Vom Fachmann für Kenner | November 2020


Tatsache

Selbst in seinen allerdunkelsten Stunden sieht das Gesicht eines Delfins immer noch so aus, als würde es lächeln. Nicht anders verhält es sich mit einem Smiley in einem Donald-Trump-Tweet.

Teja Fischer

Abwägungsfrage

Die eigenen unerfüllten Lebensträume auf seinen Nachwuchs zu projizieren, diese Möglichkeit hat man als kinderloser Mensch leider nicht. Anderseits: Ein Kind, das zu jeder einzelnen Sportunterrichtsstunde eine schriftliche Entschuldigung mitbringt, hätte womöglich ernsthafte Schwierigkeiten, was die Bewältigung der schulischen Laufbahn betrifft.

Julia Mateus

Abwechslung

Warum gibt es eigentlich immer mehr Barber-Shops in meiner an Barber-Shops nicht armen Stadt? Vermutlich, weil zwischen zwei Ramen-Bars keine Ramen-Bar passt.

Niels Jürgens

Kunst meets Frankfurt

»Einmal die Krüppel.«
»Wie bitte?«
»Na, die Krüppel-Sammlung da.«
»Mein Herr, Sie meinen unsere Ausstellung ›En passant‹? Sie möchten ein Ticket?«
»Ja, genau.«

Man fremdelte anfangs ein wenig mit den impressionistischen Skulpturen im Städel-Museum in Frankfurt.

Nicolai Hagedorn

Politische Schaumschläger

Während sich die politische Rechte durch eine gewisse Neigung zur Mitgliedschaft in möglichst großen Verbänden auszeichnet, tendieren Linke eher dazu, sich in kleinen und kleinsten Kreisen zu vereinen. Hochgradig albern ist letzteres natürlich dann, wenn es so weit getrieben wird wie einst in Göttingen und heute auf Facebook, wo sich inzwischen zahllose linke »Organisationen« tummeln, die aus einer einzigen Person bestehen. Als wäre das allein nicht schon lächerlich genug, handelt es sich bei dieser oberpeinlichen Gestalt zumeist noch nicht einmal um die Basisgruppe

Andreas Maier

Prädikatenlogik im Urlaub

Dass die supergescheiten Griechen als Begründer der Logik uns weniger beschlagenen Völkern gripsmäßig stets einen Schritt voraus sind, wurde mir abermals verdeutlicht, als mir auf Kreta ein Einheimischer auf die Frage, ob das von mir anvisierte Reiseziel ein gutes sei, antwortete: »Oh yeah, it's a nice place! Everybody goes there. I have never been there.«

Cornelius W.M. Oettle

Wie gewonnen

Seit ich in Berlin wohne, sind rote Ampeln für mich kein Zeichen von Verbot mehr, sondern nur noch ein freundlicher Hinweis, die Straße etwas vorsichtiger als sonst zu überqueren. Da ich, insbesondere beim Radfahren, so nicht mehr auf Grün warten muss, spare ich einiges an Zeit ein. Auf der anderen Seite gehen viele andere Verkehrsteilnehmer, auch Autofahrer, ebenso vor wie ich. Wodurch ich jetzt zwar viele rote Ampeln überfahren kann, dafür aber aus Misstrauen anderen gegenüber an jeder grünen Ampel kurz anhalten muss. Die Zeitersparnis ist damit dahin.

Karl Franz

Gute Ausrede

keine Star-Trek-Fanfiction zu schreiben: »Ich wollte ja, Freunde, aber da war ein Riss im Lust-Zeit-Kontinuum.«

Tim Wolff

Des Pudels Kernseife

Das duftet doch zum Himmel, dachten die Bewohner des kleinen Städtchens Tensid, über dessen dermatologisch getesteten Dächern ein Fabrikschlot ragte, aus dem feine Blubberbläschen stiegen. Am roten Saum dieses Ziegelzipfels hing die Seifenfabrik »Sapo und Söhne«. Seifenfabrikant Eduard Sapo gab sich gern als Saubermann mit weißer Weste und reinem Gewissen. Doch es kursierten Gerüchte, er sei in Wahrheit ein schmieriger Typ, verwickelt in schmutzige Deals der Syndet-Syndikate, etwa Geldwäsche. Außerdem habe er ein Alkalholproblem. Nach Meinung Sapos diente diese Schmutzkübelkampagne einzig dazu, seine Branche mit ausgelaugten Wortspielen in den Dreck zu ziehen. In solchen Momenten kam ihm die Gallseife hoch, und er konnte vor Wut direkt schäumen.

Jürgen Miedl

Stilllegung

bezeichnet ein neues Genre der bildenden Kunst und widmet sich der Darstellung toter AKWs.

Ronnie Zumbühl

Falsch verbunden

Dass man mehrsilbige Wörter falsch liest, passiert ja gewiss nicht selten. Dennoch gibt es besonders dämliche Fälle. So las ich kürzlich das Wort »Biotoptyp« als »Bio-Toptyp« und stellte mir einen bärtigen Kerl vor, der nur Bio-Produkte kauft oder gar herstellt – ein Bio-Toptyp eben! Natürlich Unsinn in einem Artikel, der von Biotopen handelt. Gut, dass den Verleser, der stumm in meinem Kopf stattfand, unmöglich jemand bemerkt haben konnte. Trotzdem sah ich mich verschämt im Zugabteil um.

Leo Riegel

Diorama des Spätkapitalismus

Seit einiger Zeit liegt auf dem Schulweg meines Kindes ein toter Waschbär am Wegesrand. Es ist jeden Morgen ein großes Hallo. Die Kleinen gruseln sich und lernen noch vor der ersten Stunde etwas über die letzten Dinge. Die Erwachsenen staunen, dass es die possierlichen Langfinger »bei uns« wieder gibt. Das Tier rottet indes äußerlich erstaunlich unversehrt vor sich hin. Es würde mich nicht wundern, wenn es sich nur tot stellte, sei's, um eines Tages effektvoll aufzuspringen, sei's, weil auch Wildtiere nun schon zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gezwungen werden können. So oder so scheint mir die ganze Situation irgendwie kennzeichnend für unsere heutige, ja auch gleichsam nur äußerlich intakte ... und bei dieser geistreichen Bemerkung will ich mich gleich selbst vors Auto werfen.

Jasper Nicolaisen

Gönndor

Das beste Wellness-Spa in ganz Mittelerde.

Tobias Speckin

Obenrum öd

Die ICE-Trasse Kassel-Würzburg liegt fast komplett unter der Erde. Das ist durchaus eine gute Idee, denn die Gegend ist so trostlos wie das Liebesleben eines Bahn-Vorstands. Für einen Zwischenhalt erbricht sich der Zug in Fulda kurz an die Oberfläche, und man erkennt auf den ersten Blick die Brillanz der Nato-Strategie aus den Achtzigerjahren: Hier also wäre der Russe damals durchs berühmte »Fulda Gap« in den Westen einmarschiert und mit seiner enormen Panzerflotte vor lauter Langeweile direkt verödet.

Peter P. Neuhaus

Fight fire with fire

In das große Hotel genau gegenüber meiner Wohnung wurden vor einigen Tagen mehrere Hundertschaften Ordnungshüter einquartiert. Offensichtlich sind die Burschen aber durch das zarte Pflücken zauseliger Baumbesetzer und das Wegtragen derselben aus dem Dannröder Forst nicht ordentlich ausgelastet. Das ist ein Quatschen und Lachen und Singen in der Nacht, man mag es kaum glauben. An Schlaf ist nicht zu denken. Heute Abend rufe ich die Polizei!

Martina Werner

Frage

Ist es schon kulturelle Aneignung, wenn ich mir jeden Morgen erst zwanzig Minuten Arbeiterlieder anhören muss, bevor ich es schaffe, aus dem Bett zu kommen?

Konstantin Hitscher

Kaltstart

Erst wenn die letzte Ölquelle versiegelt, die letzte Tankstelle geschlossen, der letzte Verbrenner von der Straße verbannt ist, werdet ihr merken, dass Elektrobusse euch nicht wärmen, wenn ihr mit dem Fahrrad im Winter vor der Ampel hinter ihnen wartet.

Burkhard Niehues

Lügenpresse

Dass der Redakteur der Heimatzeitung sich aufgehängt habe, sagt die Großmutter, habe sie kommen sehen, schließlich sei auch sein Vorgänger schon eines grausamen Todes und vor Schreck gestorben, als er gesehen habe, wie die beiden Redaktionsräume in die Luft geflogen seien, weil der Bodenverleger die Dämpfe des Klebers unterschätzt und beim Lichteinschalten, wie die Polizei festgestellt habe, die Redaktionsräume zur Explosion gebracht habe. Als wir nachfragen, was mit dem Bodenverleger geschehen sei und was das Ganze mit dem Nachfolger des Redakteurs zu tun habe, der sich jetzt aufgehängt habe, sagt die Großmutter bloß, dass es zeige, dass auf der Heimatzeitung kein Segen liege, weshalb sie das Käseblättchen zwar abonniere, es aber niemals lese. Wahrscheinlich sei genau das die so genannte Lügenpresse, von der jetzt immer die Rede sei.

Ludger Fischer

Märchen, im Titel gespoilert:

Rohhäppchen und der böse Wolf.

Fabio Kühnemuth

Ich habe die Schnauze voll

von den kruden Personen, die einem am Frankfurter Hauptbahnhof ständig begegnen. In altbackenen Klamotten wollen sie einem scheinheilig lächelnd ihr ominöses Blatt andrehen. Ihre Gesinnung ist fragwürdig, und sie glauben, die Wahrheit zu verkünden. Aber nein, nein und nochmals nein: Ich möchte kein FAZ-Probeabo!

Paula Irmschler

Herbstschmerz

Ein stark übergewichtiger Mann wirbelt mittels eines höllisch laut dröhnenden Laubbläsers nasses Laub von einer Seite des Radwegs auf die andere. Er trägt rote Ohrenschützer, raucht eine krumme Zigarette und hat den Mund-Nasen-Schutz am Kinn kleben. Auf der Jeans-Kutte, die er über seiner orangefarbenen Warnweste trägt, steht »FCK WNTR«. Ich weiß, dass mir dieses Bild irgendetwas über den Zustand der Menschheit sagen will, doch ich schaffe es einfach nicht, die Botschaft zu enträtseln. Ich bin auf einmal nur noch sehr, sehr müde.

Theobald Fuchs

Kriegsführung 2020

So unzuverlässig, wie die Deutsche Post ist, musste ich mir einfach Brieftauben zulegen. Mehrmals kam es jedoch schon vor, dass der Wanderfalke meines Nachbarn meine kleinen Helferlein abfing. Deshalb statte ich sie ab jetzt mit einem netten Sprengstoffsatz aus, der sich per Fernzünder auslösen lässt. Der Triumph in der Hochhaus-Luftschlacht von Berlin-Marzahn wird mein sein, wenn sich der Himmel rot färbt und es Federn wie Konfetti regnet. Das Finanzamt muss warten.

Nick Hertzberg

Langzeitfolgen

Sollte Hanf legalisiert werden? Ich als langjähriger Konsument sage dazu: Pfff ... joa, schon, aber lass das mal morgen machen.

Tilman Birr

Marktlücke

Dass man heute auch Brillen online kaufen kann und sich nicht mehr von irgendwelchen falsch fröhlichen, smalltalkenden Fielmännern mit Fenstergläsern vor der Nase asymmetrische, »freche« Gestelle einschließlich lila-grünen Bügeln vorschlagen lassen muss – das ist schon mal ein großer gesellschaftlicher Fortschritt. Was jetzt noch dringend fehlt, ist ein Online-Friseur.

Robert von Cube

Meine beiden Lieblingskomponisten

Back & Hendl

Elias Hauck

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt