Vom Fachmann für Kenner | Dezember 2017
Altersfragen
Möchte man wissen, woher all die rechten Idioten in dieser Gesellschaft kommen, liest man stets, daß gerade junge Leute eben besonders anfällig für einfache Antworten auf schwierige Fragen seien. Wie alt man sein muß, um sich wiederum mit dieser Antwort zufrieden- zugeben, scheint hingegen noch ungeklärt zu sein.
Fabian Lichter
Kaufgespräch
Ein Pärchen zankt sich vor dem Schnapsregal eines Supermarkts. Er argumentiert: »Aber er wird doch nicht schlecht!«
Helene Bockhorst
Vorbildfunktion
Man ist Kindern im Winter kein gutes Vorbild, wenn man einen Schneeball formt, ihn glättet und preßt, bis er zu einer harten Eiskugel wird, damit hinter einer Hausecke seinem Opfer heimtückisch auflauert, hervorspringt, die Stirnmitte anvisiert, volle Pulle abzieht – und dann einen Meter vorbeiwirft.
Thorsten Mausehund
Warnung
Glauben Sie ja nicht, daß Ihnen ein It-Girl bei der Lösung Ihres Computer-Problems helfen kann!
Franz Eckert
Vice Versa
Was ist eigentlich ungesünder: Kaugummizigaretten zu rauchen oder echte zu kauen?
Teja Fischer
Notwendiger Entschluß
Wenn mir bewiesen würde, daß unser gesamtes Denken und Handeln determiniert ist, würde sich für mich dadurch nichts ändern. Ich würde alles noch einmal ganz genauso machen.
Valentin Witt
Vom Fenstersims berichtet
Gestern stand erst ein Krankenwagen, dann der Notarzt vor dem Nachbarhaus, abends ein Leichenwagen. Heute fuhr ein Umzugswagen zum Ausräumen vor. Wenn morgen ein weiterer Transporter mitsamt den neuen Bewohnern ankommt, sollte ich schon die Kriminalpolizei informieren, oder?
Tim Wolff
Feststellung
Es gibt wenige Deutsche, bei denen sich der erste Satz im Wikipedia-Artikel so spannend liest wie bei Horst Mahler.
Konstantin Hitscher
Farce
In einem Autobus der Linie 38A von Wien-Heiligenstadt nach Leopoldsberg war plötzlich kurz hinter Grinzing die Bandansage ein wenig malad, so daß nur ein Wort immerfort wiederholt wurde, wie das Mantra eines vorgestrigen FPÖ-Wählers: Anschluß, Anschluß, Anschluß, Anschluß (ad infinitum).
Tibor Rácskai
Adjektiv, die Saufzeit betreffend
Die Synchronizität zweier Ereignisse ist nicht dazu geeignet, uns das Wesen der Zeit begreiflich zu machen. Ereignisse, die asynchron verlaufen, deuten dagegen eine Zweidimensionalität der Zeit an, die wir als normal empfinden. Die wenigsten aber wissen: Der Mensch kann noch eine dritte Zeitdimension wahrnehmen. Hinweise darauf finden sich in der Literatur: Wenn etwa Herr Lehmann darüber philosophiert, ob die Zeit im Suff schneller oder langsamer verläuft, so beschreibt er die Verwirrung des wieder Ernüchterten, der diese dritte Dimension erlebt hat, dies hinterher aber nicht mehr peilt. Dasselbe Phänomen begegnet uns in Jerofejews »Reise nach Petuschki«. Die Bahnlinie Moskau-Petuschki gibt einen linearen Handlungsraum vor. Der Alkohol jedoch öffnet eine neue Dimension der Zeit, weshalb der Protagonist sein Unverständnis über jeden Menschen äußert, »der noch nicht dazu gekommen ist, sich den Kopf klarzutrinken«. Für die Beschreibung solch branntweinbefeuerter Ausflüge in die Saufzeit bedarf es dringend eines neuen Adjektivs. Mein Vorschlag: mariachron.
David Schaible
Weisheit
Hast du Freunde, bist du nicht alleine, hast du einen Unterkörper, hast du meist auch Beine.
Bettie I. Alfred
Verdächtig
Wenige Minuten hinter Kassel-Wilhelmshöhe flattert plötzlich eine Lebensmittelmotte durch das IC-Abteil. Während sie im orangefarbenen Licht der Spätnachmittagssonne kreuz und quer von Fenster zu Fenster und von Gepäckablage zu Gepäckablage tanzt, müssen sich die zugestiegenen Fahrgäste einige sehr mißtrauische Blicke gefallen lassen. Insbesondere die, die gerade ihre Butterbrote ausgepackt haben.
Mark-Stefan Tietze
Ganz ehrlich,
Historiker sind doch allesamt in der annalen Phase hängengeblieben.
Fabio Kühnemuth
Verhört
»Was, dein Opa war auch Schleuser?«
»Nein, Schlesier.«
Elias Hauck
Kölsche Logik
Nach einem Jahr im Ausland kehrte ich wieder nach Köln zurück und winkte am Hauptbahnhof nach einem freien Taxi. Auf der Fahrt zu meiner Wohnung fiel ich schnell wieder in den besonders im Rheinland üblichen Smalltalk und kam auch direkt in den Genuß der dieser Stadt ganz eigenen Philosophie, als der alteingesessene Taxifahrer auf meine Frage, was sich denn in dem einen Jahr meiner Abwesenheit so alles verändert habe in der Stadt, brummte: »Die Frauen sind ein Jahr älter geworden – sonst nix!«
Matthias Stangel
Chronikschmerz, der
Fühlt man, wenn man die Facebookseiten seiner Eltern besucht.
Emil Kaminski
Ausprobiert
Immer wieder hört man von begeisterten Gärtnern mit Hang zur Esoterik, daß es dem Pflanzenwachstum ungemein zuträglich sei, wenn man regelmäßig mit den lieben Gewächsen spreche. Zwar bin ich solchen Anwandlungen gegenüber recht skeptisch, doch die Kürbisse eines derart verfahrenden Bekannten waren dieses Jahr überdurchschnittlich groß. Auf der Fensterbank begann ich also, einige Kräuter zu züchten und seine Methode zu überprüfen. Den Kräutern täglich zu erklären, daß ich sie auf dem Kompost verrotten lasse, wenn sie nicht bald wachsen, hat bisher jedoch keine Wirkung gezeigt.
Karl Franz
Ökologisch sinnvoll
Daß Rauchen ungesund ist und die Haut schneller altern läßt, ist inzwischen hinreichend bekannt. Auch nicht gesundheitsförderlich, aber immerhin doch irgendwie ressourcenschonend ist es, wenn man den leeren Tiegel der Antifaltencreme anschließend als Aschenbecher benutzt.
Julia Mateus
Metagranteln
Früher wurde die Vergangenheit noch ordentlicher verklärt!
Theobald Fuchs
Berufswahl
Neulich erzählte eine Radiohörerin im Gespräch mit dem Moderator, daß sie ihre Tochter häufig mit zur Arbeit genommen habe und diese daraufhin den Wunsch entwickelte, Tierärztin zu werden. Verstörend fand ich, daß die Frau Altenpflegerin war.
Uwe Geishendorf