Vom Fachmann für Kenner | September 2022


Tipp für Studenten (männlich)

Seit ich Mutter das Paket mit meiner Schmutzwäsche via Spedition mit Annahmebestätigung schicke, kann sie nicht mehr so tun, als hätte sie es nicht bekommen.

Leo Riegel

Rindenrevanche

Als ich beim Wandern durch ein etwas dichteres Waldstück von den zahlreichen Ästen einige Kratzer abbekommen hatte, ärgerte ich mich zuerst. Dann aber dachte ich: Vielleicht haben die Bäume ihre Initialen in meine Haut geritzt – als Retourkutsche für die unzähligen in Rinden geschnitzten Initialen und Herzchen verliebter Menschenpärchen. Eine prinzipiell verständliche Reaktion, nur warum musste ausgerechnet ich sie zu spüren bekommen?

Jürgen Miedl

Zeitenwende

Mein neues Leben als Privatier bringt es mit sich, dass ich so gut wie gar keine Termine mehr wahrnehmen muss. Das führt mitunter zu einer gewissen zeitlichen Desorientiertheit, manchmal weiß ich nicht einmal, welchen Wochentag wir gerade haben. Was mir hilft, ist das Müsli, welches ich von montags bis freitags zum Frühstück zubereite. Eine der wesentlichen Zutaten ist dabei eine Banane pro morgendlicher Portion. Die Bananen kaufe ich für den genannten Zeitraum auf Vorrat ein. Wenn dann nur noch eine übrig ist, weiß ich: Eine Banane vor Freitag! Das Wochenende ist nicht mehr weit, an dem ich meinen arbeitenden Freunden wieder von diesem Leben erzählen kann.

Tom Breitenfeldt

Positives Denken

Man sollte immer versuchen, Dinge positiv zu sehen. Die Inflation zum Beispiel hat für mich auch was Gutes: Ich erreiche den Mindestwert zum Geldabheben im Supermarkt mittlerweile fast immer.

Karl Franz

Ganz düsterer (Kunst)Stoff

Neben mir im Zug stachen jüngst zwei Jugendliche mit Nägeln und großer Freude auf Playmobilfiguren ein. Ob es sich dabei nur um eine klassisch destruktive Phase der Pubertät handelte oder die Voodoo-Kunst sich dem steigenden Mikroplastikgehalt im menschlichen Körper angepasst hat, habe ich mich nicht getraut zu fragen. Eine der Figuren sah mir gefährlich ähnlich.

Sebastian Maschuw

Sparmaßnahme

Auffallend viele Männer machen gerade mit ihren Partnerinnen Schluss. Vermutlich können sie sich bei den Preisen das ständige Gaslighting schlicht nicht mehr leisten.

Fabio Kühnemuth

Zeit für Kartoffeln

Eine Erscheinung, die uns seit ca. 2010 verfolgt, ist, dass Fast-Food-Läden in hippen Vierteln der Großstädte »Manufaktur« oder »Werk« im Namen tragen müssen. Dort essen gehen kann ich nur, wenn ich mir das durch die Vorstellung rechtfertige, wie nebenan in der Küche meine Pommes in mühevoller Handarbeit mit Hammer und Meißel von der Kartoffel abgetragen werden, während ich Pommes für zwölf Euro esse.

Yvonne Zißler

Französische Retrolution

Habe mich neulich einen ganzen Tag lang nur von Kuchen ernährt, weil das Brot alle war. So rede ich mir die bei mir immer noch leergehamsterten Regale einfach als Teil der Retrowelle schön.

Loreen Bauer

Handwerkerglück für Ungeschickte

… ist der Moment kurz vorm Einschlafen, in dem man feststellt, dass das da oben an der Decke kein dicker schwarzer Käfer, sondern Resultat eines missglückten und längst vergessenen Bohrversuchs ist.

Martin Weidauer

Kulinariktipp

Für neue Ideen am Herd auch mal Out-of-the-Kochbox denken.

Julia Mateus

Völlig selbstlos

Ich wollte mich zu einem Selbstverteidigungskurs anmelden – Judo oder Karate. Schon nach dem Vorgespräch schickte mich der Lehrer wohlwollend nach Hause. Da gäbe es bei mir nichts zu verteidigen.

Patrick Fischer

Zu unrecht vergessen

Ich wollte mich zu einem Selbstverteidigungskurs anmelden — Judo oder Karate. Schon nach dem Vorgespräch schickte mich der Lehrer wohlwollend nach Hause. Da gäbe es bei mir nichts zu verteidigen.

Patrick Fischer

Tanzsprache

Dass Honigbienen ihren Mitarbeiterinnen beim Schwänzeltanz genaue Entfernungs- und Richtungsangaben zu einem Futter-Fundort mitteilen, ist bekannt. Für den Begriff »Gekipptes Fenster« gibt es noch keine Tanzschritte, das schließe ich daraus, dass die Brummer regelmäßig den Weg zurück ins Freie nicht finden.

Miriam Wurster

Schwarzlicht-Therapie

Geschenkidee für Freunde, die ständig zu gute Laune haben: Ein Kur-Urlaub in Bad Vibes.

Viola Müter

Pfand’s übertrieben

Wenn ich zum Supermarkt fahre, nehme ich immer die in einem Beutel gesammelten Pfandflaschen samt Altglas mit, um Letzteres in den auf dem Weg befindlichen Container zu werfen. Offensichtlich hatte ich jedoch eine Flasche Aloe-Vera-Saft aus dem Drogeriemarkt übersehen. Mechanisch stopfte ich sie mit dem anderen Leergut in den Automaten. Obwohl da jedoch gar kein Pfand drauf war, nahm er sie anstandslos unter Gutschreibung von acht Cent entgegen. Nachdem ich mich noch einmal versichert hatte, dass die Flaschen nicht »bepfandet« waren, brachte ich sie von nun an immer zum Supermarkt. Einmal probierte ich es auch, allerdings ohne Erfolg, bei der nächstgelegenen Filiale. Jetzt war mein Stammmarkt wegen Umbau für sechs Wochen geschlossen, die Pfandautomaten waren erneuert worden, und nun wurde die Annahme verweigert. Ich habe mal gelesen, dass der Lebensmittelmarkt so hart umkämpft sein soll, die Händler würden an einem Joghurtbecher nur einstellige Centbeträge verdienen. Das mag ja sein, aber dass wegen meines bisschen Fake-Pfandguts ein ganzer Markt samt Bodenbelag renoviert wird — das finde ich dann doch etwas übertrieben!

Burkhard Niehues

Wenn Objektophilie auch für die Nachbarn zur Belastung wird

Ständiges Türenknallen im Treppenhaus.

Daniel Sibbe

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster