Vom Fachmann für Kenner | Oktober 2021


Autofahrer sind Schweine

Wenn ich als Kind mit meinen Eltern im Auto fuhr, kritisierte meine Mutter manch einen anderen Verkehrsteilnehmer, der, so fluchte sie, fahre »wie eine gesengte Sau«. Dass man in grauer Vorzeit Schweine mit Lötflammen zu enthaaren pflegte, und dass jene, jedenfalls wenn sie zuvor nur unzureichend getötet worden waren, regelmäßig der brutalen Behandlung in wildem Galopp entflohen, hatte mir damals noch niemand eröffnet. Ja, ich zweifle bis heute daran, dass diese Anekdoten überhaupt der Wahrheit entsprechen. Als Kind verstand ich stattdessen »wie eine gesenkte Sau«, und ich finde, das macht allemal mehr Sinn, schließlich ist da »tiefergelegt« nicht weit von entfernt.

Theobald Fuchs

Meinung

Dass Leichenspürhunde bei einem Fund mit dem Schwanz wedeln, ist ja schon ziemlich pietätlos.

Julia Mateus

Merke:

Wenn du wie ich auf einem Plakat »Attraktive Brötchenhälften« statt »Attraktive Büroflächen« liest, solltest du schleunigst eine Schnellbäckerei aufsuchen.

Leo Riegel

Hey, Google!

In meiner Meditation bin ich mittlerweile auf einem solch hohen Level der Gelassenheit angelangt, dass sich die Cookies-Abfrage bei mir erübrigt. Alles akzeptieren – check.

Tina Manske

Stolze Eltern

Jetzt hat es auch Zimmerpflanzen erwischt. Es gilt mittlerweile als Trend, sich die Wohnung damit vollzustellen. Die glücklichen Pflanzenbesitzer nennen sich Plant Mums und Dads. Wenn Sie also demnächst mal ein Auto vor sich haben, auf dessen Heckscheibe Namen wie »Alocasia Black Velvet« und »Calathea Orbifolia« stehen, folgen Sie vermutlich Trendsettern.

Loreen Bauer

Das schlechte Buch

Habe neulich ein Buch gekauft, das ich wirklich schlecht finde. Richtig schlecht. Da es recht teuer war, würde ich es gern unkompliziert über eine bekannte Verkaufsplattform weiterverticken. Am liebsten möchte ich dort auch eine sehr böse Rezension hinterlassen, da ich das Buch geradezu beleidigend schlecht finde. Damit aber verringere ich ja die Verkaufschancen meines Exemplars. Mal wieder so ein Dilemma der modernen Welt.

Katharina Greve

Verfärbung

Seit ich meine Nase mit einer Creme, die auch zur Euterpflege verwendet wird, einreibe, sieht mein Nasensekret irgendwie milchig aus.

Uwe Geishendorf

Neologismen 2.0

Im Bestreben, meine Mitmenschen möglichst kunstvoll zu beleidigen, erfinde ich unentwegt neue Wortschöpfungen. Die Ergebnisse nenne ich liebevoll Craft Ausdrücke.

Daniel Benkert

Klops sei Dank

Es ist tatsächlich gelungen, ein Aroma einzufangen, welches mich an einige der schönsten Nächte meiner Jugend erinnert. Und vor allen Dingen an die glückselig-verkaterten Morgen danach. Die Fete, das Fest, der Rausch, biergetränkte Teppiche, halbvolle Gläser mit irgendwas, zertretene Erdnusswürmer, der Nachgeschmack irgendwelcher Lippenstifte, nikotingeschwängerte Luft, kalte Kippen in übervollen Aschenbechern auf dem Tisch neben den Resten mitgebrachter Speisen, die die Nacht überlebt haben – dieses wunderbare, unvergessliche Bouquet hat ein namhafter Nahrungsmittelproduzent dankenswerterweise verewigt in: vegetarischen Frikadellen. Tausend Dank!

Tom Breitenfeldt

Kunstrasen

Im Garten den gesamten Rasen mähen bis auf ein kleines Quadrat etwas unterhalb der Mitte – welcher Mann hat kurz vor Beendigung jener Gartenarbeit noch nicht schelmisch hineingegrinst, in sein Hitler-Gärtchen?

Andreas Lugauer

Wartezeit ist Geld

Vor knapp zwanzig Jahren kaufte ich mal einer offensichtlich gut betuchten Studentin aus Hamburg in Münster eine halbe Küchenausstattung für einen Appel und ein Ei ab. Darunter befand sich auch eine Küchenmaschine eines namhaften Herstellers, die schon im Haushalt meiner Eltern gute Dienste getan hatte. Es störte mich auch nicht weiter, dass die durchsichtige Abdeckhaube für die Rührschüssel fehlte. Wenn man nach dem Hinzufügen von Mehl zum Kuchenteig etwa nicht sofort auf die höchste Stufe schaltet, sieht die Wohnung hernach auch nicht wie frisch eingeschneit aus. Auf die Idee, das fehlende Plexiglasteil nachzubestellen, war ich auch nie gekommen. Schließlich ist ja allgemein bekannt, dass das oft sehr teuer ist. Kürzlich fand ich dann in einem Pappkarton mit der Aufschrift »Zu verschenken!« vor einem Haus in meinem Viertel besagten Deckel und griff zu. Tja, Wartezeit ist Geld, ziemlich lange Zeit, für eine vergleichsweise geringe Ersparnis, aber immerhin. Wer den Pfennig nicht ehrt, der knetet (den Teig) verkehrt!

Burkhard Niehues

Egozyklopädist

»Alleine die Auswahl, wer einen Wikipedia-Artikel bekommt und wer nicht, ist schrecklich! Jeder Soap- und Schlagerstar hat einen, während echte Geistesgrößen leer ausgehen.« »Und was willst du dagegen machen?« »Selbst aktiv werden, den Wiki-Autoren-Zirkel infiltrieren und neue Perspektiven einbringen – zur echten Demokratisierung des Wissens!« »Und worüber willst du deinen ersten Artikel schreiben?« »Über mich.«

Jürgen Miedl

Missverständnis

Sie könne sich noch genau daran erinnern, sagt die Großmutter, wie der Tobias seinen eigenen Vater mit dem Schlepper überfahren habe. Sie selbst habe geschrien, er müsse zurück, also vorfahren. Der Tobias habe das aber falsch verstanden, nämlich, dass er vor-, also zurückfahren solle. Nachdem er seinen Vater so insgesamt dreimal überrollt habe, sei der Tobias endlich vom Schlepper heruntergestiegen und habe gesehen, was er da angerichtet hatte. Mit dem Jungen habe sie sich sowieso noch nie gut verstanden.

Ludger Fischer

Lieferkette

Idee: Dem Lieferando- und Gorillas-Prekariat könnte man doch mit selbstgebasteltem Schmuck eine kleine Aufmerksamkeit überreichen, anstatt immer dieses unpersönliche Trinkgeld zu geben.

Martin Weidauer

Nadelstiche

Wenn ich Menschen, die ich nicht besonders mag und von denen ich weiß, dass sie ihre Posts automatisiert in allen Netzwerken ablassen, einen kleinen Stich versetzen will, dann like ich gut gefallende Posts aus Fairnessgründen zwar, aber egal, wo ich sie gesehen habe, ich like die Posts auf Facebook. So erhalten die Personen zwar Bestätigung, wissen aber, dass sie aus einem sterbenden sozialen Netzwerk mit den unlustigsten Nutzern kommt und allzu bald nichts mehr wert sein wird.

Karl Franz

Vor der vierten Welle

Zu meiner spätsommerlichen Grillparty unter dem Motto »Alles muss, nichts kann« konnte leider niemand – schade!

Mark-Stefan Tietze

Guten Morgen

Nach dem Aufwachen fühle ich mich häufig wie neugeboren. Womit ich meine, dass ich weder reden noch mich bewegen kann und das Gefühl habe, meine Fontanelle sei noch nicht ganz zugewachsen.

Laura Brinkmann

Abwägung

Wovon will man seinen Enkeln einmal erzählen? Von der Besteigung des Mount Everest oder von dem zwölfjährigen Prozess gegen die eigene Mutter? Beides zusammen ist in einem Leben schwer zu wuppen.

Teja Fischer

Summer Jam

Ein Song, der ausschließlich durch das Betätigen des Türöffners intoniert wird.

Fabio Kühnemuth

Berufung

Eine Großtante kam zu Besuch. Sie wurde im Zimmer meines etwa zwölfjährigen Bruders einquartiert, dort hingen von ihm gezeichnete Bilder aus dem Kunstunterricht an der Wand. Die agile Frau war eine pensionierte, aber immer noch leidenschaftliche Pädagogin. Das konnten wir nach ihrer Abreise an den mit Rotstift korrigierten Bildern erkennen, an den akkuraten Wolken, den hübschen Blumen und dem exakten Schattenwurf.

Miriam Wurster

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 An Deiner Nützlichkeit für unsere Knie, Gartenkniebank AZBestpro,

wollen wir gar nicht zweifeln, an Deiner Unbedenklichkeit für unsere Lungen allerdings schon eher.

Bleibt bei dieser Pointe fast die Luft weg: Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster