Vom Fachmann für Kenner | April 2011


Dem ist nichts hinzuzufügen

Dem.

Florian Römer

Evangelistas

Beim Sonntagsspaziergang sah ich ungläubig ein halbes Dutzend junger Frauen aus einer Kirche kommen, die in ihren modischen Röcken und Stiefeln vom Erscheinungsbild her eher umtriebigen Models als frommen Betschwestern entsprachen. Das Hinweisschild auf dem Gotteshaus offenbarte dann eine mögliche Erklärung: Es handelte sich um eine Matthäus-Gemeinde.

Thorsten M. Mausehund

Tip für Vegetarier

Grünkernfrikadellen allein schmecken fad, eignen sich aber hervorragend als Beilage zu Buletten.

Anna Leuschner

Best practice

»Ach komm, laß es uns wie immer machen, ja Schatz?« antwortete ich genervt, als mein Mann mich fragte, ob wir anläßlich des neuen Jahres in puncto Sex nicht mal was anderes ausprobieren wollten. Typisch er! Wer sich nicht um die Wäsche, die Kinder, das Essen etc. kümmern muß, kann natürlich prächtig über neue Sexpraktiken nachdenken. Nachdem ich ihn aber damit konfrontierte, daß sein Begehren irgendwie auch etwas krampfhaft Bemühtes habe, hatte er schließlich ein Einsehen, und so gehen wir nach wie vor in unseren angestammten Swingerclub.

Anna-Maria Hannoschöck-Merkle

Lauschig

Wenn man bei anspruchsvollen Hör-CDs, etwa Martin Heideggers Reden, nicht auf den Text achtet, hat man wunderbares Easy Listening.

Michael Höfler

Na also!

Da stimmt doch was nicht, sagte ich zur Verkäuferin, die mir das Wechselgeld gab. Stimmt, da stimmt doch was nicht, sagte auch die Verkäuferin. Gemeinsam suchten wir den Fehler und entdeckten dabei zufällig das Typenschild der Registrierkasse. Es handelte sich um eine Maschine der Firma MOGLER-Kassen. Na also, dann stimmt’s ja doch.

Peter P. Neuhaus

Die andere Seite

Während einer sonst kaum erwähnenswerten Zugfahrt sah ich einmal eine Frau aus dem Fenster schauen. Nach einer Weile wandte sie sich an ihren Begleiter: »Guck mal, es regnet.« Er bestätigte dies mit einer Kopfbewegung, deutete dann auf die andere Seite des Zuges und sprach: »Ja, da drüben auch!«

Tibor Rácskai

Lieblingsort

Wie jeder Mensch erfreue ich mich an Ortsnamen wie Darmstadt-Wixhausen oder Hodenhagen, besonders schätze ich aber einen anderen: Halstenbek-Krupunder. Das liegt nördlich von Hamburg, und ich kenne die Stadt nur von Autobahnschildern, doch strahlt sie ein klein wenig Magie auf mich aus. Halstenbek-Krupunder – könnte das nicht das Pseudonym eines frühneuzeitlichen Dichters sein: »Die Poetereyen und Schelmereyen des Halstenbek Krupunder«? Ein Gericht der friesisch-asiatischen Fusion Cuisine: Halstenbek-Krupunder, für alle, die Labskaus-Kroepoek satt haben. Ein inquisitorisches Strafwerkzeug: »Legt dem Sünder den Halstenbek an. Und wenn es ihn dann nicht reut, schraubt noch den Krupunder obendrauf.« Es könnte auch der Name einer dieser jungen FDP-Frauen sein: Juliana oder Katinka Halstenbek-Krupunder, Fachreferentin für Schnepfeninteressen. Doch diese Vorstellung verdränge ich lieber; führt sie mich doch in die dunklen Ecken eines herrlichen Ortes, den zu betreten sich nicht lohnen dürfte, da er mehr verspricht, als er halten kann.

Tim Wolff

Man gönnt sich ja sonst alles

Wer eine Freitag-Tasche aus LKW-Planen besitzt, kann mir ruhig auch einen meiner Alditüten-Lenkdrachen abkaufen.

Sara Raschke

Romantische Schweiz

Ein Antiquitätengeschäft in Zürich. In einer Jugendstil-Glasvitrine Uhren, Ringe, Broschen und allerlei erlesenes Geschmeide, daneben ein kleiner handgeschriebener Zettel: »Es hat Sex-Heftli«.

Marcel Vega

Bei Ikea

Erst eins von diesen praktischen Regalen kaufen und danach die leckeren schwedischen Fleischbällchen im Restaurant genießen: Ich liebe Billy con Carne.

Tanja Hötzle

Aus der Welt politisch reflektierender Bibliothekare

Wallraffs Enthüllungsklassiker »Ganz unten« neulich mit anderen Büchern zusammen gestapelt, und zwar als Fundament. Bedauert, daß es keine Spin-offs gibt – Werke mit den Titeln »Ganz oben« respektive »Ganz genau die Mitte«, welche helfen könnten, Bücherstapel sinnvoll zu strukturieren.

Michael Bastian Weiß

PDF

Die Datei der Besserverdienenden.

Arno Lücker

Der schwarze Kanal

Da empören sich linke Studenten gerne über das skrupellose Treiben internationaler Hedge Fonds. Und dann machen sie bei ihren Familienbesuchen genau das gleiche wie die: Sie spekulieren auf Grundnahrungsmittel!

Dominik Mauer

Als ich mal ein Gutmensch war,

beschloß ich, beseelt von bestem Wein, den Armen zu geben. Gleich bei der U-Bahn traf ich einen der vagabundierenden Zeitungsverkäufer mit der üblichen Vita: Lars, HIV-positiv, lebt seit über zwei Jahren auf der Straße, etc. Gönnerhaft steckte ich ihm zwei Euro zu. Er zückte ein Exemplar der Obdachlosenzeitung, doch ich winkte ab: »Steckenlassen! Ist für Sie.« Daraufhin zog er geräuschvoll durch die Nase hoch, beäugte die Münze auf seiner Hand und raunzte mich schließlich aus verfilztem Graubart an: »Einen blasen kost´ aber zwanzich.« Ich prallte zurück. »Oha«, feixte da Jessica, die Dame an meiner Seite, und schlug mir krachend auf die Schulter, »für zwanzig kannste gerne auch mich fragen!« Beschämt schlich ich davon. Ich hatte doch nur helfen wollen!

Holger Christoph

Von hinten wie von vorn

Daß man Regenwürmer, entgegen der verbreiteten Meinung, keineswegs in zwei neue Exemplare zerhacken kann, hat man ja schon geahnt. Die Erklärung von Wikipedia wirkt auf mich aber doch verstörend: Abgetrennte Regenwurmsegmente können nämlich nur einen After nachbilden, aber keinen neuen Kopf. Der hintere Teil, zweifellos der unglücklichere, bekommt laut Online-Enzyklopädie vorn einen zweiten After – und verhungert. Ich bitte nun höflichst um Erklärung, warum das mit humanoiden Arschgesichtern nicht auch passiert.

Hendrik Wieduwilt

Eigentlich auch okay

Ordentlich angeschickert mit der oder dem Liebsten nach Hause kommen, noch grunzend durch einige Stellungen schlingern, dabei einschlafen: das Komasutra.

Thomas Tonn

Nicht gesund

In einer Ratgebersendung im Radio hörte ich, häufiges Auftreten von Erkältungskrankheiten sei ein sicheres Zeichen für ein starkes Immunsystem. Dieses wehre sich nämlich sofort massiv gegen jeden noch so unbedeutenden Eindringling, und die typischen Symptome wie Rotze, Husten, Kopf- und Gliederschmerzen rührten allein von dessen Eifer her. Ich dagegen war schon so lange nicht mehr krank, daß ich mich an Taschentuch-, geschweige denn Medikamenteneinsatz kaum mehr erinnern kann. Bei dem Gedanken an mein offensichtlich völlig tatenloses Immunsystem wird mir aber gerade etwas flau im Magen. Immerhin!

Nicolai Hagedorn

Die Unliste

Hat schon einmal jemand versucht, die Unwörter der Jahre 1991 bis 2010 in eine sinnvolle Reihe zu bringen? Hier ein Versuch.

Tätervolk
Überfremdung
ethnische Säuberung
freiwillige Ausreise
national befreite Zone
ausländerfrei

 

Humankapital
betriebsratsverseucht
Entlassungsproduktivität
Herdprämie
Ich-AG

 

Rentnerschwemme
sozialverträgliches Frühableben

 

notleidende Banken
Diätenanpassung
Wohlstandsmüll

 

Gotteskrieger
Kollateralschaden
alternativlos

 

Peanuts

Peter Henrich

Eine Frage der Technik

Etwas sprachlos war ich, als während der nächtlichen Autofahrt das Navi lief und mein Beifahrer beeindruckt fragte, ob denn der Sprecher jetzt wirklich nur für unser Auto zuständig sei. Zur frühen Morgenstunde durfte er dennoch auf die obligatorische Tasse Kaffee mit hochkommen. Ich kann jetzt übrigens ein altbekanntes Vorurteil bestätigen.

Jessica Honeich

Keine Lösung

Weil ihr Mann, der sehr gern hartgekochte Eier mit Senf aß, im Kühlschrank fehlgegriffen, versehentlich statt Senf eine sehr aggressive Sportsalbe aufgetragen und sich damit die Mundhöhle versaut hatte, rief meine Bekannte im Krankenhaus an und bat um Rat, weil ihr Mann sich besagte Salbe »aufs Ei gestrichen« habe. Der Rat der Schwester am Telefon war: duschen. Aus eigener leidvoller Erfahrung weiß ich, daß dieser Rat auf jeden Fall falsch war.

Uwe Geishendorf

Wer weiß?

Wenn jemand »mehr Achtung vor den Menschen« fordert, bleibt unklar, ob dies ein Gebot des Respekts ist – oder eine simple Warnung.

Severin Groebner

Vertrackt

Eselsbrücken kann ich mir eigentlich ganz gut merken. Aber dann interpretiere ich sie oft falsch.

Dirk Warnke

Lichtgestalt

Im Elektromarkt habe ich die Auswahl zwischen einer Tageslichtlampe (»Lichtdusche«) mit Timer, die sauteuer ist, und einer sehr viel billigeren ohne Timer. Ich frage die Verkäuferin, wie lange ich das Licht der Lichtdusche ohne Timer denn anlassen darf. Antwort: »Das merken Sie schon. Wenn Sie zu gut gelaunt sind, war’s zu lange.«

Nils Heinrich

Protestwahl

Bei der Bremer Landtagswahl am 22. Mai hat man fünf Stimmen.

Ich wähle Protest nach Strickmuster: zwei rechts, zwei links, eine fallen lassen.

Ulf Wentzien

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt
24.05.2024 Dresden, Buchladen Tante Leuk Thomas Gsella
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »POLO«
30.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Hans Traxler: »Die Dünen der Dänen«