Inhalt der Printausgabe

Z wie Zweistundentag

Die Arbeitsmarkttrends der Gen Z

Sie hängen im Büro nur rum, machen nicht mal das Nötigste, beschweren sich, wenn ihrem Chef mal schief die Hand ausrutscht, und lesen ihre Texte nicht mehr Korrektru – die Generation Z hat es sich auf dem Arbeitsmarkt gemütlich eingerichtet, zum Ärger ihrer Altvorgesetzten: Während der Spiegel noch halbwegs neutral vermeldet, dass viele Arbeitskräfte »lieber einen Gang zurückschalten«, vermisst die Taz eine »angemessene Einsatzfreude bei der Arbeit« der »Generation Anspruch«. TITANIC BUSINESS INSIDE erklärt ihre wichtigsten Working-Trends.

Quiet quitting

ist die innere Kündigung oder der Dienst nach Vorschrift. Sogenannte Young Professionals übernehmen keine extra Aufgaben, machen keine Überstunden, putzen fast nie das Auto ihres Chefs, und sexuelle Gefälligkeiten gibt’s für die Vorgesetzten nur innerhalb der Arbeitszeiten, zum Firmenjubiläum oder an Geburtstagen. Als Gründe für den mangelnden Eifer nennen die Jungspunde: »Meine Kollegen sind alle hässlich«, »Auch wenn ich jede Woche 60 Stunden schufte, werde ich mir niemals ein verwunschenes Schloss leisten können, in dem unerklärliche Dinge passieren« und »einfach keinen Bock«. Wenn man drüber nachdenkt, ist es erstaunlich, dass es als Trend gilt, nur zu machen, wofür man bezahlt wird, da fragt man sich doch, was für ein System … Ah, Mindestzeichenanzahl erreicht, nice!

Kürzer arbeiten

Viele junge Menschen wollen nicht so lange arbeiten, Stichwort 12-Stunden-Woche. Außerdem ist ihnen Flexibilität wichtig: Sie möchten sich im Home-Office betätigen können, im Zug auf dem Weg zum Job, wenn er steckenbleibt, oder in der Gemüseabteilung bei Rewe, wo jeden Tag drei Mal eine Mitarbeiterin vorbeikommt, um sie auf Druckstellen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu wenden. Personalverantwortliche ärgern sich über die Ansprüche der Generation Zzzzzz, wie sie wegen ihres chronisch späten Erscheinens im Büro genannt wird. Als einziger Trost bleibt, dass man die Nervensägen selten zu Gesicht bekommt und das Prekariat noch nicht auf die Idee gekommen ist, Revolution zu machen.

Empathy quitting

Vorsicht, Übersetzungsfalle! Beim US-amerikanischen Phänomen des »empathy quittings« wird nicht gekündigt, indem man den Chef am letzten Tag knuddelt, die HR-Leute tröstet, weil die jetzt einen Ersatz finden müssen, oder in Tränen ausbricht, da man jahrelang und mit voller Absicht seine Fingernägel über den Pausenbroten von Paul aus der IT geschnitten hat. Vielmehr schlagen Job-Coaches vor, seiner Empathie fristlos zu kündigen: Um die bad vibes des Großraumbüros loszulassen, müsse man sie zurückgeben. AnhängerInnen dieser Bewegung erkennt man daran, dass sie der Praktikantin die Kaffeekochhand brechen, ins Desinfektionsmittel am Eingang rotzen, keine Schuldgefühle haben, wenn sie erfahren, dass Paul aus der IT beim Mittagessen erstickt ist, und wegen des wirksamen Stressventils erst fünf Jahre später von einem Herzinfarkt dahingerafft werden, über den sich dann alle umso mehr freuen.

Love Working

Studien zeigen, dass wir bis zu 90 Prozent unseres Lebens im Büro verbringen und dort bis zu sieben Spinnen pro Jahr verschlucken. Laut Arbeitsexpertin Dr. Margot Taler gibt es einen sehr einfachen Trick, mit dieser Situation umzugehen: »Lernen Sie, Ihren Job zu lieben!« predigt sie in Videos aus ihrem Büro, das ihr zugleich als Schlafplatz, Billardzimmer, Kita, Weinkeller und Tierheim dient (auch an Taler ging die inflationsbedingte Mieterhöhung nicht spurlos vorbei, sie musste den Konferenzraum untervermieten). Zum Entfachen der Gefühle für den Beruf hat sie ganz konkrete Tipps: »Bauen Sie eine körperliche Bindung zum Office auf. Haben Sie Sex auf dem Büroteppich! Haben Sie Sex mit dem Büroteppich! Führen Sie sich die Ähnlichkeit zwischen Ihrem Arbeitsplatz und Ihren abwesenden Eltern vor Augen: Beide Parteien wollen kontrollieren, wie viel Freizeit Sie haben, und riechen komisch! Verlieben Sie sich in all Ihre KollegInnen und zerstören Sie deren Ehen!« ruft sie ekstatisch, während ihr Buchhalter ihr den großen Zeh ableckt. Einen Haken habe die Sache jedoch: Man komme vor lauter großer Gefühle recht wenig zum Arbeiten. Aber man habe eine geile Zeit.

Random working

Nicht alle Gen-Zler schmeißen einfach hin, geben viel zu schnell auf und lassen ihre älteren KollegInnen im Stich. Nur manche haben sich darin professionalisiert. Sie hassen Arbeit zwar so sehr wie alle nach 1990 Geborenen, haben aber eine noch größere Abneigung dagegen, sich zu Hause zu langweilen. Deswegen haben sie auf TikTok den Hashtag »randomworking« ins Leben gerufen, der schon mehr als zwanzig Mal verwendet wurde. Das Konzept: Ein Zufallsgenerator schickt einen zu einer Firma mit freier Stelle. Wegen des Fachkräftemangels wird man sofort eingestellt, verbringt den Tag damit, die ältere Belegschaft zu triezen (»Sie sehen aus, als wüssten Sie, was Teletext ist«) und so viel Sachschaden wie möglich anzurichten, bevor man zwei Stunden vor Schichtende tränenreich mit der Begründung kündigt, man könne in so einem toxischen Umfeld nicht arbeiten. Viele von ihnen sehen sich als AktivistInnen im Generationenkonflikt und werden noch monatelang angerufen, ob sie nicht heute schnell einspringen könnten – Unterbesetzung sei Dank.

Loud quitting

Auch der Trend des »loud quittings« schwappt über den großen Teich herüber und lässt sich relativ frei als »Arbeitsverweigerung« übersetzen, die jedoch nicht im Stillen, sondern laut und aggress… Nee, hab jetzt echt keinen Bock, das zu erklären, merk’ ich. Ich hab’ heute schon drei Spinnen verschluckt und einen Fingernagel in meinem Kaffee gefunden, fürs Erste reicht’s mir. Ist ja auch schon 14:30 Uhr!


Laura Brinkmann (Jahrgang 1996)

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg