Vom Fachmann für Kenner | Oktober 2022


Minimalismus im Kollektiv

… bedeutet für mich, Pakete erst bei den Nachbarn abzuholen, wenn man sie wirklich braucht. So habe ich meine Wanderschuhe (geliefert am 22.12.2021) erst Anfang August bei Herrn Gurkner abgeholt. Verteilt auf ein Mehrfamilienhaus ergeben sich so ganz neue Stauräume in den Fluren der jeweiligen Parteien. Dadurch komme ich meinem Ziel, die persönliche Habe auf 100 Dinge zu reduzieren, immer näher.

Martin Weidauer

Kunsttipps für Kinder

Bei Stacheldraht muss man so Loopings malen.

Markus Riexinger

Nützliche Erfindung

Eben vorzügliches Produkt ausgedacht für Leute, die Zahnfleischprobleme und enge Zahnzwischenräume haben, aber nach dem Zähneputzen regelmäßig noch etwas Kleines snacken wollen: Interdental-Würstchen.

Mark-Stefan Tietze

DIY-Abschreckung

Wenn ich mir im Internet die Satellitenbilder anschaue, die Google von meinem Schrebergarten knipst, bin ich maximal beruhigt. Der schiefe Zaun, die debil hingepfuschte Hütte, der zerfallende Wassertank, das eingestürzte, wieder aufgerichtete und erneut eingestürzte Gewächshaus: Niemals wird man mich nach Nordkorea entführen, damit ich dort an der Atombombe mitbaue. Das dürfte selbst denen zu gefährlich sein.

Theobald Fuchs

Randerscheinung

Das Bio-Müsli kaufe ich nicht mehr. Die ganzen kleinen Körnchen kleben in der Schüssel immer Amaranth.

Christian Büsen

Verkäuferpech

Fahrradladen. Ich konnte einem mir bis dahin gänzlich unbekannten Verkäufer einen kurzen Moment des Glücks bescheren, als ich mich auf seine wiederholt so routiniert wie keck vorgetragene Behauptung »Gutes Rad ist teuer« von der Originalität dieser Formulierung begeistert zeigte. Dass ich eine halbe Stunde später dann doch ein gutes günstiges Rad erwarb, bei einem wortkargen Mann in einem anderen Laden, das wiederum ließ mein Herz kurz hüpfen.

Norbert Behr

Für Facebook

Vorschlag eines tiefgründigen Denkspruchs für Tierärzte: Real eyes realize real lice.

Karl Franz

Ehrliches Landvolk

Irgendwo in Niederbayern war die automatische Bandansage des Regionalzuges gestört. Die Haltestellen wurden nicht angesagt, dafür erhielt ich kurz vor jeder Ortschaft die Auskunft »Rechts«. Immer noch ein netter Service, aber wer einmal in bayerischen Dörfern unterwegs war, kann sich das nun wirklich selber denken.

Tibor Rácskai

Aqua-Erlebnis

Als ich letztens die Frankfurter Wasserpolizei schwer bewaffnet in ihrem Boot über den Main schippern sah, verstand ich endlich das alte Sprichwort: »Wer im Gummiboot sitzt, sollte nicht mit scharfer Munition schießen.«

Laura Brinkmann

Klare Diagnose

Nach der ersten Sitzung bescheinigte die Paartherapeutin meiner Partnerin und mir, dass es in unserem Liebesleben noch viel Lust nach oben gebe.

Patrick Fischer

Nicht nur für Cineasten

Um unprofessionelle Anschlussfehler zu vermeiden (»Mist, schon wieder eine Videokonferenz! Welches Hemd hatte ich heute Morgen an? Mit welchem Videofilter habe ich noch mal den Wäschehaufen im Hintergrund übermalt?« oder eben auch: »Huch, wieso sind Sie denn auf einmal nackt?«), könnte man direkt eine Continuity-Agentur für Heimarbeiter gründen. Schnapsidee oder innovatives Geschäftsmodell? Oder hatte ich das im letzten Meeting schon mal vorgeschlagen?

Alexander Grupe

Grüner Daumen

Manches im Leben fällt einem einfach in die Hände, z. B. ein umfallender Kaktus, während man morgens das Rollo hochzieht.

Ferri Bueller

Zoologische Forschung

Die Sommermonate verbringe ich in der Regel mit geöffneter Balkontür, was mir täglich neue, ungewollte Fliegengäste einbringt, die dann dümmlich brummend unter meiner Deckenlampe ihrem Tagwerk nachgehen. Ich lasse sie dort herumkreisen, auch wenn sie mich nerven, nicht aus religiösen oder Tierschutzgründen, ich finde es nur einfach richtig eklig, Insekten umzubringen. Also habe ich mich auf die Erforschung der kleinen Schwirrer verlegt, um der Situation etwas Positives abzugewinnen. Nach jahrelanger Beobachtung und genauesten Statistiken über Ankunft und Abflug in Relation zu den Kerbtierleichen in den Zimmerecken kann ich nun die gesicherte Erkenntnis veröffentlichen: Fliegen sterben wirklich wie die Fliegen.

Katharina Greve

Künstliche Idiotie (KI)

Seit Youtube mir vor dem Abspielen meiner Suchanfrage »Give Peace a Chance – John Lennon« eine Werbung für den freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr zeigte, mache ich mir keine Sorgen, dass intelligente Maschinen bald schon die Macht übernehmen. Außer das war bereits ein Anzeichen für Humor.

Jürgen Miedl

Dass der Duden

den Ausdruck »trans« als kleingeschriebenes, indeklinables Adjektiv aufgenommen hat, weil es, siehe »Gebrauch: Jargon«, in bestimmten Kreisen aus politisch legitimen Gründen, aber ohne jedes sprachliche Fingerspitzengefühl, nun einmal so verwendet wird, ist das Eine. Dass jetzt militante Veganer*innen »hafer« klein schreiben wollen, weil Hafermilch, so das Argument, eben doch auch eine Milch und so gut wie jede andere sei, geht jetzt aber selbst mir, als langjährig pflanzenfressender Enbie-Transe, ein klein wenig zu weit.

Jeja Klein

Alttestamentarisch

Führende Theologen bestreiten, dass die Bibel Selbstjustiz rechtfertigt. Aber war nicht Moses im Grunde der Erste, der das Gesetz in die Hand nahm?

Wieland Schwanebeck

Erkenntnis einer Migrantin

Bei der Ampeltreue deutscher Fußgänger wird mir historisch einiges klarer.

Deborah Mock

Zusatzstoffe

Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen befürworte ich sogenanntes Industriefood. Nach meinem Gusto dürften die Speisen sogar noch ein bisschen mehr Schmierfett, Schrauben und Zahnräder enthalten.

Ronnie Zumbühl

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt