Vom Fachmann für Kenner | Juni 2018
Seines Wetterglückes Schmied
Wenn man lang genug im Internet sucht, findet man immer eine Vorhersage, die das Wetter prognostiziert, das zur eignen Planung paßt.
Jürgen Miedl
Nichts Ernstes
Wegen diffuser Herzprobleme mußte ich neulich einen Arzt aufsuchen. Mit modernsten diagnostischen Methoden wurde dort erfreulicherweise festgestellt, daß mit Endokard, Myokard und Epikard alles in Ordnung sei, möglicherweise hätten Darmgase auf den Herzbeutel gedrückt. Modernst steht im medizinischen Bereich aber leider auch für IGeL-Leistungen, und so leide ich seit dem Verlassen der Praxis unter einem Visacard-Infarkt.
Helge Möhn
Friedhofsstaat
Als einziges Lebewesen beansprucht der Mensch selbst dann noch Platz, wenn er schon gegangen ist.
Dominik Wachsmann
Neues Museum
Während der letzten »Langen Nacht der Museen« in Frankfurt wurde in trauter Runde die Frage erörtert, ob denn nun das Lackmuseum in Münster das langweiligste Museum der Welt sei oder nicht doch das Ledermuseum in Offenbach. Am Ende war man sich zumindest einig, daß eine Fusion der beiden für ungeahnten Publikumszuspruch sorgen könnte, dann aber auch bitte gleich in Amsterdam.
Mark-Stefan Tietze
Zumindest eines
kann man der Smartphone-süchtigen Jugend von heute nicht vorwerfen: daß sie keinen Finger krumm machen würde.
Fabio Kühnemuth
Illusion
Daß meine neue Digital-Waage immerzu 56,3 kg anzeigte, war beruhigend bis zu dem Augenblick, als ich merkte, daß auf dem Display ein Aufkleber mit ebenjener Anzeige klebte. Danach hätte ich sie am liebsten aus dem Fenster geschmissen.
Robert Rescue
Bedeutungswandel
In der Linie 45 mußte ich einmal mit anhören, wie zwei ältere Damen sich eine Viertelstunde lang aufs angeregteste über ihre rheumatischen Beschwerden unterhielten. Seither habe ich meine ganz eigene Auffassung von dem Wort »Gelenkbus«.
Andreas Maier
Gesellschaftsanalyse
Wer über 40 ist und nicht in Psychotherapie, der muß verrückt sein.
Dorthe Landschulz
Wenn ich mich nicht
totalstens irre, wäre das einzige Leben, das ich zur völligen Zufriedenheit meiner Mutter hätte führen können, eines gewesen, in dem ich an einem Samstagabend, wie stets mit einem dunklen Anzug aus feinster Kaschmirwolle bekleidet, vom Krankenhaus, in dem ich als berühmter Chefarzt arbeite, zur »Ring der Nibelungen«-Premiere im Opernhaus mit dem öffentlichen Bus fahre, in welchem ich, ehe ich mich hinsetze, ein blütenweißes Taschentuch auf den Sitz lege, beim Aussteigen zum Busfahrer »Danke, guter Mann!« sage und ihm verschmitzt zwinkernd einen Zwanzig-Euro-Schein als Trinkgeld in die Hand drücke.
Theobald Fuchs
Frage
Würden wir uns Sisyphos auch als glücklichen Menschen vorstellen, wenn seine tägliche Arbeit nicht das Rollen eines großen Felsens wäre, sondern Hausarbeit? Darauf einen Schluck »Frauengold«!
Katharina Greve
Liebe
Ein turtelndes Paar sitzt in der U-Bahn. Sie ist recht hübsch, er hat andere Stärken. »Stuttgart ist nicht schön, aber es gefällt mir«, sagt der Mann. Am schelmischen Blick seiner Freundin erkenne ich, daß auch ihr die naheliegende Pointe in den Sinn kommt, doch sie schweigt.
Cornelius W.M. Oettle
Kulinarik
Ich gehe in letzter Zeit öfter mal ins Nobelfischrestaurant, für den kleinen Hummer zwischendurch.
Ingo Merten
Kreislauf des Lebens
Manchmal werde ich so depressiv, daß ich mich töten möchte. Doch bin ich dafür zu feige. Beim Mut antrinken werde ich dann so feucht-fröhlich, daß die Suizidgedanken verfliegen. Der Kater am nächsten Tag macht mich so depressiv…
Tim Wolff
Reines Gewissen
Seit ich neulich las, daß die Teilnahmslosigkeit der Passanten für Bettler viel schlimmer ist als die Armut, nicke ich ihnen im Vorübergehen freundlich zu. Das gibt mir ein gutes Gefühl und spart Geld.
Chris Scholz
Mann, Mann, Mann …
Golo Mann litt bekanntlich zeitlebens darunter, im Schatten seines Vaters gestanden zu haben. Unverständlich, warum er nicht irgendwann einfach seinen Namen geändert hat, um nicht weiter mit einem Haufen drittklassiger Literatur in Verbindung gebracht zu werden. In Horst Mann zum Beispiel.
Fabian Lichter
Leider
Als Engländerin in Berlin bemerke ich, daß deutsche Kinder andauernd falsche Wörter benutzen. Ein Beispiel: Viele deutsche Kinder sagen, daß Kaninchen Hasis sind. Die deutschen Kinder laufen über den Bauernhof mit ihren deutschen Eltern, schauen sich Kaninchen an und rufen: »Ei gucke, Mama, ein süßer Hasi!« Die Eltern sagen dann leider nie: »Nein, du Idiot, das ist kein Hase, das ist ein Kaninchen, das ist eigentlich eine total andere Spezies von Tier! Hasen haben viel längere Ohren und leben über der Erde! Mach nie wieder diesen Fehler! Du Idiot!« Statt dessen sagen sie: »Ja, mein Schneckerchen, so ein süßer Hasie, mit süßen Hasenohren! So süß! Laß uns mal die Schweine anschauen …«
Jacinta Nandi
Portion Mut
Wenn ich schon frühmorgens, unmittelbar nach dem Aufstehen, am Aufreißen des Espresso-Portionstütchens scheitere, mich der für diesen Vorgang eigentlich gar nicht notwendigen Schere bedienen muß, dann fühle ich mich den Anforderungen des Lebens an sich nicht mehr gewachsen. Eine couragiertere Persönlichkeit hätte dieses Scheitern vielleicht in einen Triumph gewendet, wäre zum weltweiten Vorkämpfer gegen den Verpackungswahn und die Reinhaltung der Meere aufgestiegen. Aber wenn ich darüber nachdenke, fühle ich mich noch elender.
Burkhard Niehues
Kochtip eines Studenten
Es schmeckt gleich doppelt so gut, wenn es von Pfand bezahlt ist.
Karl Franz
Neulich in der U-Bahn
Einigermaßen verwundert ein paar Grundschüler das Wort »Paranoia« sagen hören. Dann panischer Gedanke: Sprechen die über mich?
Adrian Schulz
Mantras und Mudras
Beim Yoga geht es nicht um Vergleiche oder Leistung, es fördert Achtsamkeit, Demut und Hingabe. Also gut, durch die geschlossenen Augenlider wird schon geprüft, wie weit die Nachbarin bei der Vorwärtsbeuge kommt, wie lange die Streberin ganz vorne den Pflug halten kann. Am Ende der Stunde kann ich dann endlich punkten, bei der Tiefenentspannung ziehe ich sie alle ab.
Miriam Wurster
Von Wirtschaftsfachleuten
und Ökonomen vollkommen unbemerkt, scheiterte unlängst der Versuch eines mitteleuropäischen Staates, auf dem Weltmarkt für Textilien und Bekleidung Fuß zu fassen, mehr als kläglich. Es war Ungarn.
Achim Zweifel
Frühjahrsputz
Kürzlich machte ich mich daran, endlich mal meine ganzen Tabs zu schließen. Zu meiner Verwunderung stellte ich fest, daß ein Großteil der geöffneten Seiten gar nicht mehr existiert.
Teja Fischer