Vom Fachmann für Kenner | Oktober 2019


Die Hausgeburt Satans

Genre-Idee: Comeback des Horror-Exorzismus-Klamauks, diesmal im Ökoelternmilieu spielend, Titel des ersten Films siehe oben.

Julia Mateus

Zugeständnis an die Zeit

Geschlagene zwei Stunden nachdem ich vom Sofa aufgestanden war, bemerkte ich erst, dass auf meinem Bauch noch ein Kissen lag. So weit ist meine geistige und fleischliche Verformung also bereits vorangeschritten.

Teja Fischer

Omen est omen

Durch Geschichte und Literatur mit Zumutungen vielerlei Art vertraut, versetzte es mich in einen Zustand nur gemäßigter Empörung, als ich nach einem Arztbesuch dem Protokoll entnehmen durfte, es habe im Gespräch unter anderem eine »Gesinnungsanamnese« stattgefunden. Als Begleiterscheinung der aktuellen gesellschaftlichen Verwerfungen vielleicht keine grundsätzlich überraschende Entwicklung – man will ja gerne wissen, mit wem man es zu tun hat. Bevor ich aber diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, hatte ich nach genauerer Betrachtung des Schriftstücks bereits das Wort »Gerinnungsanamnese« kennengelernt.

Sönke Senff

Das Plakat

an der Autobahn zeigt eine Frau weinend, und der Slogan sagt: Finger weg vom Handy! Die Mühen der Verkehrspädagogen in Ehren, aber wäre es nicht sinnvoller, den Fahrern die Warnung direkt auf ihr Smartphone zu schicken?

Ulf Erdmann Ziegler

Grenzkontrolle

Ich kam spätabends auf dem Rückweg von meinem Portugal-Urlaub an der spanisch-französischen Grenze in eine Verkehrskontrolle. Routiniert fragte die streng aussehende Polizistin: »Do you take more than 10 000 Euro with you?« Ich musste lachen, sie war sichtlich irritiert, leuchtete mit ihrer Taschenlampe zuerst in mein Auto, darauf in mein Gesicht, musterte mich und fing auch an zu lachen.

Till Dejon

wrrksmmpfäschlurks

aus meiner Hosentasche gesendet.

Cornelius W.M. Oettle

Auf dem Weg nach Amentet

Die alternde Ägyptologin spürte, dass ihr Ende bald kommen würde und traf entsprechende Vorkehrungen: Sie schlief von nun an immer in Rückenlage mit über dem Oberkörper gekreuzten Armen, um in ihren Sarkophag zu passen.

Laura Brinkmann

Am Puls der Zeit

Gehen Partner oder Elternteile, die unter dem Vorwand einer schnellen Erledigung vor die Tür treten, um dann nie wiederzukommen, ihre Familie also spontan verlassen, heutzutage eigentlich nur mal schnell »Sojamilch holen« oder »Vape Liquid« kaufen?

Fabian Eggers

Geist und Seele

Das betreute »Heilfasten und Wandern« war erholsam und bereichernd. Momente der harten Prüfung gab es aber auch, besonders nach Einnahme der dünnen Mittagsbrühe, wenn der Kursleiter, umweht von Bratendüften, zurückkehrte, sich letzte Fasern aus den Zähnen saugte und erklärte, so einen Kurs anzuleiten koste sehr viel Kraft, Kraft, die er nur aus Fleisch ziehen könne.

Originalgenie

Es ist wirklich ärgerlich, wenn man stolz einen gerade erdachten Wortwitz googelt, um sicherzugehen, dass sich dieser nicht schon tausendfach im Netz tummelt und man aber sogleich auf die Seite Schlechtewitze.com verwiesen wird, auf welcher exakt dieses Wortspiel zu finden ist. Wenn man dann aus Verzweiflung einen Beitrag darüber schreibt, dass man seinen vorherigen Beitrag verworfen hat, weil dieser bereits auf einer Plattform übelsten Witzgutes steht und damit fad und abgehalftert ist, und nach kurzem Weitergoogeln herausfindet, dass exakt das auch schon mal jemand gemacht hat, ist man tatsächlich am Boden zerstört. Wenn einem aber dann die rettende Idee kommt, einen Beitrag darüber zu schreiben, dass man eine bereits existierende Idee verworfen hat, wie auch einen Beitrag über das Verwerfen der bereits existierenden Idee verworfen hat, weil beide Ideen bereits umgesetzt wurden, und dieser Beitrag dann der Google-Prüfung standhält, ist alles wieder gut.

Vorschlag

Wohlklingende, mediterran angehauchte Alternativbezeichnung für Zigaretten: Frutti di fumare.

Fabio Kühnemuth

Harte Branche

Neben den altbekannten Devisen »Alles fliest« und »Dumm fugt gut« gilt auf dem Bau auch das Motto »Lehm und lehm lassen«. Denn wer täglich Zeuge wird, wie irgendwelche Nieten mit ebensolchen hantieren, zemente Trottel beim Rohrverlegen vom Rudelbimsen schwärmen und sich irgendwelche Glanzlackaffen in der Mittagspause Kalk hinter den Binder schütten, der tut gut daran, sich während der Arbeit nicht hinter die Fassade blicken zu lassen. Werfen Sie sich als Bauarbeiter also grundsätzlich erst nach Feierabend auf Ihr Bett und schreien Sie: Ich holz im Kopf nicht aus!

Andreas Maier

Mensch vs. Material

Wenn man sich schon beim Auspacken des neuen Brotmessers mit ebendiesem in die Hand säbelt, zeugt das dann von der eigenen Blödheit oder von der Qualität des Messers?

Dorthe Landschulz

Zeitläufte

Früher, vor ihrer Geburt, war meine größte Angst, dass ich meine Tochter irgendwann in einem Internetporno erkennen würde. Inzwischen macht sie Abitur und ich weiß, dass sie sich niemals nackt filmen oder fotografieren ließe. Dafür stellt sie jetzt jeden Freitag ein Foto von meinem Auto, das auf dem Radweg steht, auf Instagram.

Theobald Fuchs

Schrotlektüre

Der gesellschaftskritische Roman »Der Fänger im Roggen« von J. D. Salinger war das Lieblingsbuch von Mark David Chapman, der 1980 John Lennon ermordet hat. So gesehen war die Tat der erste Ährenmord der Popgeschichte.

Dominik Mauer

Der Unort

Es gibt Orte wie Bahnhöfe und Flughäfen, die zeugen von menschlichem Aufbruch. Sie sind Orte der Zusammenkunft und des Abschieds, sind historisch im Stadtkern gelegen, sind Prunkbauten, sind das Tor in die Welt. Und es gibt Fernbusbahnhöfe. An Fernbusbahnhöfen macht man nicht wirklich etwas Neues, nichts, was die Welt bewegt. Nie wurden hier menschliche Errungenschaften gelobt. Am Fernbusbahnhof fährt einfach nur ein Bus, vielleicht nach Berlin, vielleicht nach Göttingen, irgendwohin. Und eben nur irgendwo sind auch Fernbusbahnhöfe; an einen richtigen Bahnhof geschmiegt oder unter einer stadtnahen Autobahnauffahrt. Der Fernbusbahnhof ist ein unwirklich zweckmäßiger Ort aus Beton und einem Kamps-Backshop, den man schnell verlässt, weil nichts von Prunk, Aufbruch und Naturbeherrschung zeugt, niemand mit einem Taschentuch zum Abschied winkt, weil das Taschentuch am Boden liegt und sich darunter wahrscheinlich Menschenscheiße befindet.

Jessica Ramczik

Phrase, auf ihre Alltagstauglichkeit hin geprüft

Licht am Ende des Tunnels zu sehen bedeutet nicht, dass es draußen nicht wie aus Eimern schüttet.

Tibor Rácskai

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt