Vom Fachmann für Kenner | Mai 2021


Psychologischer Lifehack

Wirklich erstaunlich oft finde ich auf der Straße Eincentstücke, die ja bekanntlich Glück bringen. Da ich davon aber schon so viel habe, lasse ich sie meist liegen für Passanten, denen das Leben weniger freundlich gesonnen ist. Bei der Vorstellung, wie das gramgebeugte Mütterchen oder der trübsinnige Nerd hinter mir den kleinen Kupferling aufhebt und sich freut, wird mir jedes Mal ganz warm ums Herz! Das Beste daran ist jedoch, dass ich damit meine gute Tat des Tages getan habe und den Rest der Zeit ganz entspannt einfach das sein kann, was ich bin: ein egozentrisches Arschloch.

Katharina Greve

Fürs Fotoalbum

Kürzlich war ich an der See. Ein sonnendurchfluteter Pinienwald, ein sandiger Weg, der nahe Strand – diesen schönen Moment wollte ich festhalten auf einem Foto. Nicht auf einem profanen Selfie, es sollte auch Umgebung darauf sein. Spontan fragte ich einen nahenden Spaziergänger, ob er auf den Auslöser meines Fotoapparates drücken würde. Er willigte ein, ich stellte mich in Positur, lächelte in die Kamera. Der Mann schaute auf das Display und schien kurz innezuhalten, er überging aber den Impuls und machte das Foto. Später sah ich das Bild, das sich ihm geboten hatte: Eine rotgesichtige, schief grinsende, mit verrutschter Jacke und abstehenden Haaren unvorteilhaft vor einem Baum stehende Figur, die man nicht gut genug kennt, um Regieanweisungen geben zu können. Nächstes Mal vielleicht doch ein Selfie.

Miriam Wurster

Kohlerischer Anfall

Manchmal bin ich so wütend, dass ich am liebsten irgendwas kaputtmachen will, aber mit Gegenständen zu werfen ist mir zu anstrengend. Deswegen kaufe ich einfach Gemüse und koche es so lange, bis die Vitamine zerstört sind.

Loreen Bauer

Ausgeplaudert

»Ich schlurfe gerade in die Eckkneipe, grüße die Bardame und schnipse nach dem ersten Schnaps …« Zahllose Geschichten, ob aus den Fächern Poetry Slam, Lesebühne oder Hochliteratur, fangen genau so an. Doch Obacht: Glauben Sie das nicht! Es sind Scharlatane und Scharlataninnen, die ihre arglosen LeserInnen trickreich hinters Licht führen. Die AutorInnen hocken, während sie ihre Texte schreiben, ja alle gerade am heimischen Schreibtisch, im Schein ihrer Louis-Poulsen-Designerlampe, und checken zwischendurch ihre Hello-Fresh-Aktien. Nur das mit dem Saufen stimmt.

Ella Carina Werner

Best time to buy

Der Ratschlag, man solle nicht hungrig einkaufen gehen, mag ja durchaus seine Berechtigung haben. Was einem jedoch keiner sagt: Satt einzukaufen rächt sich auch. Spätestens dann, wenn man ein paar Stunden nach dem Supermarktbesuch aus einem Liter Orangensaft, einer 12-Volt-Batterie und einer Sonntagszeitung ein Mittagessen für drei Personen kochen soll.

Fabian Lichter

Ängstlich

Wenn man bei Google nach der Versicherung Generali sucht, erscheint als Suchvorschlag gleich »Generalisierte Angststörung«. Da sieht man, wohin es führen kann, mit jedem Brief mehr, den die Abzocker schicken.

Christian Schroeder

Wir kennen alle diesen Typus

Beim Gespräch von Angesicht zu Angesicht beschimpft er dich hemmungslos, wirft dir Talentfreiheit, Selbstsucht und Arroganz vor. Aber kaum drehst du ihm den Rücken zu, redet er nur noch Gutes von dir. Zum Kotzen, sag ich, si tacuisses, Alter! Aber insgeheim: irgendwo hat er auch recht.

Theobald Fuchs

Liebe zur Natur

Seit Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Tierwelt dieses Planeten und habe zu manchen Arten, aber auch zu ganz speziellen Tieren eine gewisse Zuneigung entwickelt. Mein liebstes Raubtier etwa erkenne ich schon aus zwei Kilometern Entfernung. Man kann sagen: Ich habe Augen für einen Luchs.

Niklas Hüttner

Kopfgeld

Als die Friseure nach monatelangem Lockdown endlich wieder öffnen durften, habe ich noch circa drei Wochen zugewartet, bis ich mich dann aufraffen konnte hinzugehen. Einmal, um den ersten Ansturm zu umgehen, andererseits aber auch, weil ich zu meiner anfänglichen Freude entdeckt hatte, dass meine Treuekarte bereits randvoll war. Ich dachte, wenn ich da direkt nach der langen Durststrecke des Kappers direkt nach der Öffnung freudestrahlend meinen Gratisschnitt geltend mache, reißen die mir direkt den Kopf ab! Obwohl: Dann hätte ich mir über so etwas in Zukunft ja auch keinen Kopf mehr machen müssen, und Geld gespart hätte es dann obendrein!

Burkhard Niehues

Faszinosum Faulheit

Woher nehmen die Menschen nur ihre Motivation? Ich meine, wie kann man denn zum Beispiel tatsächlich so viel Energie aufbringen, den Stammbaum von Elefanten zu erforschen? Das ist eine Mammutaufgabe!

Martin Weidauer

TV Later

Beim Fernseher meiner Eltern hat sich ein augenscheinlicher Nachteil in einen Vorteil verwandelt: Das Gerät, obwohl recht neu, zeigt nach dem Umschalten das Bild erst unheimlich spät, nach etwa einer Sekunde. Was mich zunächst genervt hat, nutze ich nun aus: Statt an jedem Kanal kurz mit den Augen hängen zu bleiben, höre ich meist sofort Rumgeschreie, einen Fußball-Kommentator, Gesang oder die Stimme von Dieter Nuhr und schalte sofort weg.

Karl Franz

Tanzkritik

Beobachtung auf einer Ü-40-Party: Viele Altrocker und Punkveteranen müssten mal dringend zum Pogopäden.

Thorsten Mausehund

Wladimir Iljitsch Dornröschen

Schon lange möchte ich ein kommunistisches Märchen schreiben, in dem sich herausstellt, dass Lenin nicht tot und einbalsamiert, sondern in seinem Glaskasten in einen hundertjährigen Schlaf gefallen ist. Eine böse Hexe (wahrscheinlich Stalin) hat ihn verzaubert. Nun wartet er sehnsüchtig darauf, von einem edlen Avantgardeprinzen (wahrscheinlich Kevin Kühnert) wachgeküsst zu werden. Das Ganze sollte ich jetzt aber bald mal zu Papier bringen. 2024 erwacht Lenin nämlich auch ungeküsst und spoilert alles.

Jürgen Miedl

Sohn seiner Klasse

In der aktuellen Klassismus-Debatte, die hauptsächlich von Proleten geführt wird, werden die spezifischen Problemlagen und Diskriminierungserfahrungen von uns Lehrers- bzw. Beamtensöhnen aus dem während der sozialdemokratischen Bildungsoffensive seit Ende der sechziger Jahre aufsteigenden Kleinbürgertum vollständig ignoriert – nur weil unsere Väter es sich wirklich SELBER ERARBEITET haben!

Mark-Stefan Tietze

Liebe und Magen

Eine neue Qualität der Partnerschaft ist erreicht, wenn Sie folgenden Vorwurf zu hören bekommen: »Du kochst so schlecht, dass das Essen beim Aufwärmen anbrennt.«

Thomas Tonn

Disclaimer

Meine Einreichungen für diese Rubrik müssen oft genug abgelehnt werden, weil sie humoristische Grundprinzipien nicht ausreichend beachten und die Pointen nicht funktionieren. Ich gebe daher zukünftig folgenden Hinweis dazu: Fallhöhenschwankungen sind technisch bedingt.

Robert von Cube

Dienstleistermentalität

So, wie man zu viel Salz nicht mit der gleichen Menge Zucker neutralisieren kann, kann man Respektlos-behandelt-Werden nicht dadurch neutralisieren, dass man Geld dafür bekommt. Dann ist das Leben zu salzig und zu süß zur gleichen Zeit.

Teja Fischer

Auch wieder wahr

Man ist immer nur so glücklich, wie man sich fühlt.

Steffen Brück

Zoom Nachdenken

Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: »Ich bin’s, der Faschismus.« Er wird sagen: »Hallo, hört ihr mich? Meine Kamera geht irgendwie nicht. Ich bin’s, der Faschismus!«

Tina Manske

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster