Vom Fachmann für Kenner | Mai 2022
Versöhnt mit dem Ich
Im Rahmen eines TV-Interviews hat Papst Franziskus neulich verraten, dass er als Kind, statt sich zum Priester weihen zu lassen, eigentlich den Beruf des Metzgers ergreifen wollte. Schön für ihn, dass es am Ende doch noch »irgendwas mit Fleischeslust« geworden ist.
Patric Hemgesberg
Wein und Bewusstsein
Ja, ich weiß, die meisten Menschen werden im Alter gesetzter und beginnen, sich für eine gewisse Kultiviertheit zu interessieren und sie zu genießen, aber ich würde trotzdem gern öfter mal den Satz hören: »Ich hasse inzwischen nichts so sehr wie gute Weine!«
Mark-Stefan Tietze
Entwarnung
Ich habe neulich zum ersten Mal eine Vorsorgeuntersuchung beim Urologen gemacht. Ergebnis: Alles bestens, der Mann ist kerngesund.
Cornelius WM Oettle
Alte Weisheit (aktualisiert)
Gib einem Hungernden einen Fisch und er wird einmal satt, lehre ihn Phishing, und er wird nie mehr hungern.
Ronnie Zumbühl
Spurensicherung
Bei der Auflösung der Wohnung ihrer verstorbenen Schwester habe sie sich nicht einmischen wollen. Zu schnell, sagt die Großmutter, heiße es dann, die Erben seien über alles hergefallen wie die Heuschrecken. Ihre Nichte habe sie aber gebeten, zumindest anwesend zu sein und ihr zur Begrüßung einen abgestandenen Sekt angeboten. Die angebrochene Flasche Weißwein sollte sie auch mitnehmen, um ihn, wie die Nichte empfahl, als Salatdressing zu verwenden. Sie habe sofort erkannt, dass es genau die Flasche Wein war, die sie selbst ihrer Schwester kurz vor deren Tod mitgebracht hatte. Die klebrige Flasche habe sie vorsichtshalber in Papierservietten gewickelt und mitgenommen. Wer wisse denn schon, meint die Großmutter, was bei der heutigen Kriminaltechnik alles so erkannt werden könne.
Ludger Fischer
Imposterboy
Leiden Hochstapler eigentlich auch manchmal am Imposter-Syndrom und fragen sich, ob sie wirklich so gut lügen und betrügen können wie all die anderen Schwindler und es überhaupt verdient haben, in solch illustren Kreisen zu wandeln?
Sebastian Maschuw
Nietzschekorrektur
Hab heute mal in den Abgrund geschaut, doch der hat verschämt in eine andere Richtung geguckt. Ich fürchte, man hat ihm lange Unrecht getan.
Tibor Rácskai
Tränen an der Ampel
Im Frankfurter Bahnhofsviertel begegnete ich einem Mann mit zwei tätowierten Tränen unterhalb des Auges. Ich wusste, dass das Tränentattoo ein Code ist, der verriet, dass ein echter Mörder neben mir an der Ampel stand! Schockiert und neugierig zugleich geriet ich ins Grübeln: Stehen die beiden Tränen eigentlich für einen Mord, oder hatte er schon zwei Menschenleben auf dem Kerbholz? Mir fiel ein, dass das Tränentattoo manchmal auch nur einen vergangenen Gefängnisaufenthalt anzeigt. In der Zwischenzeit trennten sich unsere Wege, und der Gesichtstätowierte geriet außer Sichtweite. Beim nächsten Mal würde ich einfach freundlich nachfragen, nahm ich mir vor.
Leo Riegel
Gastrokritik
»Mit diesem Schweinefraß schaffst du es nie in die Medaillonränge!«
Daniel Sibbe
Daddy Issues
Man muss bedenken, dass, wenn man einem Mann über 50 die Nummer gibt, man ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit erst mal erklären muss, wie sein eigenes Handy funktioniert, und dann ist »der Moment« wahrscheinlich schon wieder vorbei.
Paula Irmschler
Der will doch nicht spielen
Eine wirklich feine Dame führt einen dieser wuscheligen kleinen Hunde spazieren. Das weiße Wollknäuel hechelt, schnüffelt, hüpft und springt wie ein niedlicher Flummi, gerade so wie man es von ihm erwartet. Eine nicht ganz so feine Frau mit einem Golden Retriever kommt den beiden entgegen. Der Flummi verwandelt sich in eine bösartige Töle und verbeißt sich im seidenweichen Bauchfell des harmlos-dummen Retrievers, der sofort jaulend umfällt. Die feine Dame zerrt an der Leine und ruft erschrocken: »Ach du liebe Güte. Der beißt doch sonst nur schwarze Hunde!« Ja, so diskret führt heutzutage die Hautevolee ihren Rassismus spazieren.
Sarah Schmidt
Zusammenhalt & Freundschaft
Haben siamesische Zwillinge eigentlich auch immer eine bessere Hälfte?
Nick Hertzberg
Dadaismus
1916 oder 17 schrieb der Schriftsteller Hugo Ball das Gedicht Karawane, in dem wir neben den Zeilen »higo bloiko russula huju« und »schampa wulla wussa« auch gleich zweimal »blago bung« lesen können. Wie eine Gruppe von Schweizer Literaturwissenschaftlern nun herausfand, hat er Letzteres aber gar nicht so gemeint.
Andreas Maier
Gescheite Brotzeit
Die Kundin vor mir in der Bäckerei ordert: »Fünf normale Brötchen und ein Brot, aber ein vernünftiges!« Ohne Nachfragen nimmt die Verkäuferin das Gewünschte aus dem Regal und packt es in Tüten. Irgendwie tröstlich, denke ich, dass wenigstens unsere Backwaren noch normal und vernünftig sind.
Melanie Schweinfurth
Titel für Meditations-Buch abzugeben
»Atmen ist das neue Rauchen.«
Julia Mateus
Rückgabe
Ich habe mir neulich eine Tasche gekauft, die aus recyceltem Kunststoff aus dem Meer hergestellt wurde. Deshalb kann ich die, wenn ich sie eines Tages nicht mehr brauche, einfach ins Meer zurückwerfen. Das wäre auch ein Weg, um die unzähligen Taschen loszuwerden, die sonst noch so bei mir rumliegen.
Uwe Geishendorf
RIP.gif
Der Erfinder des GIFs, Stephen Wilhite, ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Kurz zuvor, so berichteten die Angehörigen, sei sein ganzes Leben noch einmal komprimiert in kurzen, sich wiederholenden Szenen in 256 Farben vor seinem inneren Auge vorbeigezogen.
Fabian Lichter
Tanktipp
Einfach immer für 50 Euro tanken, und es wird nie teurer.
Peter Kiefer
Schlecht gealtert
Bin mit 32 beim Alkoholkauf nach dem Ausweis gefragt worden. Begründung der Kassiererin: »Ja, mit der Maske kann man Ihr Alter wirklich schlecht einschätzen.« Was glaubt sie denn? Dass ich darunter ’nen Schnuller im Mund haben könnte?
Loreen Bauer