Vom Fachmann für Kenner | November 2021


Bittgesuch

Ich liebe Online-Petitionen, ich unterzeichne jede. Hätte es sie früher gegeben, viel Leid wäre der Menschheit erspart geblieben. »Stopp Römer nach Germanien!« 200 000 Unterzeichner, und die alten Germanendörfer am Rhein stünden noch heute Stein auf Stein. »Für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, für Brot für alle, für das Volk als Souverän und noch ein paar andere Sachen. Sind Sie dabei? Hier können Sie unterschreiben!« 5 Millionen ratifizierende Franzosen, darunter der französische König, und der blutige Sturm auf die Bastille wäre nie geschehen. Dasselbe gilt für »Europa raus aus Afrika« oder »Herr Bismarck, erlauben Sie das Wahlrecht für alle!« Auch die Sponti-Bewegung hätte mit ihren Zielvorstellungen auf diesem Weg mehr Erfolg gehabt, von »Macht aus dem Staat – Gurkensalat!« bis »Miethaie zu Fischstäbchen!« Keine Ahnung, ob die rot-gelbe Staatsgewalt alle Anliegen wirklich erhört hätte, aber man hätte es versuchen können.

Ella Carina Werner

Der Hauskauf

Wenn man das völlig verbaute Grundstück eines Verstorbenen erwirbt, der nicht nur Messie war, sondern auch noch verliebt in elektronischen Schnickschnack, containerweise Gerümpel entsorgt, Schuppen eins, zwei und drei abreißt, den Garten von allen unfachmännisch installierten Kabeln, Beetbeleuchtungen und Bewegungsmeldern befreit, die tote Thuja-Hecke fällt und weghäckselt – ja, wenn man das alles gemacht hat, dann hat man sauber ein ganzes Lebenswerk zerstört.

Katharina Greve

Gesundheitsfrage

Gibt es so was wie Fremdhypochondrie, also dass man immer Angst hat, andere Leute hätten irgendwas oder ihnen würde etwas zustoßen? Ich frage für eine Freundin, bei der ich befürchte, dass sie das hat.

Paula Irmschler

Auf der Pfanne

Natürlich wäre es möglich, an dieser Stelle ein albernes Wortspiel über die chinesische bzw. südostasiatische (Ess-)Kultur zu bringen, aber ich fürchte, dafür bin ich inzwischen einfach zu wok.

Michael Ziegelwagner

Beliebter Klassiker

Auf einem langen Spaziergang, der auch quer über einen Friedhof führte, las ich auf einem Urnengrab die Sinatra-Songzeilen-Gravur: »I did it my way!« Eine Grabinschrift, die wohl die Einzigartigkeit und unvergleichliche Persönlichkeit des Verstorbenen unterstreichen sollte. Schön! Schade, dass genau dieses Zitat auf noch zwei Gräbern in der Nähe stand.

Jürgen Miedl

Die unpopuläre Meinung

In der modernen Nutztierhaltung sind Legebatterien und Kastenstände nach wie vor absolute Mast-haves.

Dipl.agr.oec. Daniel Sibbe

Tatsächliches Alter

Wenn in der Presse von jemandem die Rede ist, der auch nur knapp älter ist als ich, ist meine erste Reaktion: »Was? Der lebt noch?« Was sagt das über mein Weltbild aus? Was über meine Zuversicht, auf die ich so stolz bin? Was über mein tatsächliches Alter? Wer kann es mir sagen? Johannes Heesters kann ich ja nicht mehr fragen.

Ludger Fischer

Nachbarschaftliche Katzenpädagogik

Katzen sind in Sachen Gastgeschenke furchtbar schlecht sozialisiert. Als Willkommensgabe an mich als neuen Nachbarn häufen die Viecher Berge an toten Mäusen und Vögeln vor der Terrassentür auf. Freundlicherweise sind die Leichen äußerlich nahezu unversehrt. Die Katzen wollen ja, dass ich die Aufmerksamkeiten noch verwenden kann. Damit die tierischen Nachbarn ihr Gabenverhalten optimieren, starte ich nun eine Umerziehungsaktion und werde in den nächsten Nächten vor der Katzenklappe des Nachbarhauses Dekoartikel aus Schnitzwerk, selbstgestrickte Socken, Duftkerzen und natürlich Tassen mit Katzenmotiven ablegen. Denn in einer guten Freundschaft geht man mit gutem Beispiel voran.

Günter Flott

Die Energiewende in vielen kleinen Schritten

Jeden Morgen, wenn ich mein vollgeseibertes Kissen sehe, bedauere ich, dass der Nachtspeichelofen noch nicht erfunden wurde.

Rolf Karez

Sicherstes Automobil der Welt

Der Traum vom spritschluckenden Panzer in der Garage, der bei eventuellen Unfällen die anderen Verkehrsteilnehmer in ihren Blechbüchsen zermalmt – er ist nicht neu: Bereits in den Achzigern fuhr man als friedensbewegter Akademiker, als Kulturbeauftragter mit langem wehenden Mantel, einen kantigen Volvo-Kombi, den Ur-SUV.

Miriam Wurster

Mostrich

Die besten Sprüche fallen einem leider oft erst hinterher ein. Eine Imbissverkäuferin auf dem Wochenmarkt tippt mangels Kundschaft gelangweilt auf ihrem Smartphone herum. »Na, sind Sie auch bei WurstApp?« wäre eine passende Bemerkung gewesen. Gut, aber man muss ja auch nicht immer und überall seinen Senf dazugeben.

Burkhard Niehues

Letztes Aufbäumen

Dass ein Smartphone beim Hochfahren mal – Gott zum Gruße! – vibriert, geschenkt. Die Geräte eines gewissen südkoreanischen Herstellers allerdings erbeben auch während des Herunterfahrens bei schon ausgeschaltetem Bildschirm noch mal kurz. Ganz so, als klopfte ein doch noch nicht Verstorbener von innen an den Sargdeckel.

Andreas Lugauer

Zu Besuch bei den Eltern

Das Bier ist alkoholfrei, der Kaffee hat kein Koffein und man hört viel über die Sendung »Visite«.

Dorthe Landschulz

Emotionskontrolle

Schon ewig her, da fiel mir in einem Plattenladen in Sevilla auf, dass die Regalfächer A–K und M–Z relativ spärlich bestückt waren. Die Fächer L hingegen barsten fast schon vor Fülle. Eine nähere Überprüfung der L-Fächer brachte Klarheit: Los The Beatles, Los The Clash, Los The Doors, Los The Eagles, Los The Rolling Stones, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich habe trotz rudimentär vorhandener Spanischkenntnisse davon abgesehen, das Personal darauf anzusprechen, denn diese mehr als amüsante Sortierung machte mir schlagartig klar, dass ich durchaus ein Typ bin, der etwas kann, was viele erst mühselig lernen müssen: loslassen.

Tom Breitenfeldt

Phasen einer Sucht

Die beste Zeit im Leben eines »Serienjunkies« ist die, in der man sich wieder für eine Serie entschieden hat. Eine Etappe der inneren Ruhe und Einkehr – verbunden mit dem tiefen Gefühl, ein Dasein in geregelten Bahnen zu führen. Doch mit jeder Episode steigt ein dunkler Nebel immer höher auf: die Angst vor der verfluchten Suchphase, in der dann wieder stundenlang Trailer zu schauen und Empfehlungen einzuholen sind. Apropos: Kennt jemand eine gute Serie?

Martin Weidauer

Empfehlung

Sommelier ist inzwischen ein normaler Beruf geworden. Nachdem ich in jüngster Vergangenheit des öfteren von Wassersommeliers las und kürzlich sogar von einem Brotsommelier, würde ich mich gerne ab Anfang kommenden Monats in der Gastronomie, im Handel oder morgens bei Ihnen zu Hause als Haferflockensommelier betätigen.

Mark-Stefan Tietze

Recherchefrage

Was soll das eigentlich immer für eine Drohung mit den russischen Inkassounternehmen sein? Die findet man heutzutage doch problemlos im Internet.

Karl Franz

Kino-News

Der nächste Bond-Gegenspieler wird von Lars Eidinger gespielt. In einer Szene versucht er, 007 mit einer Einkaufstüte von Aldi zu ersticken. Er wird auch der erste Bösewicht in einem Bond-Film sein, der bitterlich weint.

Uwe Becker

Alle fahren Bus

Dem notorischen Falschparker, der ständig vor unserer Ausfahrt steht, zur Disziplinierung aus allen vier Reifen die Luft rauszulassen, erwies sich hinsichtlich eines ungehinderten und zügigen Verlassens des Grundstücks irgendwie als ungünstig.

Sascha Dornhöfer

Formatfrage

Es gibt ein neues Lehrformat für Fanatiker: Verblended Learning.

Uwe Geisehendorf

Next-Level-Kosmopolit

Ständig trifft man jemanden und sowieso kennt man fast alle über zwei Ecken: Ja, China ist für mich so ein richtiges Milliardendorf!

Leo Riegel

Ernährungsmythos

Es gab mal einen, der ging zu einem Ökotrophologen und bekam nicht die Empfehlung, zum Frühstück Hüttenkäse zu essen.

Julia Mateus

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster