Vom Fachmann für Kenner | Juli 2019


Mein Coach

hat mir aufgrund meines grüblerischen Wesens als wichtigsten Lebenstipp mitgegeben, immer nach vorne zu schauen, die Zukunft fest im Blick zu haben. Seitdem denke ich ständig an den Tod.

Anselm Neft

Keine Frage des Geldes

Wirklich arm fühlt man sich, wenn einer dieser NGO-Spendenbettler, die in der Fußgängerzone herumstehen, sein Gesicht hinter dem Klemmbrett verschanzt, sobald man auf ihn zugeht.

Julia Mateus

Ziviler Ungehorsam

Wenn Umweltethik auf neoliberale Zweckrationalität trifft, wirken selbst altbewährte Anstandsregeln wie von gestern. Das hat der jugendliche Straßenbahnfahrer begriffen, als er den Anfeindungen der Rentnerin, seine Beine seien noch stark und er könne ruhig stehen, schlagfertig entgegnete, dass man doch die alten erst aufbrauchen solle und er deswegen sitzen bleibe.

Jonas Wienke

Binäre Situation:

Im Motel One eine Cola Zero trinken und dabei die Polizei rufen.

Katharina Greve

Wo sonst?

Wenn ich mir meine Mitmenschen ansehe, welch unbändige Geschäftigkeit sie am ersten warmen Wochenende des Jahres entwickeln – sie grillen und räuchern, hämmern, schreien und bohren, heulen mit ihren Motormähern, röhren mit ihren Sportwagen und kreischen mit ihren Rennmaschinen, kreisen mit qualmenden Camping-Jeeps und Raketenwerfern um den Block, prügeln sich, füllen Wasserbecken, errichten Hüpfburgen und Karaoke-Festivals, hüllen alles in allem das Viertel in endlose Staubfahnen, errichten himmelhohe Rauchwände und bringen mit mörderischem Lärm die Luft zum Kochen –, dann überkommen mich größte Bewunderung und höchster Respekt: Das alles müssen sie ja während der kalten Monate in ihren engen Mietwohnungen getrieben haben.

Theobald Fuchs

Geschichtsmoral

Als ich die neueste Verfilmung von Otfried Preußlers »Die kleine Hexe« sah, war ich erneut gepackt von dieser Geschichte. Wie die kleine Hexe ausgestoßen wird, weil sie sich in ihrer grundfalschen Welt aus inneren Beweggründen zum Guten bekennt. Sie hält dem unfassbaren Druck ihrer missratenen Peer Group nicht nur stand, sondern wendet sich aktiv gegen das Böse. So verbrennt sie am Schluss die Zauberbücher ihrer Rivalinnen auf dem Scheiterhaufen, um die bösen Hexen für immer unschädlich zu machen. Die pädagogische Botschaft hinter der ganzen Geschichte ist klar: Bücherverbrennungen sind nicht immer schlecht.

Jürgen Miedl

Sich selbst genug

Ich habe kein Facebook, kein Instagram, kein Twitter, kein Netflix, kein Snapchat, bin kein Gamer, habe kein Smartphone und keine Cloud. Dafür habe ich Rücken- und Knieschmerzen, damit wenigstens ich jeden Tag daran erinnert werde, dass ich ein alter Sack bin. Die anderen werden es ja nie erfahren.

Tibor Rácskai

Kontaktanzeige

Ich habe Dich bei Rock am Ring getroffen. Du trugst einen lustigen Hut, ein Shirt mit einer nackten Frau drauf und eine Brille, auf deren Bügel »Roy Bang« stand. Du hast mich am Mixery-Stand gefragt, ob ich die Vibes hier auch so intensiv finde. Die Einträge in Deinem Reiseblog, den Du mir gezeigt hast, beginnen mit »On the Road again« und »Sex???«. Du arbeitest als Sportjournalist und willst später Dein eigenes kleines Cannabisbusiness haben. Oder ein Bordell für Kenner und Genussfreunde. Du hast gesagt, dass Du Feminismus gut findest und Dir Frauen heilig sind. Es komme Dir nicht auf den Körper an, solange die Proportionen gut seien. Brüste sind Dir auch wichtig. Du fandest es gut, dass ich welche habe. Du willst gern viele Freiräume und fährst viel Motorrad. Mittwochs bist Du immer beim Stammtisch mit Chris, »dem alten Kreiselficker«. Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Bitte melde Dich nicht bei mir!

Jessica Ramczik

Kassenfreie Gesellschaft

Ich bezahle ungern mit Handy. Ich habe Angst, dass ich ein I-Phone hingebe und ein Huawei als Wechselgeld zurückbekomme.

Tobias Speckin

Frage

Wieso wird einem eigentlich, wenn man anfängt, auch beim Reden zu gendern, das Gefühl gegeben, nur ein weichgespülter, schwächlicher Feigling zu sein, statt der Anerkennung als mutiger, sich gegen die Gesellschaft stellender Draufgänger, die man eigentlich verdient?

Konstantin Hitscher

Waldspaziergang mit Folgen

Eines Tages bin ich im Wald spazieren gegangen. Nach mehreren Stunden wirklich schönen, besinnlichen Schlenderns kam ich auf eine Lichtung, in deren Mitte eine alte, scheinbar verlassene Mühle stand. So wunderbar entspannt und daher nichts Böses ahnend, betrat ich das alte Gemäuer. Kaum hatte ich die Schwelle passiert, verspürte ich neben der feuchten und kühlen, nach altem Getreide riechenden Luft über den ganzen Körper verteilt beißende Schmerzen, als würde mich jemand mit tausend Nadelstichen traktieren. Und das, Kinder, ist die Geschichte, wie ich in eine Zwickmühle geraten bin.

Antonia Stille

Marktversagen

Als Ergebnis einer Google-Recherche nach dem von einem US-Comedian angepriesenen T-Shirt mit der Aufschrift »Neoliberalism sucks!« wurden mir ausnahmslos Hemden mit dem Slogan »Socialism sucks!« angezeigt. Daraus lässt sich nur eines folgern: Das System hat eindeutig abgewirtschaftet, ja ein Eigentor geschossen. Meine Nachfrage konnte schließlich nicht befriedigt werden!

Burkhard Niehues

Gewusst wie

Eine Freundin schickte mir letztens einen Artikel der Apotheken-Umschau zum Thema, wie man im Sommer trotz Hitze gut einschlafen kann. Ihr bereitet das nämlich einige Probleme. Ich hingegen kann im Sommer dank einer selbst entwickelten Methode sehr gut einschlafen: Ab 18 Uhr trinke ich nichts mehr und lege mich zum Schlafen dann unter eine möglichst dicke Bettdecke. Schon nach wenigen Minuten schwitze ich mich so in die durch Dehydration hervorgerufene Bewusstlosigkeit und ruhe friedlich bis zum nächsten Morgen.

Karl Franz

Kommt alle!

Indem ich hiermit darauf hinweise, dass Ende des Monats wieder das Fest des Überflusses und der Redundanz ansteht, möchte ich Euch alle dazu auffordern, zum Fest des Überflusses und der Redundanz zu kommen. Also: Kommt alle!

Christiane Matschka

Gesichtsschnee

Ein ohnehin schon sehr merkwürdiges Gesetz, das – noch erstaunlicher! – weltweit gilt, verlangt von Menschen, die sich in den Bergen aufhalten, dass sie Rasierschaum oberhalb einer Höhe von 6659 Metern ausschließlich als Gesichtsschnee bezeichnen. Wer’s nicht glaubt, kann gern einmal versuchen, in den Bergen oberhalb einer Höhe von 6659 Metern Rasierschaum zu kaufen.

Andreas Maier

An der Straßenecke

beobachte ich eine Begegnung zwischen einem Mann mit Hund an der Leine und einem Mann mit Kind an der Hand. Hund und Kind nähern sich an. Da sagt der Mann mit dem Kind zu dem Mann mit dem Hund: »Vorsicht, der schlägt!«

Robert von Cube

Kuss der Fische, der

Versehentliche Berührung eines fremden Körperteils beim Schwimmen.

Elias Hauck

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Bssssssssssssss, Bienen!

Bssssssssssssss, Bienen!

In den USA ist gerade ein Impfstoff für Euch freigegeben worden, nämlich gegen die Amerikanische Faulbrut, die Euch seit einer Weile dahinrafft. Nun wollten wir schon höhnen: »Haha, jetzt wird zurückgestochen! Da merkt Ihr mal, wie unangenehm das ist«, doch dann lasen wir die entsprechende Meldung genauer und erfuhren, dass das Vakzin gar nicht injiziert, sondern dem Gelée Royale für Eure Königinnen beigemengt wird. Erschreckend, wie sich wieder einmal die Impfgegner/innenlobby durchgesetzt hat!

Zeichnet somit erst mal keine Beeontech-Aktien: Titanic

 Nice one, Ted Cruz!

Sie sind US-Senator und mittlerweile auch hierzulande als rechter Hardliner und Schwurbelkopf der Republikaner halbwegs bekannt. Derzeit setzen Sie sich für die Begrenzung auf zwei Amtszeiten für Senator/innen ein. Und wollen gleichzeitig für eine eigene dritte kandidieren.

Diesen Ansatz finden wir sehr vielversprechend, um die Anliegen Ihrer Partei durchzubringen. Sie sollten ihn unbedingt auch auf andere Themen anwenden! Unsere Vorschläge: Waffenniederlegungen gegen schärfere Waffengesetze, Abtreibungskliniken gegen Abtreibungen und offene Grenzen gegen Einwanderung.

Für weitere Tipps stehen jederzeit zur Verfügung:

Ihre Snowflakes von Titanic

 Hallo, Literaturkritik!

Was ist los mit Dir? Alt geworden? Müde? Wir waren doch so gut aufeinander eingespielt: Du liest ein neues Werk von Raphaela Edelbauer (»Das flüssige Land«, 2019 / »Dave«, 2021), gerätst aus dem Häuschen, schreibst irgendwas wie »sprachlich souverän« und »Raffinesse« und »Kafka« und »enorme Sprachmächtigkeit« und abermals »Kafka«, und wir schauen uns das schwergelobte Werk etwas genauer an und finden lauter wundersame Stellen, die Du wahrscheinlich überlesen hast: »Der ganze Raum zitterte glückselig vor Neid wie ein trotziger Block Aspik« zum Beispiel. Oder: »Selbst wenn jemand bloß geschäftig und zielgerichtet den Gang hinunterging, war sein Streben vom Habitus eines Handgemenges«. Oder: »Da richtete sich Pawel jäh auf, und die Lider waren wie von transparenten Seilen an der Stirn aufgerafft.«

So weit, so gewohnt. Aber jetzt? Erscheint »Die Inkommensurablen«, Edelbauers dritter Roman in knapp dreieinhalb Jahren – und Du, Literaturkritik, versagst plötzlich. Mäkelst rum! Erstmalig! Hältst das zwar alles weiterhin für »glänzend« und »klaren Stil«, meinst aber, dass sich »da und dort kleine Fehler eingeschlichen« hätten; findest das Buch stur »faszinierend«, aber auch »faszinierend misslungen«; attestierst auf einmal »Manierismus«, ja stellst (mit dem Spiegel) die ganz großen bangen Fragen: »Mist oder Musil?«

Heißt das, dass Dir allmählich was schwant? Dass Du Lunte gerochen hast? Verdacht schöpfst? Dass Dir an Sätzen wie »Dessen Reaktion produzierte eine ungeheure Diskrepanz« oder »Junge Charmeure in Militäruniform liefen ein paar Mädchen nach, die sich beim Kaufen einer Brezel aus der Auslage eines groben Böhmen kokett umdrehten« irgendwas auf-, irgendwas missfällt – Du weißt nur noch nicht, was genau?

Und also R. Edelbauer bloß noch sieben oder acht Romane schreiben muss, bist Du in zehn oder elf Jahren auf dem Laufenden bist, was die Sprachmächtigkeit dieser Art von Literatur betrifft?

Na dann – durchhalten!

Wünscht Titanic

 Ach, »Welt«,

wohl mangels Materials bewarbst Du online einen sieben Jahre alten Artikel aus dem Archiv, und zwar mit den Worten: »Wenn ihr diese Wörter benutzt, wirkt ihr intelligenter.« Dazu ein wahlloses Foto einer jungen Frau.

Nun wollen wir Dich nicht enttäuschen, müssen aber doch auf einen wichtigen Umstand hinweisen, der Dir anscheinend entgangen ist. Man muss nämlich nicht nur bestimmte Wörter benutzen, um intelligent zu erscheinen, sondern diese auch noch in eine komplizierte Reihenfolge bringen, die oft ganz entscheidend ist.

Dumm für oft Welt hält Journalist/innen: Titanic

 Gute Idee, Porsche-Vorständin Barbara Frenkel …

Sie haben Ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung das (zufälligerweise auch von Porsche produzierte) synthetische Benzin, also E-fuels, subventionieren und somit billiger machen müsse. Denn: »Der Kraftstoff, den wir herstellen, ist viel zu teuer, als dass wir ihn so verwenden könnten.«

Dieser Superidee schließen wir uns gerne an: Wir tippen jetzt jedes Heft auf unseren eigens entwickelten »E-tools« (Kryptotinte), aber weil das doch aufwendiger ist als die Arbeit am PC, fordern wir dann gemeinsam mit Porsche Geld vom Staat, um die Heftkosten zu drücken, ja? Nein? Dann sehen Sie bitte endlich ein, dass Sie sich mit Ihrer ineffizienten Deppentechnologie auf dem Markt nicht durchsetzen werden, und sagen Sie Ihren peinlichen Brummbrumms Lebewohl.

Wünscht Ihnen keine gute Fahrt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 It’s not a Bug

Als Gregor Samsa, Programmierer, eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett erfreulicherweise zu einem ungeheueren Feature verwandelt.

Christian Kroll

 Post vom Mediator

Beigelegt: ein Streit.

Andreas Maier

 Beim mittelmäßigen Zahnarzt

»Bitte weit aufmachen! Nicht erschrecken, meine Mundhöhlentaschenlampe ist mir vorhin ins Klo gefallen, ich muss eine Wunderkerze benutzen.«

Torsten Gaitzsch

 Marktregeln

Leuten, denen es in der Supermarktschlange nicht schnell genug geht und die deshalb eine unschuldige Mitarbeiterin ankeifen, fehlt das nötige Kassenbewusstsein.

Viola Müter

 Medienkritik

Ich kann diese Parfum-Influencer auf Youtube einfach nicht riechen.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 24.02.:

    Die Deutsche Welle über das Krieg-Spezial im aktuellen Heft und andere themenverwandte Titel (Artikel in russisch, aut. Übersetzung).

  • 10.02.:

    Spiegel berichtet: "EU-Untersuchung Russland soll Fake-'Titanic'-Titelseiten verbreitet haben"

  • 10.01.: "Der Teufel vom Dachboden" – Eine persönliche Pardon-Geschichte in der Jungen Welt von Christian Y. Schmidt.
  • 13.12.:

    Anlässlich des 85. Geburtstages Robert Gernhardts erinnert Christian Y. Schmidt in der Jungen Welt an den Satiriker und Vermieter.

  • 26.10.:

    Chefredakteurin Julia Mateus spricht über ihren neuen Posten im Deutschlandfunk, definiert für die Berliner-Zeitung ein letztes Mal den Satirebegriff und gibt Auskunft über ihre Ziele bei WDR5 (Audio). 

Wenzel Storch: "Die Filme" (gebundene Ausgabe)
Renommierte Filmkritiker beschreiben ihn als "Terry Gilliam auf Speed", als "Buñuel ohne Stützräder": Der Extremfilmer Wenzel Storch macht extrem irre Streifen mit extrem kleinen Budget, die er in extrem kurzer Zeit abdreht – sein letzter Film wurde in nur zwölf Jahren sendefähig. Storchs abendfüllende Blockbuster "Der Glanz dieser Tage", "Sommer der Liebe" und "Die Reise ins Glück" können beim unvorbereiteten Publikum Persönlichkeitstörungen, Kopfschmerz und spontane Erleuchtung hervorrufen. In diesem liebevoll gestalteten Prachtband wird das cineastische Gesamtwerk von "Deutschlands bestem Regisseur" (TITANIC) in unzähligen Interviews, Fotos und Textschnipseln aufbereitet.
Zweijahres-Abo: 117,80 EURSonneborn/Gsella/Schmitt:  "Titanic BoyGroup Greatest Hits"
20 Jahre Krawall für Deutschland
Sie bringen zusammen gut 150 Jahre auf die Waage und seit zwanzig Jahren die Bühnen der Republik zum Beben: Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonneborn sind die TITANIC BoyGroup. In diesem Jubiläumswälzer können Sie die Höhepunkte aus dem Schaffen der umtriebigen Ex-Chefredakteure noch einmal nachlesen. Die schonungslosesten Aktionsberichte, die mitgeschnittensten Terrortelefonate, die nachdenklichsten Gedichte und die intimsten Einblicke in den SMS-Speicher der drei Satire-Zombies – das und mehr auf 333 Seiten (z.T. in Großschrift)!
Titanic unterwegs
02.04.2023 Fürstenfeldbruck, Kunsthaus Greser und Lenz