Vom Fachmann für Kenner | Juni 2012


Notname

Oft ist es mir zu umständlich, meinen Namen zu buchstabieren, beziehungsweise fällt er mir manchmal zu vorgerückter Stunde einfach nicht mehr ein, und dann gebe ich einen gängigeren an, der mir gerade in den Sinn kommt. Vor kurzem wurde es auf einer Konferenz allerdings fast kompliziert. Ein Fotograf wollte spät am Abend meinen werten Namen notieren. »Ilse« oder »Else«? »Lasker« mit »a« hinten oder »er«? »Schüler« wie der »Lehrer«? Beim nächsten Mal sage ich wieder »Eva Braun«. Aber da bin ich auch schon mal gefragt worden: »Braun wie Rosa?«

Anna-Maria Hannoschöck-Merkle

Nicht nur fürs Auge

Wer schon einmal verschnupft und verhustet etwas besonders Knuspriges verspeist hat, einen frischen, hauchdünnen Flammkuchen mit Zwiebeln etwa, der kennt dieses knackende Geräusch, das in den Gehörgängen entsteht, wenn man fest zubeißen und sorgfältig kauen muß – ein ständiges Ohrengeknister und -geschmatze, das das eigentliche Knurpsen wie ein Echo begleitet. Man könnte auch sagen: Das Ohr ißt mit.

Michael Ziegelwagner

Schön und gut:

Jazzkeller. Aber, von der Musik mal abgesehen: Immer in irgendwelchen Untergeschossen, diese Lokale.

Helge Möhn

Zur Sicherheit

In der überfüllten S-Bahn nahe einem Pärchen gestanden. Hellhörig wurde ich, als sie ihn fragte, ob es für sie trotz Melonenallergie wohl ungefährlich sei, einen Apfel zu essen. Ohne dies zu beantworten, verlieh er seiner Befürchtung Ausdruck, Tee würde den menschlichen Körper schädigen; seine Partnerin vermutete, daß er wohl Cola meine, aber ganz sicher wäre sie sich da auch nicht mehr. Als an der nächsten Station weitere Gäste zustiegen und ich daraufhin gezwungenermaßen Körperkontakt zu den beiden hatte, beschwerte sich die Frau: »Noch mehr Leute! Ich bekomm’ hier gleich noch ’nen Kleptomanischen!« Obwohl ich Wissen und Wortschatz der beiden inzwischen als recht begrenzt und verworren einstufte, preßte ich mein Portemonnaie doch lieber bis zur nächsten Station fest an mich.

Paddy Schmidt

Frühreif

Als sich der 21jährige, seriös dreinblickende Grünschnabel im Anzug mit einem knappen Nicken vorstellte, kam ich nicht umhin zu bemerken, daß ihm das Motto seiner Arbeitgeber wohl sehr am Herzen liege. Er blickte mich verständnislos an, doch wenigstens seine »Ernst&Young«-Laptoptasche schien amüsiert.

Johann Zajaczkowski

Freundlicher Hinweis

In Lebenskrisen und während sogenannter Tiefs neige ich dazu, auf Alkohol gänzlich zu verzichten, während ich mir, wenn es mir gutgeht, regelmäßig die Birne zuschütte. Zögern Sie also bitte keinen Moment, mich auf ein paar Bier einzuladen, wenn Sie mich nüchtern in der Nachbarschaft antreffen – es unterstützt mich dies bei meinem Heilungsprozess!

Sebastian Klug

Böses Erwachen

Ab 1,6 Promille ist beim Fahrradfahrer der Führerschein weg. Ähnliches gilt für Fußgänger, wenn sie denn erwischt werden. Was droht mir wohl, wenn ich daheim nach einer Flasche Schnaps demnächst mal wieder über dem Autoatlas einschlafe?

Harald Wurst

Vom Ausgang des Menschen

Dumme Sache das, als mein Bruder neulich klarstellte, daß die Fans des FC St. Pauli diesen coolen Totenkopf erst seit Anfang der 80er Jahre als inoffizielles Vereinsemblem nutzen, und uns damit klar wurde, daß Großvater überhaupt nie die coole Sau gewesen ist, für die wir ihn gehalten haben, und daß das dann wohl eher doch keine St.-Pauli-Fanmütze gewesen ist, die er da auf den Fotos immer zur Uniform getragen hat.

Peter P. Neuhaus

Vergleichende Filmforschung

Ich frage mich, ob die Medienwissenschaft dereinst analog zum Sub-Genre des Erotik-Films das Gesamtwerk Woody Allens unter dem Label »Neurotik-Film« verbuchen wird. Strukturelle Gemeinsamkeiten gäbe es jedenfalls: Die hohe Drehfrequenz, die voraussehbare Figurenkonstellation – und dann immer diese Fahrstuhlmusik im Hintergrund!

Wanja Lindenthal

Deutsche Jugend, selbstbewußt

In einem Souvenirladen. Mutter und Tochter, letztere ca. 12, stehen vor einem Regal mit Heilsteinketten.

Tochter: »Darf ich eine?«

Mutter: »Ja, aber welche?«

Tochter: »Hm, Weisheit hab ich ja schon – was ich noch bräuchte, wäre innere Ruhe!«

Tina Manske

Luftkur

Einem interessanten Bericht über Epilepsie habe ich entnommen, daß Flugreisen und das dadurch entstehende Freiheitsgefühl sich positiv auf die Erkrankten auswirken würden. Ich nehme an, die Flugvehikel, die die Betroffenen transportieren, nennt man Zappelin.

Michael Hahn

Periodisch

Ein Gedanke, der zur Zeit vielen Frauenärzten schlaflose Nächte bereitet: Endet 2012 eigentlich auch der Menstruationskalender der Maya?

Annalena Hicks

Fröhliche Hundegeschichten (XI)

Im Mittelalter war es Sitte, zur Beschleunigung von Kirchen- und Brückenbauten einen Pakt mit dem Teufel zu schließen: so geschehen beim Dombau zu Aachen, Köln und auch in Regensburg. Dabei vollendete Satan das Werk; dafür sollte ihm die erste Seele gehören, die es betrat. Die listigen Bauherren schickten darum immer erst einen Hund voraus, auf daß der Dämon angeschmiert war. Prächtige Bauten entstanden, während sich die Hölle mit Hunden und ihren Tränen füllte. In ihrer Not riefen sie die Muttergottes an, die auch prompt vom Himmel herabschwebte, um in der kleinen Kapelle zu erscheinen, die die Hunde ihr zu Ehren aus Knochen errichtet hatten. Wie aber staunte die Muttergottes, als sich plötzlich eine haarige rote Hand auf ihre Schulter legte. Die listigen Hunde hatten der Muttergottes eine Falle gestellt! Denn auch sie waren mit dem Teufel im Bunde, und auch die erste Seele in der Knochenkapelle sollte Satan gehören – im Gegenzug waren die Hunde erlöst auf immerdar. Seither muß die Muttergottes in der Hölle braten, und seither kommen auch alle Hunde in den Himmel. Zum Gedenken errichten die Hunde noch heute kleine Knochenschreine im Garten, die dem Teufel geweiht sind.

Leo Fischer

Leichtsinn

Nach dem Ende der Theatervorstellung drückt mir die auffällig hübsche Garderobendame zusammen mit meinem Mantel einen Zettel mit ihrer Handynummer in die Hand. Auf ihren Feierabend warten und gleich danach anrufen war eins. Wir sind dann in einer recht dubiosen Kaschemme versackt und haben dort später auf der Damentoilette ziemlich guten Sex gehabt. Ohne Kondom allerdings. Noch heute ärgere ich mich über diese Sorglosigkeit. Man hätte den Mantel doch einfach unter den Sitz legen können – und einen Euro gespart!

Frederik Moche

Smalltalk

»Und was machen Sie beruflich?«

»Ich bin Autobauer.«

»Aha, öko oder konventionell?«

Svenna Triebler

Neuer Standard

Es wäre naheliegend, vereinheitlichte man in Zukunft die Butler-Ausbildung länderübergreifend nach einer verbindlichen DIEN-Norm.

Thomas Schäfer

Wer ist blöder?

a) Die Firma, die einen Toaster mit Metalloberfläche konstruiert, welche derart heiß wird, daß man das Brot jeden Morgen mit einem Holzlöffel aus den Toastschlitzen klamüsern muß, um sich nicht die Finger zu verbrennen, oder b) der Kunde, der so etwas kauft.

Bitte Antwort a) auswählen.

Lars-Udo Mack

Für alles offen

Das Schöne am Frühling ist, daß man wieder offene Schuhe tragen kann. Noch schöner ist aber, daß man fahrradfahren kann – mit offenen Schuhen, in denen man aufgrund von Blasen und offenen Stellen zwischen den Zehen nicht mehr laufen kann.

Tina Wirtz

Milliardenbestseller

Die gelbe Massai.

Alice Brücher-Herpel

Schuldpendel

An der Kasse der Aral-Tankstelle kam es zu einer Warteschlange, weil die Tankkarte eines Kunden nicht funktionierte. Die Schuld wurde zunächst, ganz neutral, der Karte zugeschoben, denn »diese Mistdinger funktionieren ja nie richtig«. Nach abermaligem erfolglosen Durchziehen der Karte und der Bemerkung des Kunden, diese habe letztens in einer anderen Tankstelle »noch einwandfrei funktioniert«, schwang das Schuldpendel in Richtung Kassiererin; diese parierte jedoch nach einem prüfenden Blick geschickt mit der Feststellung, der Magnetstreifen sei »ja auch ordentlich verkratzt«, da grenze es an ein Wunder, wenn die Karte »es überhaupt noch tut«. Schließlich konnte die Schuld paritätisch zwischen Kassiererin und Kunden aufgeteilt werden, als sich herausstellte, daß es sich um eine Tankkarte von Shell handelte.

Thorsten Mausehund

Oktoberfestdialog

»Ich mußte nur fünf Minuten anstehen, obwohl’s auf dem Schild hieß: ›Wartezeit 15 Minuten‹«.
»Das Schild war sicher nur für Alte, die nicht mehr so schnell warten können wie wir.«

Markus Riexinger

Hausrezept

»Hurra, endlich wieder rauchen!« freute sich meine gute Freundin Mariel nach zwei Tagen Halsschmerzen. Es kratze zwar noch ein wenig, meinte sie, aber bei gleichzeitigem Lutschen eines Hustenbonbons gehe es schon wieder ganz gut.

Moritz Hürtgen

Nicht mehr zu retten!

Als ich, mit dem Auto an der Ampel stehend, einen orientierenden Blick in den Rückspiegel warf, fuhr mir ein Riesenschreck in die Glieder: Die Dame im Wagen hinter mir rang japsend nach Luft und zog groteske Fratzen. Meine geschulte Ersthelfer-Ferndiagnose: Fokaler Anfall! Reaktionsschnell sprang ich aus dem Auto und eilte zur Rettung. Stabile Seitenlage, Atemwege freihalten, Erbrochenes aus der Luftröhre fingern – ich wußte, was zu tun war. Doch als ich ihre Fahrertür öffnete, erntete ich einen verdutzten Blick und danach eiskalte Ernüchterung: Die Frau sang bloß ein »Lady Gaga«-Lied. Da kam jede Hilfe zu spät.

Aleksandar Jožvaj

Schantall und Rauch

Was sich auch keiner traut: Freundschaften kündigen, weil der Nachwuchs so eklige Namen hat.

Torsten Gaitzsch

Schwarzweißdenken

Für ein Schachmagazin zu schreiben stelle ich mir durchaus interessant vor. Andererseits ist das natürlich auch wieder alles Springer-Presse.

Dominik Mauer

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella