Vom Fachmann für Kenner | November 2015


Doppelbelastung

Wenn man, noch Youporn-geschädigt vom Vormittag (»Wet lolita boobs«), als Schauspieler im Gruselkabinett den Pestarzt mimt und der Blick beim Erklären des Wachstumsorts der Beulen auf eine dralle 16jährige fällt, verwechselt man schon mal »An verschwitzen Stellen« mit »Zwischen verschwitzten Brüsten«. Man hat dann aber immerhin die entlastende Möglichkeit, sich ab dem nächsten Tag wieder nur auf eine Tätigkeit zu konzentrieren.

Markus Riexinger

Aus der Aphoristikerselbsthilfegruppe

Wer auf dem Trockenen sitzt, kann keine Wellen schlagen.

Tibor Rácskai

Der Beweis

Erst war ich skeptisch: Hatte ich am Vorabend wirklich die Fete des Jahres verpaßt? Bloß weil mir eine Freundin am Tag darauf per SMS schrieb, daß sie schon drei Aspirin genommen habe? Und als ich sie später am Abend auf einen alkoholfreien Drink traf, sah sie tatsächlich gar nicht so übel zugerichtet aus. Ich äußerte, daß die drei Aspirin ja wohl ganz gut gewirkt hätten. Worauf sie jedoch meinte, das seien gar keine Aspirin, sondern drei Paracetamol gewesen. Ihr Handy habe aber lediglich das Wort Aspirin vervollständigen können.

Ralf Oldenburg

In Memoriam Opa (1921–1945)

Mit der 12jährigen Tochter auf ihr erstes großes Konzert: One Direction in der Düsseldorfer Esprit Arena. Bereits kurze Zeit nach dem Hallensturm etliche Abtransporte durch die Sanis. Dann stundenlanges Sperrfeuer aus Plüschtieren und Frotteeschlüpfern. Kompletter Zusammenbruch aller Versorgungswege. Erste Durchhalteparolen. In den Wirren des Abgesangs das eigene Kind aus den Augen verloren. Verzweifelte Suche auf dem mit zerfetzten Stoffbärenleibern übersäten Schlachtfeld. Im völlig überfüllten Lazarettzelt inmitten apathisch herumtaumelnder oder auf dem Boden liegender, nach »Harry« und »Louis« schreiender Teenies das schwer traumatisierte Kind endlich wiedergefunden. Auf der Heimfahrt drei Stunden Stau wegen einer Bombenentschärfung. Ergo: Die Ungnade der späten Geburt (*1973 bzw. *2002).

Daniel Sibbe

Lifehack Nr. 85

Manche finden es äußerst gruselig, wenn sie bei einem Online-Shop einen Artikel suchen und dann auf jeder beliebigen anderen Website, die sie aufrufen, Angebote für eben diesen Artikel erhalten. Man kann diese dreiste NSA-Big-Brother-Cookie-Technologie für seine eigenen Zwecke nutzen, wenn man bei Amazon, Google und Co. Begriffe eingibt, die man mit eigenen Aufgaben assoziiert, z.B. »Orthopäde« oder »Urlaub planen«. Schon hat man ein allgegenwärtiges Post-it, das einen immer und überall an die jeweilige Aufgabe erinnert.

Jonny Rieder

Weisheit

Früher habe ich geglaubt, daß die Leute, die so aussehen, als hätten sie schon viel erlebt, auch schon viel erlebt haben. Heute weiß ich: Es ist genau andersherum.

Peter P. Neuhaus

Neues aus Eselsbrück

Fernbedienungen fürs TV sind letztlich gammlige Geschöpfe, nach einigen Jahren in Gebrauch kommt es zum Schwund ihrer Tastenbeschriftungen. Für die bei mir mittlerweile zur vollständigen Ununterscheidbarkeit blankgefummelten Switch-Wippen war nun eine griffige Merkhilfe gefragt. Und zwar mit durchaus politischer Apodiktik: Rechts geht’s um Lautstärke, links geht’s um Inhalte! Klappt übrigens in acht von zehn Fällen auch im Ausland.

Harald Wurst

Witzneuauflage

Beim Paintball: Treffen sich zwei Jäger – beide rot.

Cornelius Oettle

Was kaum einer weiß

Im Spätstadium des römischen Reichs wurden im Kolosseum fast täglich Kochduelle ausgetragen.

Teja Fischer

Willkommen im Leben

Die rosige kleine Stammhalterin auf dem Arm, direkt aus der Geburtsklinik zum ersten Mal der Gang über die Schwelle in ihr neues Zuhause. Schuldbewußt eine ausladende Geste hinweg über all die randvollen Aschenbecher, halbvoll umgestürzten Bierflaschen, die Stockflecken, Fettecken und Schimmelwucherungen, über die Stapel mit den offenen Rechnungen, ungelesenen Mahnungen und der Korrespondenz der Inkassofirmen. Und dann der heilige Schwur, den in seiner tiefempfundenen Ernsthaftigkeit, in seiner bedingungslosen Freigiebigkeit wohl nur der Vater seiner erstgeborenen Tochter gegenüber leisten kann: »Eines Tages, mein Kind, wird all dies dir gehören.«

Frederik Moche

Idee für den Frieden

Vielleicht sollten IS-Kämpfer statt unschuldiger Menschen einfach mal eine Lungenentzündung verschleppen.

Niklas Hüttner

Erkenntnistheoretisches

Es hat mich tatsächlich etwas ins Philosophieren gebracht, daß ich neulich gleich zweimal an einem Abend zwar bereits zu fortgeschrittener Stunde, aber dennoch gegen die Balkontür lief. Das Problem kann meiner Meinung nach letztlich nur gewesen sein, daß ich mich selbst nicht in der Tür erkannt habe.

Fabian Lichter

An der Haltestelle

Ich warte auf den Bus, als mir drei am Zaun stehende Zehnjährige aus der gegenüberliegenden Grundschule zurufen: »Hee, hee du da!« Sie kichern. »Wir sind die Coolen hier! Zeig’ mal deinen Pillermann!« Okay, denke ich, cool war ich damals nicht – aber heute schon. Also los, irgendwas Schlagfertiges antworten. »Der ist so groß, daß ich den gar nicht so leicht aus der Hose bekomme«, fällt mir ein. Verdammt! Das ist ja total pädophil! »Zeigt ihr doch eure«, erwäge ich dann – ups, sogar noch schlimmer. Etwas geknickt werfe ich ein »Nein!« rüber. Wann werde ich endlich cool?

Adrian Schulz

Autsch

Kleiner Tip für alle Sado-Maso-Jünger und »50 Shades of Grey«-Fans: Ein Bandscheibenvorfall macht erst dann richtig Spaß, wenn man ihn mit einem Heuschnupfen kombiniert und ständig niesen muß.

Volker Gahrmann

Nichts für schwache Nerven

Der steinalte Großvater eines Bekannten versuchte sich im sogenannten »Binge-Watching«. Staffelweise verschlang er die DVDs eines nahezu achtzigstündigen Kriminalfilms, der von Episode zu Episode spannender und aufregender wurde, bis er kurz vor dem Cliffhanger am Ende der fünften Staffel einer Herzattacke erlag. Man kann also sagen, der Mann ist an den Folgen einer Fernsehserie gestorben.

Karsten Wollny

Burnout

Einer weitverbreiteten Behauptung zufolge stoßen Männer beim Shoppen mit ihrer Frau oder Freundin so viele Streßhormone aus wie ein Kampfjetpilot während eines Einsatzes. Wie anstrengend muß es für sie dann erst sein, ein Einkaufszentrum zu bombardieren?

Tanja Schmid

Da rein, da raus

Seit jeher sind mir die sogenannten Doppelbegabungen suspekt. Wer schreibt und zeichnet, tanzt und singt, zeigt in meinen Augen bloß, daß er nicht über die nötige Disziplin verfügt, eine Kunst zur Perfektion zu führen. Deswegen war es nicht nur Frustration, sondern auch ein wenig Stolz, was mich erfüllte, als ich während einer Episode meiner Diät bemerkte, daß aus einem vollendeten Deepthroater im Leben kein anständiger Bulimiker mehr wird.

Leo Fischer

Newton reloaded

Mir liegt ein unwiderlegbarer Beweis vor, daß Dummheit etwas wiegt. Oder wie läßt sich sonst erklären, daß man SUVs immer größer und robuster bauen muß?

Theobald Fuchs

Matsch!

Die Kassiererin im Edeka zieht meine Einkäufe über den Scanner. Dann stoppt sie kurz und klappt den Eierkarton auf. »Ich guck nur gerade nach, ob die alle heil sind.« – »Hab ich schon«, sage ich. »Na«, sagt sie, »sicher ist sicher. Anweisung von der Chefin: Soll ja keiner Matsch kaufen hier.« Dann schließt sie den Eierkarton, zieht ihn über den Scanner und stellt ihn mit Schwung auf die Tüte mit den Johannisbeeren.

Volker Surmann

Martin Heidegger

wollte und wollte ums Verrecken nicht verstanden werden. Deshalb hat er lauter Selbstverständlichkeiten aufgeschrieben, bei denen man sich fragt, was daran wohl aufschreibenswert war: »Das Sein west.« Bon, was soll es sonst tun? Vielleicht sein? Das wäre immerhin ein Fitzelchen konsequenter. Und das Nichts? Klar: »Es nichtet.« Da fragt man sich aber: Nichtet es sich oder anderes? Nichts dazu aus der Schwarzwaldhütte. Jetzt aber der Hammersatz zum Verständnis der Kunst, jeder Kunst: »Der Ursprung des Kunstwerkes und des Künstlers ist die Kunst.« Soll ich’s auch mal versuchen? »Der Ursprung ist die Herkunft des Wesens, worin das Sein eines Seienden west.« Was? Das ist auch von Heidegger? Ich komme da wohl nicht mehr raus. Dann eben so: »Im Wesen des Wesentlichen ist das Wesentliche des Wesens geborgen.« Ahh! Ich sollte, glaube ich, mal wieder aus meiner Hütte herauskriechen.

Ludger Fischer

Mal was anderes

Ein guter Freund von mir ist beinahe besessen von nordischer Mythologie. Manchmal versucht er sogar unverhohlen, Christen von ihrem Glauben abzubringen, und hat sich dafür einen ziemlich guten Slogan einfallen lassen: Der nordische Glauben. Öffnet dir Tyr und Thor.

Ernst Jordan

Eine Frage der Statik

Fallen pubertierende Mädchen und junge Frauen eigentlich um, wenn sie ihre Beine im Stehen nicht überkreuzen?

Christian Jöricke

Perdu

Wenn man sich mit einem Menschen, mit dem man noch nicht allzulang vertraut war, überworfen hat, ist es nahezu unmöglich, wieder zum »Sie« zurückzukehren. In diesem Fall bleibt einem meist nur eine Möglichkeit: Man muß vom »per du« zum »perdu« wechseln.

Burkhard Niehues

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Oha, »Siegessäule«!

Als queeres und »Berlins meistgelesenes Stadtmagazin« interviewtest Du anlässlich der Ausstellung »Sex. Jüdische Positionen« im Jüdischen Museum Berlin die Museumsleiterin und die Kuratorin und behelligtest die beiden unter anderem mit dieser Frage: »Linke, queere Aktivist*innen werfen dem Staat Israel vor, eine liberale Haltung gegenüber Homosexualität zu benutzen, um arabische und muslimische Menschen zu dämonisieren. Diese Aktivist*innen würden Ihnen wahrscheinlich Pinkwashing mit der Ausstellung unterstellen.«

Nun ist das Jüdische Museum Berlin weder eine Außenstelle des Staates Israel, noch muss man als Journalist/in irgendwelchen »Aktivist*innen« ihre antisemitischen Klischees, dass letztlich doch alle Jüdinnen und Juden dieser Welt unter einer Decke stecken, im Interview nachbeten. So können wir uns aber schon mal Deine nächsten Interviewfragen ausmalen: »Frau Pastorin Müller, Sie bieten einen Gottesdienst zum Christopher Street Day an. Betreiben Sie damit Pinkwashing für den Vatikanstaat?« oder »Hallo Jungs, ihr engagiert euch in einem schwulen Verein für American Football. Betreibt ihr damit nicht Pinkwashing für Donald Trump?«

Wird diese Artikel allerdings nicht mehr lesen: Titanic

 Wurde aber auch Zeit, Niedersächsische Wach- und Schließgesellschaft!

Mit Freude haben wir die Aufschrift »Mobile Streife« auf einem Deiner Fahrzeuge gesehen und begrüßen sehr, dass endlich mal ein Sicherheitsunternehmen so was anbietet! Deine Mitarbeiter/innen sind also mobil. Sie sind unterwegs, auf Achse, auf – um es einmal ganz deutlich zu sagen – Streife, während alle anderen Streifen faul hinterm Büroschreibtisch oder gar im Homeoffice sitzen.

An wen sollten wir uns bisher wenden, wenn wir beispielsweise einen Einbruch beobachtet haben? Streifenpolizist/innen? Hocken immer nur auf der Wache rum. Streifenhörnchen? Nicht zuständig und außerdem eher in Nordamerika heimisch. Ein Glück also, dass Du jetzt endlich da bist!

Freuen sich schon auf weitere Services wie »Nähende Schneiderei«, »Reparierende Werkstatt« oder »Schleimige Werbeagentur«:

Deine besserwisserischen Streifbandzeitungscracks von Titanic

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster