Vom Fachmann für Kenner | April 2023


Wechselgeld mit Musik

Einen kleinen Moment halte ich erschrocken inne, als ich den Bus betrete: Auf dem Fahrersitz lümmelt eine reichlich verwahrloste Gestalt, ihr ähnlich zerrupfter Spießgeselle lehnt am Armaturenbrett. Sie haben es sich gemütlich gemacht und snacken genüsslich eine rohe, in Scheiben geschnittene Zwiebel – aus der Schale, in die der Kassenautomat üblicherweise die Wechselgeldmünzen ausgibt. Nun bin ich durchaus auf der Höhe der Zeit und könnte die Fahrt auch per App bezahlen, aber jetzt will ich es wissen und händige dem Fahrer einen 10-Euro-Schein aus (»Zweimal Kurzstrecke bitte«). Bereitwillig fischt dieser die restlichen Zwiebelringe mit einer eleganten Handbewegung aus der Vertiefung, 5 Euro und 60 Cent landen in der Zwiebelsaftpfütze. Er sieht mich so freundlich an, dass ich die Münzen tatsächlich entnehme und in meiner Geldbörse verstaue. Es bleiben zwei Fragen: Wie entfernt man Zwiebelgeruch zuverlässig aus Leder, und wäre es in Zeiten explodierender Lebensmittelpreise vielleicht schlauer gewesen, statt des Münzgeldes die Zwiebeln mit nach Hause zu nehmen?

Martina Werner

Lust auf Genus

Ich bin kurz davor, der Burda-Verlagsgruppe ein wöchentliches Magazin anzubieten. Gegenstand soll ein spielerischer Umgang mit gendergerechter Sprache sein. Einen Namen gibt es auch schon: siehe oben.

Camillo Rota

Traurig, aber wahr

In den letzten zehn Jahren habe ich drei mehrjährige Beziehungen geführt und beendet, mein Studium abgeschlossen, in sechs verschiedenen Städten gelebt, einen Job angefangen und gekündigt und einen neuen begonnen. Wenig war in dieser Zeit von Dauer, bis auf eine Sache: Ich gucke immer noch »The Walking Dead«.

Karl Franz

Vertrauen

Schweigen wie ein Grab kann man, wenn man tot ist.

Burkhard Niehues

K.I.

In den Geschirrspülern und Waschmaschinen der neuesten Generation sei Künstliche Intelligenz verbaut, die mir die Hausarbeit künftig enorm erleichtern werde, behauptet der Prospekt des örtlichen Elektro-Fachmarkts. Bin skeptisch. Ich glaube eher, dass wirklich intelligente Haushaltsgeräte schnell lernen werden, sich vor der Arbeit zu drücken.

Melanie Schweinfurth

Eiscreme im Kopf

Als ich das Fontanella-Eiscafé betreten wollte, musste ich mit Bedauern feststellen, dass es geschlossen war. Der Eingang war bereits komplett zugewachsen. Ein kurzer Blick ins Internet bestätigte meinen Verdacht: Die Eisdiele feierte gerade erst ihren zweiten Geburtstag.

Laura Brinkmann

Ansporn

Kürzlich habe ich eine öffentliche Toilette, in der der Wandspruch »Bitte verlassen Sie den Raum so, wie Sie ihn vorzufinden wünschen« hing, erst nach acht Stunden wieder verlassen. Da wird sich Mama aber freuen zu hören, dass ihr Sohn endlich Innenarchitekt geworden ist.

Ronnie Zumbühl

Kleiner Tipp

für alle, die sich oder ihre Kinder als Pirat, Zombie oder Monster verkleiden wollen, aber wie ich Angst davor haben, dass die Schminke Giftstoffe enthält: Wenn man früh genug anfängt, kann man Narben auch ganz einfach selber herstellen.

Volker Gahrmann

Pompeji

Überraschung: Überaschung!

Rolf Karez

Misslungener Gesprächseinstieg

Kenne ich Sie nicht von einer Todesanzeige?

Günter Flott

Namensidee …

… für urbane Bäckereien: Frühi. Tantiemen gerne auf das bekannte Konto von

Tina Manske

Werbung

Mezcal – da ist der Wurm drin!

Elias Hauck

Unsolved Mysteries

Und dann war da noch der seltsame Fall des eineiigen Zwillingspärchens, das am selben Tag verschieden ist.

Daniel Sibbe

Quantenphysis

Letztens erreichte mich via Briefkasten personalisierte Werbung. Das Schlimmste daran war nicht dieses unangenehme »Hallo Vorname«-Geduze schon in der Anrede; auch nicht die Aufforderung »entdecke jetzt unsere aktuelle Auswahl an Sneakern, Running- und Outdoor-Schuhen« oder die übliche verkaufsdreiste Lüge »Wir freuen uns auf dich!« Nein, bis ins Mark traf mich die Behauptung »Deine Schuhe verraten jede Menge über dich: Sie zeigen deinen Style, unterstreichen deinen Charakter, setzen ein Statement.« Denn als ich so an mir hinabschaute, musste ich zerknirscht einräumen: Stimmt.

Norbert Behr

Wetten?

Wie wir aus Goethes Briefen wissen, stand der Dichterfürst dem Glücksspiel sehr aufgeschlossen gegenüber und nahm zum Beispiel 1822 nachweislich an der 61. Frankfurter Lotterie teil. Näheres darüber steht in Thomas Manns Goethe-Roman »Lotto in Weimar«.

Andreas Maier

4D-Ecke

Eine Decke ist ja eher zweidimensional. Will man sich abends aber einmuckeln, hat sie sofort zwei Dimensionen mehr – an besonders kalten Tagen sogar die Struktur eines Möbius-Bands.

Peter Henrich

Weisheit

Rückschläge bei der Suchtbewältigung sind kein Problem, solange man das Leben in vollen Entzügen genießt.

Sebastian Maschuw

Allerletzte Namen

Wie nennen eigentlich die Aktivisten der Letzten Generation ihre Kinder? Hier ein paar Vorschläge: Armaguidon, Apokalypseppel, Fynnito, Basta, Limboris, Infernora, Daswars, Himmelreich, Friedensreich, Ciao.

Ulf Erdmann Ziegler

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster