Vom Fachmann für Kenner | Mai 2019
Ehrliche Speisekarte
Ich fand es bemerkenswert, wie auf dem Menüplan zumindest im Diminutiv auf das Tierleid in der Fleischproduktion hingewiesen wurde: »Heute: Schwein-Elendchen«. Es war dann aber leider doch nur ein Tippfehler.
Jürgen Miedl
Wünschenswert
Da ich als ohne Zuneigung aufgewachsenes Arbeiterkind diesen Brauch nicht kannte, war ich einigermaßen perplex, als mir eine Freundin mit dem Zeigefinger eine lose Wimper von der Wange tupfte und erwartungsvoll unter die Nase hielt. Mir etwas wünschen und das Härchen hinfortpusten dürfe ich jetzt, aber – halt, Moment! – zuvor müsse ich die Augen schließen. Gewünscht habe ich mir dann, dass mir niemals mehr jemand ungefragt ins Gesicht fasst.
Cornelius W. M. Oettle
Alte Weisheit
Dreimal soll eine Serie über den Bildschirm flimmern. Beim ersten Mal, um die Sucht auszulösen, woraufhin man alle 57 Staffeln innerhalb von 36 Stunden herunterglotzt. Einige Jahre später dann ein zweites Mal, um zu schauen, ob man sie immer noch so gut findet wie damals. (Was natürlich nie zutrifft.) Und schließlich ein drittes Mal, wenn man den Inhalt Demenzseidank komplett vergessen hat.
Theobald Fuchs
Ewiger Rebell
Ich bin ein solcher Querkopf, ich gucke selbst das ARD-Morgenmagazin im ZDF.
Mark-Stefan Tietze
Epischer Trick
In der Belletristik gilt noch immer der alte Grundsatz, dass der zweite Roman seinen Autor viel mehr Zeit, Kraft und Nerven kostet als das Debüt. Die einzige sichere Möglichkeit, diese Regel zu umgehen, besteht darin, ihn zuerst zu schreiben.
Ewelina Clas
Letzter Satz
In meinem Heimatort Werl (NRW) liegt die Anlage des Tennisclubs unmittelbar hinter dem städtischen Friedhof. Lediglich von einem Grünstreifen getrennt, grenzt einer der insgesamt sieben maschendrahtumzäunten Freiluftcourts gar an die vorderste Grabreihe des Gottesackers. Je nach Platzauslastung und Talent der Racket schwingenden Tenniscracks prasseln die Bälle mitunter im Minutentakt auf die entnervten Friedhofsbesucher hernieder. Als jüngst eine Beisetzung ausgerechnet auf den Abschlusstag der alljährlich stattfindenden Clubmeisterschaften angesetzt war, blieben dem Verschiedenen zwar standesgemäße Salutschüsse militärischer Art verwehrt. Dafür klang – passend zu den Worten des Pfarrers vom endlichen Dasein auf Erden – die Geräuschkulisse des letzten Ballwechsels vom Herzschlag-Finale zur Trauergemeinde herüber: Tock ... tock ... tock ... tock ... tock ... tock … »Aus!« Ein wenig pietätlos war der daraufhin aufbrandende Jubel jenseits des Zauns dann aber schon.
Daniel Sibbe
Fehlt
Ihr Arschkrampen könnt euch sicher denken, welches Emoticon dringend erfunden werden müsste: )o( Sphinkter Smiley.
Rolf Karez
Holzwäsche
Neulich kam ein der deutschen Sprache nicht mächtiges Pärchen in einen großen Supermarkt inmitten unserer kleinen Stadt und fragte nach »Bambusunterhosen«, unter Verweis auf den von einem Übersetzungsprogramm generierten, auf dem Display ihres Smartphones angezeigten Begriff. Die Verkäuferin, die wahrscheinlich von großer Herzensgüte und Menschenliebe erfüllt war, weil sie trotz ihrer sicherlich supermarktüblich miesen Arbeitsbedingungen und Einkünfte die beiden Kunden erst zu den Regalen einer alles verkaufenden Kaffeerösterei, dann zum markteigenen Bekleidungsbereich und schließlich auch noch zur Sonderpostenabteilung führte, wies ihnen schließlich geduldig auch noch den Weg zum Ausgang. Noch während der Verabschiedung erblickten die Gäste die Regale mit Babybedarf, und blitzartig wurde klar, was sie gesucht hatten: Windelhöschen von Pampers.
Uwe Geishendorf
Dilemma
In der Stadtbücherei fiel mir ein Buch zu den Chancen und Risiken der Digitalisierung in die Hand, das derart mit Ludwig-Erhard-Zitaten sowie den liberalen Schlüsselbegriffen »Eigeninitiative« und »Eigenvorsorge« gespickt war, dass ich mit fortschreitender Lektüre bereute, es überhaupt angefangen zu haben. Allein, die Suche nach einem anderen Buch zum Thema hätte eben wieder jenes selbstständige Handeln erfordert!
Burkhard Niehues
Neuer Ethik-Kodex
Um mehr Fairness im Online-Handel zu erreichen, schlage ich vor, dass profitmaximierende Abmahnanwälte hin und wieder auch mal etwas bei ihren Opfern bestellen.
Jan Guthmann
Zwiebelschlaf, der:
tritt auf nach langen Kochsitzungen mit Zerschneidung von Zwiebelgewächsen. Aufgrund der Überanstrengung und Überessung erfolgt beschleunigtes abendliches Müdewerden. Da in den Augen aber immer noch (!) ätherische Zwiebelöle herumschwimmen, folgt direkt auf jedes noch so beiläufig-friedliche Zufallen derselben ihr unmittelbares, schreckbegleitetes und schmerzvoll-brennendes Wiederaufreißen. Kann sich bis drei Uhr morgens hinziehen und nur überwunden werden, indem die betroffene Person sich einen in Mixed-Pickles-Sud getränkten Waschlappen über den Kopf zieht und die Worte »Gelegenheit macht Zwiebel, jetzt reicht es aber mal« geheimnisvoll vor sich hinmurmelt, aus dem Fenster springt und selig auf dem Komposthaufen verschimmelt.
Adrian Schulz
Tildentilgung
Ich spreche kaum spanisch, und doch schämte ich mich, als ich jüngst das Wort »Señorita« schrieb und dabei das Tilde-Zeichen über dem »n« vergaß. Aber wahrscheinlich war ich da etwas zu diakritisch mit mir selbst!
Sebastian Klug
Waschzwang
Ich wasche immer erst ab, wenn alle kleinen Löffel dreckig sind. Die gehen mir immer als erstes aus. Wenn ich also beim Morgenkaffee merke, dass ich keinen sauberen kleinen Löffel mehr habe, dann wird richtig krass abgewaschen. Zumindest ein kleiner Löffel.
Dorthe Landschulz
Neue Studie belegt
Kinder leben länger als Erwachsene.
Teja Fischer
Zufall?
In Wien ist das Parlament seit über einem Jahr eine riesige Baustelle. Das Gebäude wird angeblich generalsaniert. Da trifft es sich, dass die rechte Regierung gleichzeitig die demokratischen Institutionen entkernt. Man wird sie nach der Sanierung eh nicht mehr benötigen.
Tibor Rácskai
Technikpionier
Dass meine Zeitmaschinen viel besser funktionieren als sämtliche Konkurrenzmodelle, ist nun wirklich keine Überraschung. Ich bau’ die Dinger ja schließlich schon seit 2069.
Andreas Maier