Vom Fachmann für Kenner | Januar 2020


Die Unmöglichkeit von Kommunikation

»Ein Dialog braucht einen Konflikt!«

»Schwachsinn!«

Teja Fischer

Neugründung

Vor kurzem veranstaltete der Verein der Naturfreunde in meiner Nachbarschaft eine Feier, bei der sich die Naturfreundejugend der Natur mehr als nur freundschaftlich verbunden zeigte. Sie düngten den Rasen vor meinem Haus mit ihrem Erbrochenen, pinkelten an die Bäume und trieben es im Gebüsch, Müll und Verwüstung hinterlassend. Daher gebe ich nun die Gründung des Vereins der Naturfeinde bekannt, denn eine Natur, die dies mit sich machen lässt, ohne dass sich ein Abgrund auftut, die Vandalen zu verschlingen – eine so saudumme Natur verdient unsere Zuneigung nicht.

Tibor Rácskai

Der Leerstand der Dinge

Auch mein Heimatstädtchen beklagt seit langem das dem überbordenden Online-Kaufverhalten geschuldete Innenstadtsterben. Erst heute fiel mir beim Gang durch die halb verwaiste Fußgängerzone die nächste Geschäftsaufgabe ins Auge, bei der ich beim besten Willen gar nicht mehr zu sagen vermochte, welcher Laden sich noch vor kurzem hinter den mit Gittern verbarrikadierten und mit Zeitungspapier abgeklebten Schaufenstern befunden hatte. Muss ich bei Gelegenheit mal googeln.

Daniel Sibbe

Akademische Unsitte

Wenn ich Studentinnen und Studenten immer wieder dazu ermahne, auf penetrantes Namedropping zu verzichten, tue ich das nicht aus einem Bauchgefühl heraus, sondern weiß mich in Übereinstimmung mit solch bedeutenden Köpfen wie Maik Tändler, Donald Davidson, Theodor W. Adorno, Marc Bloch, Franz Kafka, Friedrich Nietzsche, Wilhelm von Ockham, den Denkern der mittleren Stoa und, natürlich, Heraklit. Ganz zu schweigen von meinem großen Landsmann Georg Wilhelm Friedrich Hegel, mit dem mich ja weit mehr und Tieferes verbindet als die gemeinsame Herkunft.

Andreas Maier

Paaradox

Gewollt kinderlose Paare: Menschen, die uns leichtfertig der Chance berauben, Genies zu erhalten, die in der Lage wären, all unsere existentiellen, irdischen Probleme zu lösen (z.B. Überbevölkerung).

Burkhard Niehues

Staub

Ihr Mann, freut sich meine Großmutter, sei als Fernsehtechniker oft in anderen Wohnungen gewesen und habe dort viele Frauen kennengelernt. Die Fernseher, die er zum Reparieren mit nach Hause brachte, hätten alle nach verbranntem Staub gerochen. Er habe ihr immer verboten, diesen Staub wegzuwischen, weil der die elektrischen Kontakte isolieren würde. Sie aber habe sich da nichts vorschreiben lassen und alles schön sauber gemacht und auch den Stecker wieder in die Steckdose gesteckt. Dass ihr Mann dann einen Stromschlag bekommen habe und gestorben sei, hätte sie leichter verkraftet als die ganzen Frauen, die hinter seinem Sarg hergegangen seien und die alle nach verbranntem Staub gerochen hätten.

Ludger Fischer

In Netzen hetzen

Auch ich nutze soziale Netzwerke dazu, all meinen Hass auf die Welt im Allgemeinen und die Menschen im Besonderen loszuwerden. Dafür sind sie wirklich praktisch. Sie haben nur einen kleinen Nachteil: Man kann auf der Timeline nicht mit Blut schreiben.

Katharina Greve

Morning Glory

7 Uhr morgens, ich schlurfe griesgrämig zur Arbeit, plötzlich brüllt ein orangefarbener Mensch neben mir: »GUTEN MORGEN, STADT REGENSBURG!« Werde sofort fröhlich, denke: Wie toll, ein enthusiastischer Müllwerker, der einfach so seine pure Lebensfreude in den Morgen hinein kundtut. Bin erinnert an Rockkonzerte und begeisternde Rufe ekstatischer Musiker (»How are you doing, London!!«). Schreie entgegen meinem Temperament mit ungeahnter Begeisterung zurück: »GUTEN MORGEN, WELT!« Darauf knirschende Geräusche und Gebrabbel aus einer Gegensprechanlage, in die der Müllmann anschließend ungerührt etwas hineinraunzt, das mit »Hier Stadt Regensburg! ...« anfängt. In Zukunft werde ich morgens einfach wieder wie gehabt drängelnde Grundschüler im Bus anrempeln.

Kerstin Richter

Berufswunsch

Von Kindheit an war mir klar: Wenn ich mal groß bin, werde ich Hellseher.

Steffen Brück

Popkultur

»Auch ein guter Name für eine Band« wäre übrigens auch ein guter Name für eine Band.

Olga Fetzer

Eigentlich habe ich

um Yoga immer einen großen Bogen (Dhanurasana) gemacht. Ich war mir unsicher, ob ich für diese Bewegungskunst nicht zu untrainiert bin. Als ich mich schließlich aber doch in meine erste Stunde wagte, machten wir gleich zu Beginn eine Übung, bei der man die Lebensenergie »Prana« spüren und dann gezielt von den Zehenspitzen in die Oberschenkel leiten sollte. Zu meinem Erstaunen merkte ich gleich beim ersten Versuch, wie sich Energie löste, durch den Unterschenkel wanderte und im Oberschenkel ausbreitete. Ich war begeistert! Mein Bein weniger: Es schwoll an und tat weh. Beim folgenden Arztbesuch stellte sich leider heraus, dass ich doch nicht Prana mobilisiert hatte, sondern nur einen Thrombus.

Jürgen Miedl

Mikrovermutung

Wenn sich die kleinen Krankheitserreger partout in keiner Situation so verhalten, wie man das erwartet, handelt es sich vermutlich um multirenitente Keime.

Uwe Geishendorf

Konventionen überwinden

Regeln des sozialen Umgangs müssen immer wieder überprüft und aufgefrischt werden, damit sie nicht zu leeren Formhülsen erstarren. Das war auch die Idee eines ehemaligen Bekannten, als er mein Bücherregal in Augenschein nahm. Er zog einen Kunst-Prachtband heraus und teilte mit: „Du hast mir dieses Jahr noch nichts zum Geburtstag geschenkt, ich nehme dies!“

Miriam Wurster

Der trostreiche Aphorismus heute

»Sportler sind Menschen, die alles dafür geben, wie Maschinen zu funktionieren. Roboter sind Maschinen, die schon einen Schritt weiter sind.« Solche Sprüche machen mir vor allem deswegen Hoffnung, weil ich sie nicht verstehe. Da muss also was dran sein.

Theobald Fuchs

Hits für nix

Bei all dem Streit und Hass denke ich oft: Das ist nicht die Welt, für die sich die ganzen Eurodance-Bands in den Neunzigern den Arsch aufgerissen haben.

Ringo Trutschke

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Halt, Stromanbieter Ostrom!

Du kannst uns noch so oft auf Insta mit den vielen »reasons to join ostrom« kommen, unsere Treue gehört dem einzig wahren Rom: Westrom!

In diesem Sinne vale und semper fi von Deiner Imperialtraditionalistin Titanic

 Unzufrieden, »Deutschlandfunk Kultur«,

sind einer Deiner Instagram-Kacheln zufolge knapp 20 Prozent der Jugendlichen. Vor allem Zukunftsängste machen ihnen zu schaffen. Als serviceorientierter Wohlfühlsender hast Du aber direkt eine praktische Lösung parat, wie den jungen Leuten geholfen werden könnte. Und zwar, indem man ihnen in der Schule sogenannte Selbstregulationskompetenzen beibringe. Gut geeignet seien demnach zum Beispiel Yoga und Atemübungen.

Die aufkommende Panik einfach wegmeditieren? Zugegeben: Bei der Hilflosigkeit, die beim Gedanken an Verarmung, Klimakatastrophe und Faschismus aufkommt, keine abwegige Idee. Trotzdem schiene uns »Selbstregulation« ein irgendwie spaßigeres Konzept zu sein, wenn Du, Deutschlandfunk, es den Jugendlichen anhand der Konten von Milliardär/innen oder anhand leerstehender Luxuslofts beibrächtest!

Deine Revoluzzerkids von Titanic

 Na, lange nichts von Ihnen gehört, Seehofer, Sie alte Schabracke!

Na, lange nichts von Ihnen gehört, Seehofer, Sie alte Schabracke!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung geben Sie Ihrer ehemaligen Chefin eine Mitschuld am Erfolg der AfD: »Ich finde, dass Angela Merkel sich keinen Zacken aus der Krone brechen würde, wenn sie mal erklärt: In der Migrationsfrage habe ich nicht jeden Tag richtig gelegen.« Nein, verkündeten Sie außerdem generös, Sie hätten »keine Triumphgefühle« ihr gegenüber, nur weil jetzt in der Flüchtlingspolitik »sehr viel von dem getan wird, was ich schon vor Jahren gefordert habe – und dafür von einigen sogar als Rechtsextremist beschimpft wurde«. Stattdessen spürten Sie nur »Genugtuung nach innen«. Natürlich: Stille, nach innen gerichtete Genugtuung posaunt man bekanntlich in die Süddeutsche … Aber wäre es nicht so oder so treffender gewesen, Sie hätten von einem »inneren Reichsparteitag« gesprochen?

Fragt Sie Ihre sprachpsychologische Praxis auf der Titanic

 Mal wieder typisch, Bundespolizei!

Du testest gerade den Einsatz von Tasern, hast Dir in einem vertraulichen Bericht aber eingestehen müssen, dass diese ihre Mannstoppwirkung oder gleich das ganze Ziel gerne mal verfehlen. Ein Grund für das Versagen der Taser ist wohl: eine »offene Softshell-Jacke«. Und das ist ja mal wieder typisch! Wer muss sich um Polizeigewalt in Taserform also keine Sorgen machen? Gutsituierte Krautwurst-Teutonen in ihren ewigen Softshell-Jacken! Komm, Bundespolizei, Rassismus kannst Du doch auch weniger auffällig, weiß aus anders gekleideter Quelle

Deine Titanic

 Und aber apropos, brigitte.de!

»Diese Angewohnheit schadet deinem Gehirn mehr, als du denkst« – eigentlich ist uns das als Vorlage zu billig. Aber schwer fällt uns der Verzicht schon!

Gewohnheitsmäßig nicht Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Sprachchanges

Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Wir verwenden in der deutschen Sprache immer öfter Anglicisms.

Jürgen Miedl

 Ungenießbar

Zu Beginn der kalten Jahreszeit wird einem ja wieder überall Tee angeboten. Ich kann das Zeug einfach nicht trinken. Egal wie viel ich von dem brühheißen Wasser nachgieße, ich schaffe es einfach nicht, den Beutel im Ganzen herunterzuschlucken.

Leo Riegel

 Schattenseite des Longevity-Trends

Ob ich mit fast 60 noch mal Vater werden sollte? Puh, wenn das Kind 100 ist, bin ich schon 160!

Martin Weidauer

 Krass, krasser, Kasse

Wenn ich im Alltag mal wieder einen Kick suche, gehe ich kurz nach Feierabend oder samstags bei einem Discounter einkaufen. Finde ich dort eine richtig lange Kassenschlange vor, stelle ich mich nicht etwa an, sondern lege meine Einkäufe auf die nicht besetzte Kasse daneben. Hier beginnt der Nervenkitzel: Werde ich wie der letzte Idiot erfolglos auf die Öffnung der neuen Kasse warten oder wie ein allwissender Gott über den gewöhnlichen Einkäufern schweben? Mehr Spannung geht nicht. Anfängern rate ich allerdings, sich erst nach dem Schrillen, mit dem im Supermarkt Kollegen gerufen werden, an der leeren Kasse anzustellen. So kann man sich mit ein paar sicheren Erfolgen langsam an das freie Anstellen herantasten.

Karl Franz

 Bibelfest

Ich habe letztens geträumt, dass ich Teil einer christlichen Punk-Band war. Unser größter Hit: »Jesus muss sterben, damit wir leben können«.

David Sowka

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 28.10.:

    Das Schweizer Nachrichtenportal Watson preist den aktuellen Titel der Novemberausgabe im "Chat-Futter" an.

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

Titanic unterwegs
05.11.2024 Sylt, Feuerwache Tinnum Gerhard Henschel
05.11.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview«
07.11.2024 Hamburg, Centralkomitee TITANIC-Boygroup mit Gsella, Sonneborn und Schmitt