Vom Fachmann für Kenner | August 2022


Fantastische Millionärswesen

Neuerlich musste ich in einer Studie lesen, dass Millionäre sich deutlich vom Rest der Bevölkerung unterscheiden: Sie seien eher bereit, Risiken einzugehen, zeigten sich offener für neue Erfahrungen, sei es in Kunst, Kultur oder Wissenschaft. Sie seien erfinderisch und neugierig, hätten oft viel Fantasie und hinterfragten gern die gesellschaftlichen Normen. Gleichzeitig seien sie gewissenhafter als andere, überlegten sich ihre Handlungen eher und planten besser. Millionäre seien umgänglich, gesellig und heiter, oft herzlich, weniger neurotisch, seltener ängstlich und unsicher. All das verunsicherte mich zutiefst, weckte Neid in mir und wich erst dann einer beschwingten Erleichterung, als ich mir die Grundlage dieser beeindruckenden Untersuchung vor Augen führte: Sie beruhte auf Fragebögen zur psychologischen Selbsteinschätzung. Noch mal Glück gehabt.

Norbert Behr

Der Fehler im Rogen

Ich kann mir nicht helfen: Jedes Mal, wenn ich Kaviar esse, habe ich ein Störgefühl.

Lukas Haberland

Mann vs. Tümmler

Wen es beeindruckt, dass Delfine nach Erkenntnissen aus der Verhaltensbiologie ihre Artgenossen in Schulen von bis zu fünfzig Tieren am Geschmack des Urins unterscheiden können, hat wohl noch nie was von der Bademeister-Legende unseres städtischen Hallenbades gehört. Man munkelt nämlich, er könne nach einmaligem Gurgeln mit Chlorwasser aus dem Sportbecken scheinbar anonyme Pinkelsünder herausschmecken und unter Nennung ihres vollständigen Namens, des Geburtsdatums, der Wohnanschrift und des Schwimmabzeichens achtkantig aus dem Bad werfen. Warum seine Kollegen die keckernde Frohnatur also »Flipper 2.0« rufen, dürfte hiermit hinlänglich erklärt sein.

Patric Hemgesberg

Selbsterkenntnis

Dass ich dann doch ein ziemlich verwöhntes Arschloch bin, habe ich gemerkt, als ich neben einem schlafenden Obdachlosen eine geschenkte Tüte Nachos sah und ganz kurz dachte »Was soll er damit? Er hat doch gar keinen Dip.«

Karl Franz

Kein Mitgefühl

In Leute, die keine Empathie empfinden, kann ich mich einfach nicht hineinversetzen.

Laura Brinkmann

Come togoether

Früher wurden wir Magic-Kartler in der großen Pause von unseren Mitschüler*innen aufs Übelste verlacht, gebrandmarkt, bespuckt und verdroschen. Na, die werden sich ärgern, wenn sie sehen, dass es in Offenbach mittlerweile einen Goethering gibt.

Camillo Rotha

Hitzeschlagfertig

Es geschah an einem ganz normalen Donnerstag im Hochsommer. Ich war auf dem Wochenmarkt in Redaktionsnähe, hatte bereits fast alles eingekauft (Petersilie, Brot, Bratwurst-Snack) und wollte nur noch zum Käsestand. Und den erreichte ich auch und brüllte sogleich meine Bestellung hinein: »Ein Schälchen Paprika-Frischkäse, bitte!« Da stellte sich so ein Typ neben mich, vielleicht Mitte 30, schlank, smarte Brille, zückte (kein Witz!) einen Notizblock, stellte sich als Reporter der Frankfurter Rundschau vor und fragte die Käsefrau, wie es denn so sei am Markt »bei dieser unglaublichen Hitze«. Und die erzählte direkt, offen und herzlich, dass die Kühlung seit einiger Zeit nicht gehe. Allerdings, weil eine Sicherung durchgebrannt sei, nicht wegen der Hitze. Ohne Kühlung ginge es aber auch. Und weil ich so in Sorge war, dass mich der fahrlässig ungekühlte Aufstrich, den mir die Käsefrau ungerührt einpackte, umbringen werde, fiel mir nicht ein, was ich zu diesem Journalisten am Käsestand hätte sagen müssen, während ich bezahlte. Das nämlich, was Kollegin Julia Mateus später dazu einfiel: »Na, zum Glück ist von Ihrem Käseblatt immer gleich jemand vor Ort, was?«

Moritz Hürtgen

Fragment

Kafka war schon deshalb ein größerer Autor als Proust, weil dieser zu Lebzeiten nur einen einzigen Meisterroman nicht vollenden konnte, Kafka hingegen gleich drei unabgeschlossen ließ? Äußerst reizvolle These! Aber irgendwie unfertig …

Andreas Maier

Fußballfan-Sprechchor-Adressaten-Analyse

Die einen
von seinen
Vereinen,
die scheinen
mit »Schweinen!«
die deinen
zu meinen.

Jürgen Miedl

Land über

Alles eine Frage der Perspektive: Menschen, die aus Hochwassergebieten von ihren Häusern gerettet werden müssen, haben zumindest noch ein sicheres Dach unterm Kopf.

Daniel Sibbe

Unbegrenzt

Chatten ist eine praktische Möglichkeit der Kommunikation. Allerdings erschöpft sich die Unterhaltung bald nach dem ersten freudigen Austausch, die Pausen werden länger (muss er jetzt erst die Geschirrspülmaschine ausräumen?), es ist nicht leicht, den richtigen Moment zu finden, um das stockende schriftliche Gespräch zu beenden. Silicon Valley sollte sich an der verschwundenen Telefonhäuschentechnik orientieren: »Die Münze rutscht jetzt gleich durch!« – »Ja.« – »Aber was ich dir eben noch sagen wollte …« klack – tuuuut.

Miriam Wurster

Versteckte Potentiale

Ich bin mir absolut sicher, dass ich ein begnadeter Motivationscoach wäre, wenn ich nur einmal im Leben meinen Arsch hochkriegen würde.

Fabian Lichter

Frühwarnsystem

Aufgrund meines spärlichen Haupthaars merke ich stets als Erster, dass es zu regnen beginnt.

Fabio Kühnemuth

Festivalfeeling

Drei Wochen aufs Dixiklo, Dosenfraß, ständig wildfremde Menschen um mich herum und von morgens bis abends Krach sind schon eine besondere Lebenserfahrung. Ich würde mir aber beim nächsten Mal trotzdem ein Hotelzimmer nehmen, so ’ne Komplettsanierung von Küche und Bad geht schon ziemlich auf die Nerven.

Björn Ackermann

Elternanteil

Ich habe meinen Eltern wirklich viel zu verdanken. Ohne sie hätte ich zum Beispiel nie meinen Therapeuten kennengelernt.

Sebastian Maschuw

Gewissensschläge

Einem Kollegen habe ich letztens von meinen Gewissensbissen erzählt, die mich plagen, seitdem ich als überzeugter Pazifist einen Typen geschlagen habe. Da klärt mich doch dieser Oberbesserwisser darüber auf, dass es wissenschaftlich korrekter sei, von Gewissensstichen zu sprechen, weil das Gewissen über einen Stechrüssel verfüge. Daraufhin habe ich ihm korrekterweise eins auf die Fresse gegeben.

Ronnie Zumbühl

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sakra, »Bild«!

Da hast Du ja wieder was aufgedeckt: »Schauspieler-Sohn zerstückelt Lover in 14 Teile. Die dunkle Seite des schönen Killers. Im Internet schrieb er Hasskommentare«. Der attraktive, stinknormal wirkende Stückel-Killer hat Hasskommentare im Netz geschrieben? So kann man sich in einem Menschen täuschen! Wir sind entsetzt. Dieses Monster!

Indes, wir kennen solche Geschichten zur Genüge: Ein Amokläufer entpuppt sich als Falschparker, eine Kidnapperin trennt ihren Müll nicht, die Giftmischerin hat immer beim Trinkgeld geknausert, und das über Leichen gehende Hetzblatt nimmt’s gelegentlich mit der Kohärenz beim Schlagzeilen-Zusammenstückeln nicht so genau.

Grüße von der hellen Seite des Journalismus Titanic

 Sind Sie sicher, Rufus Beck?

Im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zum 25. Jubiläum des Erscheinens des ersten deutschsprachigen »Harry-Potter«-Buchs kamen Sie ins Fantasieren: Würde Harry heutzutage und in der echten Welt leben, dann würde er sich als Klimaschützer engagieren. Er habe schließlich immer für eine gute Sache eingestanden.

Wir möchten Sie an dieser Stelle daran erinnern, dass Harry Potter ein Zauberer ist, sich folglich gar nicht für den Klimaschutz engagieren müsste, sondern ihn mit einem Schnips obsolet machen könnte. Da allerdings in sieben endlos langen »Harry Potter«-Bänden auch keine Klassenunterschiede, Armut oder gar der Kapitalismus weggezaubert wurden, fragen wir uns, warum Harry gerade bei der Klimakrise eine Ausnahme machen sollte. Aber wo Sie schon so am Fabulieren sind, kommen wir doch mal zu der wirklich interessanten Frage: Wie, glauben Sie, würde sich Ihr Kämpfer für das Gute zu Trans-Rechten verhalten?

Hat da so eine Ahnung: Titanic

 Du, Krimi-Autorin Rita Falk,

bist mit der filmischen Umsetzung Deiner zahlreichen Eberhofer-Romane – »Dampfnudelblues«, »Sauerkrautkoma«, »Kaiserschmarrndrama« – nicht mehr zufrieden. Besonders die allerneueste Folge, »Rehragout-Rendezvous«, erregt Dein Missfallen: »Ich finde das Drehbuch unglaublich platt, trashig, stellenweise sogar ordinär.« Überdies seien Szenen hinzuerfunden worden und Charaktere verändert. Besonders verabscheuungswürdig seien die Abweichungen bei einer Figur namens Paul: »Der Film-Paul ist einfach ein Dorfdepp.«

Platt, trashig, ordinär – das sind gewichtige Vorwürfe, Rita Falk, die zu einer vergleichenden Neulektüre Deiner Romane einladen. Da fällt uns übrigens ein: Kennst Du die Geschichte vom Dorfdeppen, der sich beschwert, dass der Nachbarsdorfdepp ihn immer so schlecht imitiert?

Wär’ glatt der Stoff für einen neuen Roman!

Finden Deine Trash-Flegel von Titanic

 Ei Gude, Nancy Faeser!

Ei Gude, Nancy Faeser!

Als Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl stellen Sie im Wahlkampf wöchentlich eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Aussicht, um bei Ihren stockkonservativen hessischen Landsleuten zu punkten. Das Dumme ist nur, dass Sie damit bis jetzt bei Ihrer Zielgruppe nicht so recht ankommen. Der sind Sie einfach zu zaghaft.

Da hilft nur eins: Klotzen, nicht kleckern! Ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hat es doch vorgemacht und sich über die Abschiebung von 69 Afghan/innen an seinem 69. Geburtstag gefreut! Das haben alle verstanden. Tja, Ihr 53. Geburtstag am 13. Juli ist schon rum, die Chance ist vertan! Jetzt hilft nur noch eins: gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Thilo Sarrazin!

Und flankierend: eine Unterschriftensammlung gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die es Migrant/innen erleichtert, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ohne die eigene aufzugeben. Für Unterschriftenaktionen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind die Hess/innen seit jeher zu haben (»Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben?«). Und dass Sie damit gegen Ihren eigenen Gesetzentwurf agitieren – das werden die sicher nicht checken!

Darauf wettet Ihre Wahlkampfassistenz von der Titanic

 Puh, 47jährige,

bei Euch läuft es ja nicht so rund gerade. »Nur mit Unterhose bekleidet: 47-Jähriger flippt an Trambahn-Haltestelle aus« müssen wir pfaffenhofen-today.de entnehmen. InFranken meldet: »143 Autos in vier Jahren zerkratzt – 47jähriger Verdächtiger wurde festgenommen«, und schließlich versaut Rammstein-Ekel Lindemann Euch noch zusätzlich das Prestige. Der ist zwar lang nicht mehr in Eurem Alter, aber von dem Lustgreis ist in letzter Zeit dauernd im Zusammenhang mit Euch die Rede, weil er sich als 47jähriger in eine 15jährige »verliebt« haben will.

Und wenn man sich bei so viel Ärger einfach mal einen antrinkt, geht natürlich auch das schief: »Betrunkener 47-Jähriger landet in Augustdorf im Gegenverkehr«, spottet unbarmherzig lz.de.

Vielleicht, liebe 47jährige, bleibt Ihr besser zu Hause, bis Ihr 48 seid?

Rät die ewig junge Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kartoffelpuffer

Die obligatorische halbe Stunde, die deutsche Rentnerehepaare zu früh am Bahnhof erscheinen.

Fabio Kühnemuth

 Löffelchenverbot

Ich könnte niemals in einer Beziehung mit Uri Geller sein. Ich will mich einfach für niemanden verbiegen.

Viola Müter

 Tagtraum im Supermarkt

Irre lange Schlange vor der Kirche. Einzelne Gläubige werden unruhig und stellen Forderungen. Pfarrer beruhigt den Schreihals vor mir: »Ja, wir machen gleich eine zweite Kirche auf!«

Uwe Becker

 Backpainer-Urlaub

Eine Thailandreise ist die ideale Gelegenheit, sich bei unzähligen Thaimassagen endlich mal jene Rückenschmerzen rauskneten zu lassen, die man vom Tragen des Rucksacks hat, den man ohne die Thailandreise gar nicht gekauft hätte.

Cornelius W. M. Oettle

 Brotlose Berufsbezeichnung

Ich arbeite seit Jahren erfolgreich als honorarfreischaffender Künstler.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
22.09.2023 Mainz, Frankfurter Hof Max Goldt
23.09.2023 Mönchengladbach, Theater im Gründungshaus Max Goldt
24.09.2023 Aschaffenburg, Hofgarten Thomas Gsella mit Hauck & Bauer
26.09.2023 Bern, Berner Generationenhaus Martin Sonneborn