Vom Fachmann für Kenner | April 2019


Wenn Männer Bahn fahren

»Könnten Sie bitte die Beine wegtun, damit ich mich auch noch setzen kann?«

»Ha! Sie denken jetzt sicher, ich mache Mansplaining. Tu ich aber nicht! Das heißt ManSPREADING! … Das jetzt war Mansplaining.«

Felix Scharlau

A bisserl was geht immer

Mein Tischnachbar in der Bäckerei antwortet jedesmal »Tschüss, Tschüss!«, wenn sich eine der Kundinnen nach dem Brotkauf von der Verkäuferin verabschiedet. Um die Poesie dieses Moments angemessen würdigen zu können, ist es hilfreich zu wissen, dass unser Tisch etwa acht Meter vom Verkaufstresen entfernt steht, in einer dunklen Ecke, von allen unbemerkt, und dass mein Nachbar ansonsten nichts weiter sagt oder tut, außer ganz leicht aus dem linken Auge zu tränen, während er seine Zigarettenschachtel auf- und zuklappt.

Peter P. Neuhaus

Top kek

Egal wie sehr ich versuche, der Jugendsprache zu entkommen, ich komme einfach nicht vom fleek.

Karl Franz

Glückliches Händchen

Im Winter wird mir jedes Jahr aufs neue bewusst: Ich sollte es wirklich mal mit dem Glücksspiel versuchen. Trotz einer lediglich fünfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit, zuerst den falschen Handschuh anzuziehen, gewinne ich quasi immer.

Eggs Gildo

Die Parade meines Lebens

Ich stehe im Tor von Arminia Bielefeld, es regnet beim Stand von 0:0 im Spiel gegen Bayern München. Dann zieht Franck Ribéry plötzlich und scheinbar aus dem Nichts aus 20 Metern ab. Ich springe in die linke Ecke, wie ich wohl in meinem ganzen Leben noch nicht in die linke Ecke gesprungen bin. Wie in Zeitlupe fliegt der Ball Richtung Winkel. Mit allerletzter Kraft strecke ich den Arm aus und fauste die Kugel zurück aufs Spielfeld. Die Fans feiern mich, orkanartiger Jubel, donnernder Applaus von den Rängen. Dann wache ich auf. Meine rechte Hand ist vom Schlag gegen die Schlafzimmerwand leicht blau angelaufen und meine Nachttischlampe vom Nachttisch gefallen. Als ich meiner Frau aufgeregt davon erzähle, stellen wir uns beide vor, was passiert wäre, wenn Ribéry nach rechts gezielt hätte.

Jörg Schedlinski

Einsamkeit 2.0

Morgens, beim Frühsport, sah ich einen grell ausgeleuchteten Gelenkbus mit genau einem Fahrgast, und zwar im größtmöglichsten Abstand vom Buslenker, auf der Hinterbank rechts sitzend und in sein Smartphone tippend. Ein wahrhaft hoppereskes Bild, nur für den vielleicht gerade per Telefon kommunizierenden jungen Mann nicht ganz so einsam.

Burkhard Niehues

Thronfolger

Während sich die Aufgeregtheit um das Serienfinale von »Game of Thrones« gnadenloser ausbreitet als eine Armee der Toten, denke ich schon einen Winter weiter: Welche Serie wird das erfolgreich abgestumpfte Publikum zukünftig mit Intrigen, Machtspielchen, Sex und Gewalt versorgen? Da unüberlegt abgesetzt, leider nicht die Lindenstraße. Darum habe ich mich an die Konzeption eines Ablegers gemacht, der allerdings ohne Fantasy-Touch auskommt und sich auf ein reales Vorbild stützt: Wiener Kongress 1814/15, Franz I., Kaiser von Österreich, lädt 200 europäische Herrscher ein, um – aufgelockert durch brachiale Ballgelage und intrigante Geheimdiplomatie – die nachnapoleonische Ordnung Europas zu regeln. Der Titel für dieses Unterhaltungsspektakel liegt auf der Hand: Game of Frånz.

Jürgen Miedl

Schulden

Ein Mensch, der 20 Jahre lang komplett isoliert im Wald lebt, schuldet dem Staat durch Steuern (Rundfunkgebühren, Sozialleistungen und sonstige Abgaben) exakt 107 953 Euro.

Johannes Floehr

Die lieben Nachbarn

Schon seit geraumer Zeit terrorisiert ein neu zugezogenes Pärchen in unserem Viertel die gesamte Nachbarschaft. Der Fabrikarbeiter nebenan wird wechselschichtgenau mit Schellemännchen regelmäßig um seinen Schlaf gebracht. Gartenfreunde sehen sich durch eine gelegte Zuckerspur quer durch ihre Rabatten bis hin zur Terrassentür mit allerlei Krabbeltierchen in den eigenen vier Wänden konfrontiert. An allen Laternenmasten und Straßenschildern kleben »Vermisst!«-Zettel mit Name, Konterfei, Adresse sowie Telefonnummer der Alteingesessenen. Und immer wieder sieht man diverse Lieferdienste mit gigantischen Essensbestellungen vor den Haustüren mit den Bewohnern streiten. Mittlerweile formiert sich breiter Widerstand gegen das liederliche Treiben der beiden vermeintlichen Tunichtgute. Aufgehört hat der Unfug bisher aber nicht. Dafür machen die Streiche meiner Freundin und mir einfach noch zu viel Spaß.

Daniel Sibbe

Kranke Medizin

Anhänger der Homöopathie sind überzeugt davon, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden kann. Aber gilt das nicht auch für Notfallchirurgen, die bei schweren Stichverletzungen zum OP-Messer greifen?

Maja Kaiser

Mein Bäcker

weist seit einiger Zeit darauf hin, dass er keine 100- und 200-Euro-Scheine mehr akzeptieren wird. Ich habe diese daraufhin in ein paar 100- und 200-Euro-Sammlermünzen umtauschen lassen. Aber diese wollte der Kerl auch nicht haben.

Uwe Geishendorf

Russische Grippe

Wie jeden Winter habe ich mir auch dieses Jahr eine Influenza eingefangen. Der Verlauf allerdings war recht ungewöhnlich. Nach dem Besuch meines Lieblingsitalieners mit meiner Tochter und einem anschließenden Spaziergang im Park traten während einer kurzen Verschnaufpause auf einer Bank die bekannten Symptome Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen etc. allesamt schlagartig auf, was zu einer sofortigen Ohnmacht führte. Nachdem ich im Krankenhaus wieder erwacht war, teilte mir mein Arzt die Diagnose mit: Skripaler Infekt.

Achim Zweifel

Zum Muttertag

habe ich meiner Mama einen sogenannten »Asia-Lachs« gezaubert. Tränen traten ihr in die Augen, sie musste schwer schlucken. »Viel zu scharf!« keuchte sie. »Willst du mich umbringen? Wo hast’n du das Rezept her?« »Aus dem Darknet, Mama.«

Silke Pfeiffer

Kritische Anmerkung

Wenn der Koran von Allah persönlich ist, ist es peinlich, wie offenkundig autobiographisch der Plot ist.

Maximilian Zirkowitsch

Ursprung

Nazitum wird vornehmlich von männlichen Vertretern in Taten umgesetzt. Wenn davon die Rede ist, wird gern genüsslich ein sprachliches Bild ausgebreitet: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch«, ein Brecht-Zitat. Als Hobbypsychologin stelle ich fest: Die Abscheu gegen das Böse-Weibliche ist greifbar. Viel passender wäre hier doch zum Beispiel: »Da kriecht noch immer was Fruchtbares durch den Samenleiter.«

Miriam Wurster

Schuld

Das erlösende Gefühl, aus fachkundigem Mund zu erfahren, dass der stechende Schmerz in der Lunge nicht aus der Lunge kommt. Und die sonderbare Gleichgültigkeit der Frage gegenüber, woher denn dann.

Teja Fischer

Kriminalistisches Knoff-Hoff

Wie schafft es eigentlich das Verbrechen, niemals zu schlafen? Böse Augen haben keine Lider.

Elias Hauck

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Gut gehobelt, Noemi Molitor (»Taz«)!

»Unser Handwerk im Journalismus ist die Sprache. Bei genau diesem Werkzeug lohnt es sich also, genau hinzuschauen und auch ethische Fragen an orthografische Regeln zu stellen.«

Die Sprache: Handwerk und Werkzeug in einem. Wird auch nicht besser mit dem Fachkräftemangel, wie?

Schaut genau hin: Titanic

 Stefan Schlatt, Reproduktionsbiologe an der Uni Münster!

Sie gaben im Zeit-Wissensteil ein ganzseitiges Interview, das wie folgt betitelt wurde: »Der Hoden ist der Kanarienvogel des Mannes«. Eine billige Masche der Zeit, mit einer bizarren Überschrift Neugier zu wecken, das war uns sofort klar. Dennoch wollten wir natürlich wissen, in welchem Zusammenhang Sie das oben Zitierte von sich gaben.

»Der Testosteronspiegel des Mannes geht nur langsam zurück, vor allem, weil er im Alter immer dicker wird und nicht mehr so gesund ist wie mit 25. Dies zeigt sich dann an der Hormonproduktion im Hoden. Bergleute haben früher Kanarienvögel mit unter Tage genommen, die Alarm schlugen, wenn die Luft dünner wurde. Man könnte sagen: Der Hoden ist der Kanarienvogel des Mannes.«

Wo sollen wir anfangen, Schlatt? Der Kanarienvogel diente Bergleuten als Indikator für die sinnlich nicht wahrnehmbare Gefahr der Kohlenmonoxidvergiftung. Diese soll in Ihrer Metapher wohl der niedrige Testosteronspiegel sein, der nicht etwa durch das Übergewicht, sondern nur durch den Hoden zu erkennen ist. Und das geschieht wie, Schlatt? Schlägt der Hoden Alarm, indem er laut zwitschert? Sind die Kanarienvögel unter Tage nicht vielmehr verstummt und tot umgefallen? Und was ist in Ihrer Analogie eigentlich der Käfig für den singenden Hoden?

Fest steht hier im Grunde nur eins: Bei Ihnen piept es gehörig – im Kopf und in der Hose.

Tirili: Titanic

 Und Du, »Braunschweiger Zeitung«,

hast uns mit Deiner Überschrift »Diese beiden tödlichen Keime bekämpfen Forscher aus Braunschweig« einen kleinen Schrecken eingejagt. Viel lieber wäre uns in eh schon schweren Zeiten die Headline »Forscher aus Braunschweig bekämpfen diese beiden tödlichen Keime« gewesen.

Bitte auf uns arme Seelen achten, wünscht sich

Deine Titanic

 Grüß Gott, Söder!

Grüß Gott, Söder!

Wie schlossen Sie Ihr Statement vor dem israelischen Generalkonsulat in München, wenige Stunden, nachdem ein 18jähriger mit einem Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett auf dieses geschossen hatte und daraufhin von der Polizei erschossen worden war? Sie sagten: »Nochmals vielen Dank an alle Beteiligten!« Der Hauptbeteiligte, das war freilich der Attentäter – Ihre Danksagung lässt also tief blicken! Denn was täten Sie ohne durchgeknallte Islamisten mit anachronistischer Bewaffnung, die vom Rückstoß eines historischen Repetiergewehrs beinahe umgeworfen werden und von Ihrer Polizei spielend leicht umgenietet werden können?

Aber Obacht! Nicht dass Sie sich beim nächsten Mal zu noch offenherzigeren Reaktionen hinreißen lassen und zum Abschluss »So ein Tag, so wunderschön wie heute« anstimmen. Könnte möglicherweise missverstanden werden!

Meint Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kurzzeitgenossen

Bei der Meldung zu Anton Bruckners 200. Geburtsjubiläum (4. September) und dem tags darauf sich jährenden Geburtstag Heimito von Doderers (5. September) mit Interesse bemerkt, dass beide Herren im Jahr 1896 kurz gleichzeitig am Leben waren: nämlich fünf Wochen und einen Tag lang, von Klein-Heimitos Entbindung bis zu Bruckners Tod am 11. Oktober. Solche ganz knapp verpassten Möglichkeiten der Seelenwanderung faszinieren mich. Was wäre gewesen, hätte man Doderer etwas später zur Welt gebracht, wäre Bruckners Geist schon ein paar Wochen früher »frei« gewesen? Hätte Wien / Ansfelden ein reinkarniertes Doppeltalent Heimtoni von Brucknerer überhaupt ausgehalten, hätte die literarisch-musikalische Welt unter dem Eindruck der »Strudlhofsinfonie«, des »Rondo in c-Moll für Streichquartett und einen Merowinger« (Alternativtitel: »Die tonale Familie«) oder der kurzen vierstimmigen Motette »Die Peinigung der Orgelpfeifelchen« vor Entzücken und Überwältigung alle viere von sich gestreckt, aufgegeben und ihren Kulturbeutel auf immerdar zusammengepackt? – Dass das Spekulieren über solche vergeigten Leider-nicht-Seelenwanderungen nur sehr ausnahmsweise Sinn ergibt, dämmerte mir aber, als ich ad notam nahm, mit welchen Gruselgestalten und potentiellen Reinkarnationsgefäßen seinerseits Doderer seine allerletzten Tage im Herbst 1966 verbringen musste: Stefan Raab (*20.10.66), David Cameron (*9.10.66), Caroline Beil (*3.11.66) und sogar noch haarscharf David Safier (*13.12.66, »Miss Merkel – Mord am Friedhof«; »Der kleine Ritter Kackebart«). Dann schon lieber die Seele mit in die Hölle nehmen.

Michael Ziegelwagner

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella