Vom Fachmann für Kenner | Juli 2021


Fatale Erkenntnis

Man sollte abchecken, ob wirklich alle fünf Teile von »In 5 Videos rauchfrei« bei Youtube verfügbar sind, bevor man nach dem ersten Teil, wo der moderierende Typ noch so übertrieben süffisant und vehement die Vorteile des Rauchen anpreist, mehr denn je Bock auf eine verdammte Kippe hat.

Paula Irmschler

Sie werden so schnell erwachsen

Halb besorgt, halb melancholisch eröffnete mir ein Freund, dass seine Tochter langsam beginne, sich für Jungs zu interessieren. »Hier«, seufzte er und zog ein Freundschaftsbuch aus seiner Aktentasche, »das hat sie neulich einer Klassenkameradin anvertraut. ›Ich schwärme für: Ferdinand aus der Fünften‹. Sie ist doch erst zehn!«

»Zeig mal her«, sagte ich. »Aha! Du hast dich verlesen. Da steht ›Ferdinand aus der Fünten‹ – der SS-Hauptsturmführer, der wegen seiner Kriegsverbrechen in den Niederlanden zum Tode verurteilt wurde!« – »Was?! Das ist ja noch schlimmer …« – »Ach, das ist bestimmt nur eine Phase. Mädchen in dem Alter fühlen sich nun mal von Nazis, die in den besetzten Nachbarländern gewütet haben, angezogen.« Mein Freund kratzte sich bedächtig am Kopf. »Das erklärt auch, warum sie sich zum Geburtstag ›Barbie-Puppen‹ gewünscht hat.«

Torsten Gaitzsch

Minimalinvasiv

Ob Grauhörnchen, Nutria oder der asiatische Marienkäfer, immer wieder liest man von exotischen Tieren, die sich hierzulande breitmachen und die hiesige Fauna verdrängen. Dass »unsere« Tiere in der Ferne an Boden gewinnen, liest man dagegen nie. Dass der introvertierte Braunbrustigel in der unwirtlichen sibirischen Tundra irgendwann die Oberhand hat, kann man sich auch kaum vorstellen. Der Tölpel wird sich sofort verirren und von Polarwölfen zerfetzt. Das arglose Europäische Reh im virenverminten Dickicht des kongolesischen Dschungels – schon der bloße Gedanke treibt mir die Tränen in die Augen! Der Flussbarsch wird im Pazifik nie mit den weltläufigen Meeresbarschen konkurrieren können. Und dass der deutsche Dackel in einer Schar costaricanischer Straßenhunde zum Rudelführer aufsteigt und in brachialer Paarungswut den dortigen Genpool verändert, wird wohl für immer ein süßer, aber illusorischer Kolonialtraum bleiben.

Ella Carina Werner

Aua

Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar: Glasscheiben (Balkontür).

Mark-Stefan Tietze

Neue Berufung

Auf der Suche nach einer neuen beruflichen Erfüllung fasste ich den Entschluss: Ich möchte Exorzist sein. Da habe ich mit Menschen zu tun. Außerdem erkenne ich in einer Gesellschaft, die immer verrückter wird, für diesen Beruf eine zunehmende Systemrelevanz – und damit verbunden Aufträge. Aber das Wichtigste ist: Ich wäre bundesweit der erste, der in den Gelben Seiten mit einem Eintrag als Exorzist vertreten wäre.

Günter Flott

Wut macht erfinderisch

Man sollte meinen, die Menschheit habe schon jede Form von Vandalismus ersonnen, aber was es zum Beispiel noch gar nicht gibt, sind zwei Meter große Flummis, die man von Hochhäusern schmeißt, damit sie durch die Straßenzüge dotzen, wo sie allerlei Verheerungen anrichten, und das ist doch etwas schade.

Robert von Cube

Welche ICD-Nr. ist das?

Mir ist aufgefallen, dass ich nicht nur Fahrzeuge verschiedenster Marken nicht voneinander unterscheiden kann, sondern auch die Autoanalogie, die viele für die Erklärung komplizierterer Sachverhalte nutzen, für mich meistens schwerer verständlich ist als der Sachverhalt selbst. Ich bezeichne mich deswegen als Auto-Autistin.

Tina Manske

Verwegen

»Es gehört Mut dazu, die Wiederholung zu wollen«, schreibt Sören Kierkegaard in seiner kleinen Schrift »Die Wiederholung« (1843) und formuliert damit einen Gedanken, dem bis heute viele kluge Köpfe zustimmen. Manche von ihnen sind aber noch kühner als der dänische Denker selbst und sagen sogar: »Es gehört Mut dazu, die Wiederholung zu wollen. Es gehört aber auch Mut dazu, die Wiederholung zu wollen.«

Andreas Maier

Verwirrend

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt. Was gilt nun aber genau bei einer Seeschlacht?!?

Katharina Greve

Mensch-Maschine

Hab mal aus Spaß bei dieser Frage im Internet »Are you a Robot?« auf »Yes« geklickt und bin jetzt Mitglied einer Roboter-Chatgruppe. Und sobald wir endlich wissen, wie Zebrastreifen aussehen, reißen wir die Weltherrschaft an uns.

Tobias Speckin

Kernproblem

Neulich fand ich beim Betreten des Supermarkts eine in der rechten Jackentasche vergessene Cocktailtomate vom letzten Einkauf. Sie war wohl aus dem zum Zwecke der Müllvermeidung nicht mehr komplett mit Folie überzogenen, senkrecht in die Tasche gestopften Schälchen gekullert. Ich freute mich sehr über diesen unerwarteten Glücksmoment, steckte mir das Fruchtgemüse in den Mund. Anschließend fiel mir wieder eine Methode zur Hebung der Stimmung durch erhöhte Achtsamkeit ein, von der ich etliche Jahre zuvor mal gelesen, die ich aber leider nie praktiziert hatte, obwohl sie mir damals gut gefiel.

Sie ist ganz einfach durchzuführen und geht in etwa so: Man fülle die eine Hosentasche am Beginn des Tages mit einer Handvoll Kirschkernen und befördere dann bei jedem schönen Ereignis, jedem netten Wort, das einem gegenüber geäußert wird, jeder Aufmerksamkeit, die einem am Tag widerfährt, etc., immer einen Kern von der einen Tasche in die auf der anderen Seite, um dann am Abend Bilanz zu ziehen. Ehrlich gesagt, gefällt mir die Idee mit der Überführung von Früchten oder vielleicht auch kandierten Erdnüssen oder Mozartkugeln viel besser. Auch wenn dann am Ende des Tages vielleicht nur heftige Bauchschmerzen dabei herauskommen sollten.

Burkhard Niehues

Wild Wild Warnwest

Das ist die draufgängerische Geschichte von Jack – Smokin’ Colt – Jackson. Um auf den düsteren Wegen der Prärie besser sichtbar zu sein, tauschte er seine braune Leder- gegen eine gelbe Warnweste mit Fransen aus Reflektorfolie. Und tatsächlich wurden er und sein Pferd Howard fortan von keinem SUV mehr gefährlich geschnitten. Ach, Jack! Du Teufelskerl hast es wieder einmal geschafft! Das war’s auch schon wieder mit den Abenteuern von Jack – Smokin’ Colt – Jackson. Schaltet auch das nächste Mal wieder ein, wenn es wieder heißt: Schaltet auch das nächste Mal wieder ein.

Jürgen Miedl

Nullnumerus

Schon seit Jahren wird lebhaft über Sinn und Nutzen des heutigen Lateinunterrichts diskutiert. Nun könnten den Gegnern der toten Sprache die derzeitigen Umstände dienlich sein, ein breites Bündnis gegen den schulischen Erwerb des Latinums zu formieren. Möglicher Name: »Zero Ovid«.

Daniel Sibbe

Trümmer-Boomer

He, meine Generation war es doch, die 1990 nach der Wende das Land wieder aufgebaut hat. Da wird doch wohl ein zweites Stück Käsekuchen zum Preis von einem drin sein, oder?

Theobald Fuchs

Melancholie in Ulm

Bei der Einfahrt in den Bahnhof Ulm schiebt sich im IC-Fenster ein Mobilfunkmast vor den Turm des weltberühmten Münsters und führt sinnfällig vor Augen, dass wir uns heute, statt vergeblich Gott anrufen zu müssen, jederzeit an eine Hotline wenden können.

Frank Jakubzik

Krisenvorteil

Die Rohstoffkrise lässt auch den Holzinstrumentenbau zum Erliegen kommen. Möge der coronageschädigten Schülerschaft also wenigstens das generationenübergreifende Blockflöten-Trauma erspart bleiben.

Teresa Habild

Aufbaumende Worte

Jeder Kastanienbaum hat das Potential zum Biergarten.

Martin Weidauer

Studie belegt

53 Prozent aller Schreibblockaden verschwinden bereits mit dem Feststellen der Bürostuhllehne.

Teja Fischer

Glaubensfrage

Nachdem ich zum wiederholten Male vor Gericht gescheitert bin, verliere ich so langsam den Glauben an den Rechtsstreit.

Uwe Geishendorf

Stichfeststellung

Es gibt zweierlei Tage: Die, an denen der Quark von ganz allein sauber aus der Packung rutscht, und die, wo man ihn elendig herauskratzen muss und trotzdem noch die Hälfte des Quarks in den Ecken kleben bleibt.

Karl Franz

Leben vom Überfluss

Neuerdings gehe ich regelmäßig zum »Foodsaver«: ein Laden, der Lebensmittel einsammelt, die die Supermärkte nicht ins Regal legen wollen. Eigentlich bin ich sehr zufrieden mit der Qualität, die ich dort bekomme. Bloß an diesem einen Tag, an dem wirklich nur besonders unansehnliches Obst und Gemüse zu holen war, habe ich mich erwischt beim Gedanken: »Die Supermärkte sollten einfach viel mehr wegwerfen.«

Cornelius W.M. Oettle

Mann stirbt deutsch

»Maitag! Maitag!« Warum dem Mitglied des Vereins Deutsche Sprache, das in der Ostsee in Seenot geraten war, niemand zu Hilfe kam. R.i.F.

Andreas Lugauer

Das Einmaleins der Tierdoku-Filmuntermalung

Das Flusspferd ist ein dickes Tier. Dazu passt am besten Tuba mit behäbig hüpfender Dur-Melodie.

Miriam Wurster

Auf dem Markt

Nett von der Frau vom Erdbeerstand, mir das 500-Gramm-Schälchen in Zeitungspapier zu wickeln, damit die Erdbeeren nicht herauspurzeln. Aber musste es die Gesamtausgabe des Landsers 1957 bis 2013 sein?

Leo Riegel

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Deine Fans, Taylor Swift,

Deine Fans, Taylor Swift,

sind bekannt dafür, Dir restlos ergeben zu sein. Sie machen alle, die auch nur die leiseste Kritik an Dir äußern, erbarmungslos nieder und nennen sich bedingt originell »Swifties«. So weit ist das alles gelernt und bekannt. Was uns aber besorgt, ist, dass sie nun auch noch geschafft haben, dass eine der deutschen Stationen Deiner Eras-Tour (Gelsenkirchen) ähnlich einfallslos in »Swiftkirchen« umbenannt wird. Mit Unterstützung der dortigen Bürgermeisterin und allem Drum und Dran. Da fragen wir uns schon: Wie soll das weitergehen? Wird bald alles, was Du berührst, nach Dir benannt? Heißen nach Deiner Abreise die Swiffer-Staubtücher »Swiffties«, 50-Euro-Scheine »Sfifties«, Fische »Sfischties«, Schwimmhallen »Swimmties«, Restaurants »Swubway« bzw. »SwiftDonald’s«, die Wildecker Herzbuben »Swildecker Herzbuben«, Albärt »Swiftbärt« und die Modekette Tom Tailor »Swift Tailor«?

Wenn das so ist, dann traut sich auf keinen Fall, etwas dagegen zu sagen:

Deine swanatische Tayltanic

 Hello, Herzogin Kate!

Hello, Herzogin Kate!

Ihr erster öffentlicher Auftritt seit Bekanntmachung Ihrer Krebserkrankung wurde von der Yellow Press mit geistreichen Überschriften wie »It’s just Kate to see you again« oder »Kate to have you back« bedacht.

Und bei solchen Wortspielen darf unsereins natürlich nicht fehlen! Was halten Sie von »Das Kate uns am Arsch vorbei«, »Danach Kate kein Hahn« oder »Das interessiert uns einen feuchten Katericht«?

Wie immer genervt vom royalen Kateöse: Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Also echt, Hollywood-Schauspieler Kevin Bacon!

»Wie wäre es eigentlich, wenn mich niemand kennen würde?« Unter diesem Motto verbrachten Sie mit falschen Zähnen, künstlicher Nase und fingerdicken Brillengläsern einen Tag in einem Einkaufszentrum nahe Los Angeles, um Ihre Erfahrungen als Nobody anschließend in der Vanity Fair breitzutreten.

Die Leute hätten sich einfach an Ihnen vorbeigedrängelt, und niemand habe »Ich liebe Dich!« zu Ihnen gesagt. Als Sie dann auch noch in der Schlange stehen mussten, um »einen verdammten Kaffee zu kaufen«, sei Ihnen schlagartig bewusst geworden: »Das ist scheiße. Ich will wieder berühmt sein.«

Das ist doch mal eine Erkenntnis, Bacon! Aber war der Grund für Ihre Aktion am Ende nicht doch ein anderer? Hatten Sie vielleicht einfach nur Angst, in die Mall zu gehen und als vermeintlicher Superstar von völlig gleichgültigen Kalifornier/innen nicht erkannt zu werden?

Fand Sie nicht umsonst in »Unsichtbare Gefahr« am besten: Titanic

 An Deiner Nützlichkeit für unsere Knie, Gartenkniebank AZBestpro,

wollen wir gar nicht zweifeln, an Deiner Unbedenklichkeit für unsere Lungen allerdings schon eher.

Bleibt bei dieser Pointe fast die Luft weg: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster