationen:
1967 Mitbegründer von Ö3, dem ersten Radiosender der Welt, der nur André-Heller-Stücke spielte. 1976 Miterfinder von "Zirkus Roncalli Feldkamp", 1984 Feuertheater in der Berliner Staatsbibliothek, 1985 Akrobatikshow "Betrunkene Körper", 1987 Vergnügungspark "Bluna Bluna", 1995 "Kristallweizenwelten", 1997 "Osama - Flug durch Räume", 2000 "Magie - immer eine gute Suppe".
André Heller gestaltet das Kulturprogramm der Fußball-WM 2006.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg