Vom Fachmann für Kenner | Dezember 2023


If you can’t stand the heat

Als mich an einem der letzten Wochenenden ein veritabler Hexenschuss erwischte, musste ich in einen stadtbekannten sozialen Brennpunkt hinken, um mir in der Notfallapotheke einen Wärmeumschlag zu kaufen. Ein bisschen nervös war ich dabei schon, schließlich handelte es sich um ein heißes Pflaster.

Lukas Haberland

In möglichst gedeckten Farben

Die letzten Jahreszeitenwechsel haben gezeigt: Die Modeindustrie muss sich auf immer unberechenbarere Witterungsverläufe einstellen. Wir brauchen dringend Übergangsjacken hin zur Übergangsjacke. Und zu diesen wiederum eigene Übergangsjacken!

Mark-Stefan Tietze

Vorsicht, bissig!

In den zunehmend zahnlosen Mainstreammedien habe ich darüber mal wieder nichts gefunden. Aber zumindest im Wartezimmer meines Zahnarztes schlug die Nachricht von den extremen Preissteigerungen bei Amalgam, Kunststoff, Keramik und Gold ein wie eine Plombe.

Martin Weidauer

Originalgenie

Goethe zufolge erkennt man die »originalsten Autoren der neuesten Zeit« nicht etwa daran, dass sie Neues hervorbringen, sondern an der Fähigkeit, »Dinge zu sagen, als wenn sie vorher niemals wären gesagt gewesen«. Mir hingegen will es eher so scheinen, als wenn sich die genuinsten Dichter der Gegenwart nicht durch etwas auszeichnen, das bis zu ihnen unbekannt war, sondern vielmehr durch die Kunst, Einsichten so zu formulieren, als wenn sie nie zuvor ein Mensch gehabt hätte – und zwar noch nicht mal Goethe!

Andreas Maier

Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

Kleine Rock-’n’-Roll-Meditation

Bisher war ich in Bezug auf die Apokalypse immer von dem tröstenden Szenario ausgegangen, dass die menschliche Zivilisation sich wenigstens ein paar Tage länger halten würde als die Rolling Stones. Dass ich angesichts der lächerlichen Bemühungen, den Klimawandel ernsthaft zu begrenzen, auf der einen und der nikotin- und alkoholbedingten Unzerstörbarkeit von Jagger und Richards auf der anderen Seite mittlerweile vom genauen Gegenteil überzeugt bin, ist aber nicht weiter schlimm. Die Vorstellung, dass die Rock-Dinos als letzte Menschen in einer flirrenden Endzeitwüste noch ein Weilchen »Time waits for no one« vor sich hin spielen, macht das Ganze am Ende doch noch zu einer verdammt schönen Utopie!

Patric Hemgesberg

Schwäbische Integrationshürden

»Ausstieg in Fahrtrichtung links«, tönt es laut und deutlich aus dem Zuglautsprecher. Laut und schwäbisch tönt es vom Ehepaar eine Reihe hinter mir: »Des war jedsad ab’r viel’z schnell. Wia soll m’r denn dees als Ausländ’r v’rstanda?«

Günter Flott

Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

Schlagende Erkenntnis

Erst beim Wiederschauen der etliche Filme umfassenden Rocky-Saga mit Sylvester Stallone fiel mir auf, dass es sich im Grunde um die alte Geschichte vom Jedermann handelt, der die Versuchungen des Teufels zurückweisen und seine Seele retten muss. Aber klar, am Ende führt halt jede Box-Geschichte zurück zu Faust.

Wieland Schwanebeck

Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

Sex und Getränke

Die Flugbegleiterin bot über den Kabinenlautsprecher Sex und Getränke an. Sollte ich vielleicht zusätzlich zum Tomatensaft auch noch …? Ich rief mich innerlich zur Ordnung. Kurz darauf stellte sich sowieso heraus, dass sie Snacks und Getränke gemeint hatte. Was sagt dieses Missverständnis über mein Hörvermögen? Was über mein Snacksualleben?

Ludger Fischer

Stirn, nun faltenfrei

Damit es zum Ende des Bügelns schneller geht, achte ich stets darauf, dass das letzte Hemd keine Taschen hat.

Kim-Oliver Tietze

Die Endspannung. Eine Wellness-Dystopie

Jemand hört, um zur Ruhe zu kommen, Entspannungsmusik. Doch die entkrampfende Wirkung der Atempausentonkunst ist derart intensiv, dass ein Aufstehen, etwa um zur Stopptaste für die auf »Einen Titel wiederholen« gestellte Entspannungsmusik zu gelangen, nicht mehr möglich ist. Tagelang ist das Regenerationsopfer nun durch die immerfort säuselnden, fatal relaxenden Klänge hilflos gelockert an die Couch gefesselt. Irgendwann machen sich Freund/innen und Verwandte Sorgen, brechen die Wohnungstüre auf, wollen zur Hilfe eilen. Aber auch sie stehen sofort unter dem chilligen Bann der beruhigenden Wohlfühlsounds und sind zu entspannt, um zu retten. Ich rate jeder/jedem, sich dieses Szenario in einer ruhigen Minute durch den Kopf gehen zu lassen. Spätestens dann ist man so gestresst, dass Erholung notwendig ist. Am besten bei entspannender Musik.

Jürgen Miedl

Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

Das »ah« in »Deutsche Bahn« steht für »AAAAAAAAHHHHH!!!«

Während ich zwei Stunden lang am Frankfurter Hauptbahnhof auf einen verspäteten Zug wartete, konnte ich, bis mein Bargeld zur Neige ging, Bettelanfragen im Gesamtwert von 17 Euro bedienen, was etwa dem Betrag entspricht, den ich von der Deutschen Bahn wegen der Verspätung erstattet bekomme, insofern war es eine Win-win-Situation auf ’ne Art.

Cornelius W.M. Oettle

3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

Weichfutter

Neulich las ich von einem verstorbenen Katzenhalter, der nach einigen Tagen des Vor-sich-hin-Gammelns und -Verrottens in der Wohnung von seinem tierischen Freund angefressen wurde. Die Zeitungen sprachen in diesem Fall von »teilweise angenagt«. Das lässt mir Kopfkinofan seither keine Ruhe, und ich frage mich, womit die Mieze ihr Mahl wohl begonnen hat. Den Ohren? Den Augen? Dem Unterbauch? Ich kann mir da einiges vorstellen, und glauben Sie mir: ich stell mir das auch vor! Sowas von!

Björn Ackermann

Schade eigentlich

Der Igel mag kein Mett.
Der Hase, der hasst Ostern,
und die hübschen Einhornpaare
sehen sich nicht gern auf Postern.

Der Panda fährt nie Fiat.
Affen geh’n nicht ins Theater
und der ach so schlaue Fuchs
sah nie eine Alma Mater.

Drosseln meiden Schnaps.
Die Biene ist nicht fleißig
und der ultralinke Hai skandiert:
»Auf Immobilien scheiß ich!«

Ella Carina Werner

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster