Vom Fachmann für Kenner | Mai 2020
JÜLG
stand in Großbuchstaben auf dem Etikett des Crémants, der mir zu einem feierlichen Anlass angeboten wurde. Woher dieser seltsame Name wohl stammt, fragte ich mich. Ich kam zu dem Schluss, dass »Jülg« das Geräusch sein muss, das entsteht, wenn feine Leute rülpsen.
Leo Riegel
Gratis ICE fahren in Uniform
Ich sehe zwar nicht mehr aus wie zwanzig, aber dass meine Tarnung als Bundeswehr-Archivarin so schnell auffliegen würde, hätte ich nicht gedacht.
Miriam Wurster
Merksatz
zum Welt-Zöliakie-Tag am 16. Mai: Bei Sprue vom Weizen trennen.
Anselm Neft
Großmutterweisheiten 2.0
Eine Freundin erzählte mir neulich, als sie, schon leicht angeheitert, dem DJ einer Kellerdisko mit einer Formulierung, die mich aufhorchen ließ, empfahl, doch besser eine andere Platte aufzulegen, Folgendes: dass der Spruch »Mach mal nicht so’n Scheiß, mach mal lieber Heino!« auf ihre Urgroßmutter zurückgehe, die dies aus dem Rollstuhl herauszukrähen pflegte, wenn das Radioprogramm ihr nicht recht war. Dass die gesamte Familie das Bonmot über die Jahre für alle Lebenslagen (Politik, Kindererziehung, Arbeit) übernahm. Und dass erst, als sie, also meine Freundin, einem verwirrten Lover damit bedeutete, sie doch besser anders zu berühren, klar wurde, dass die Chiffre »Heino« wohl nicht mehr allgemeinverständlich sei. Wie dankbar war mir die Freundin, als ich vorschlug, das schöne Sprüchlein doch mit Xavier Naidoo aufzupolieren.
Jasper Nicolaisen
Fortbildung
Als ich das erste Mal in Rom war, verstand ich zwar nicht viel von dem, was ich da sah, aber ich fand es dennoch so großartig und überwältigend, dass ich mich ohne den Umweg eines Studiums augenblicklich in einen Kunsthysteriker verwandelte.
Tibor Rácskai
Error
Da habe ich meiner Freundin mal wieder lang und breit erklärt, dass ich mitnichten meine Zeit nur am Computer verbringe, so wie sie es mir immer wieder vorwirft, und dass ich ja auch noch andere Sachen als Computerkram im Kopf habe und sehr wohl mit ihr in nicht bloß computeraffiner Sprache kommunizieren kann. Und wie sieht ihre Entgegnung auf all das aus? Sie scrollt nur mit den Augen!
Matthias Stangel
Gottesgegenbeweis
Es gibt verschiedenste Gründe, warum gläubige Menschen plötzlich oder nach längerem Zaudern vom Glauben »abfallen«, ihn »verlieren« oder einfach »keine Kirchensteuer mehr zahlen« möchten. Ein Freund von mir, einst glühender Katholik, wurde durch ein ganz besonderes Ereignis zum Atheisten. Er hatte ein Erweckungserlebnis. Eines Nachts erschien ihm Gott im Traum und sagte: »Norbert, mich gibt es gar nicht.« Daran glaubt er seither fest.
Jürgen Miedl
Stimmt nicht, aber wahr
Mein verquatschter Mitbewohner
Redet nur noch von Corona,
Ihm fällt gar nichts andres ein.
Ach, mein blöder Mitbewohner!
Ein Glück lebe ich allein.
Gunnar Homann
Verblühte Hoffnung
Es muss ein Volkssport gewesen sein. Damals in den Sechzigerjahren in Kleinbürgerkreisen, für die die Marmorplatte eines Fensterbretts das schönste Gewächshaus der Welt war. Seltsame Blüten trieb diese Leidenschaft, die natürlich kompetitiv in einem Kakteensportverein ausgelebt wurde. Als könne man im Reich der Wüstenpflanzen die Schmach des verlorenen Weltkriegs auswetzen. An einem Tag, als meine Eltern die ganze Mischpoke zu uns nach Hause eingeladen hatten, durfte ich zum ersten Mal bis Mitternacht aufbleiben. Geisterstunde! Werwölfe! Vollmond mit Fledermäusen! Darauf hatte ich seit Tagen gehofft. Am Ende war es die totale Enttäuschung, die Erinnerung treibt mir noch heute Tränen in die Augen. Keine Gespenster oder Vampire, nur todmüde Alte, die einen Blumentopf anglotzten. Darin entfaltete eine sogenannte Königin der Nacht eher lustlos ihre einzige schmutzig-weiße ausgefranste Blüte. Die am nächsten Morgen, als ich mich an dem hässlichen Gestrüpp rächen wollte, bereits verwelkt am Boden lag.
Theobald Fuchs
Apfelweinkritik
Während sich die ganze Republik das Maul über die ach so grobschlächtigen Hessen zerreißt, sie würden »vergorenen Apfelmost« oder gar »Trinkessig« in sich hineinschütten, straft der Österreicher die Spötter Lügen. Dort wird in den Tälern Westösterreichs ein Getränk kredenzt, das den Namen »Apfelwein« trägt, wobei es sich um zu kurz stehengelassenen Apfelsaft handelt. Hingegen versteht sich der Hesse darauf, ein Getränk aufzutischen, das genau richtig zu lange stehengelassener Apfelsaft ist.
Moritz Post
Daheim
Das Anstrengendste am Homeschooling ist, das Email-Postfach ständig zu leeren, damit die Lehrer jederzeit weitere 35MB-Emails schicken können.
Felix Scharlau
Schlimme Schwimmer
Wenn man zu beliebiger Zeit in die Schwimmhalle stiefelt, trifft man im Becken eigentlich immer auf die unvermeidlichen Terminator-Schwimmer, die drauflos kraulen, als seien sie Mark Spitz oder Franzi van Almsick im Trainingslager für Olympia. Wer ihre Bahn quert, bekommt gnadenlos die Handflächen ins Gesicht, gerne auch die Knöchel aus der Rückenlage. Nach einer Kollision geht es einfach unentschuldigt weiter, man ist ja schließlich auf Weltrekordjagd bzw. hat es eilig, weil in einer halben Stunde der Bridgeclub oder irgendein Ficktermin wartet. Man selber schlängelt sich derweil so durch: Aufpassen, ausweichen, viel zu schnell schwimmen, höchstens mal fünf Züge Rücken, dann schnell wieder umdrehen und gucken, ob keiner angeschossen kommt wie ein in beide Augen harpunierter Hammerhai. Alles halb so wild, aber was ich richtig schlimm finde: Man kann diesen Arschgeigen nicht mal ein Bein stellen.
Niels Jürgens
Gespräch im Aldi zwischen zwei Teenagern
»Wenn du geboren wirst, bist du automatisch in der AOK.«
»Echt? Ich bin aber bei der Barmer.«
»Dann ist da was schiefgelaufen. Vielleicht bist du unehelich geboren, und solche Leute kommen zu der Barmer.«
Achselzucken.
Robert Rescue
Weisheit
Wer ganz für sich alleine feiert,
ist auch alleine, wenn er reihert.
Gerald Noebel
Eines Abends,
ich trank gerade den letzten Schluck meines Zitronenwässerchens und machte mich bettfertig, stellte ich fest, dass ich den ganzen Tag keine Musik gehört hatte. Ich war schockiert, zumal die Deutsche Gesellschaft für Musik drei Alben pro Tag empfiehlt. Schlechten Gewissens hörte ich zum Einschlafen noch eine Speedcore-Platte.
Ronnie Zumbühl
Ein Hoch auf die Menschheit
In nur 20 Jahren von »Schau mal im Netz, was du da für eine Beule am Bein hast« zu »Schau bloß nicht im Netz, was du da für eine Beule am Bein hast«.
Teja Fischer