Vom Fachmann für Kenner | Oktober 2008


Träume

Als letztens der Dauerfalschparker in meiner Straße endlich ein Knöllchen bekam, habe ich kurz triumphierend die Faust geballt. Als einige Tage später in der Fischspezialitäten-Fastfood-Filiale, die Ziel meiner täglichen Mittagspause ist, die Fischbrötchen plötzlich ganz aufgeschnitten wurden und ich mich folgerichtig nicht mehr damit herumärgern mußte, wie ich den Fisch nach jedem Biß wieder innerhalb des Brötchens in Position schiebe, da hatte ich vor Glück Tränen in den Augen. Nun frage ich mich, wann der nächste in Betracht kommende Traum – der Frieden in Nahost – zur Erfüllung ansteht.

Bernhard Löwenberg

Flexibel

Baldrian und Kokain sind die ideale Mischung, wenn man weder im Mittelpunkt stehen möchte noch als Langweiler gelten will.

Stefan Sichermann

Ausgemahlen

Anfangs war ich skeptisch, als mir mein Zahnarzt eine Beißschiene gegen das Zähneknirschen verschrieb. Mittlerweile muß ich sagen: Beim Onanieren und bei »Anne Will« hat sie bereits gute Dienste geleistet.

Thomas Kuhlmann

Ein Vorschlag

Puccini, »Turandot« (Arte): Prinz Calaf muß drei Fragen beantworten, um die eiskalte Prinzessin Turandot freien zu können; die darauf aber erst mal überhaupt keinen Bock hat und deshalb, als Calaf auch die zweite Frage richtig beantwortet und das Volk ihm zujubelt, vor Wut ihre Wachen anweist: »Schlagt den Pöbel!«
Unter diesen Umständen würde sogar ich mir G. Jauchs Millionärsquizdreck ansehen: Wenn nach Beantwortung der 100 Euro-Frage das Publikum von der Security verdroschen würde.

Stefan Gärtner

Dicker als Wasser

Ein Bierzelt in der Oberpfalz. Tausende von Menschen lauschen einem politisch wie kulturell hochwertigen Haindling-Konzert und leeren dabei Zigtausende von Maßkrügen. Mein Biertischnachbar bestellt natürlich auch Maß für Maß – aber immer nur Radler. Gegen Ende des Abends läßt er dann die Katze aus dem Sack: »I muaß morgn früah zum Doktor, Bluat obnehmen lossn. Do derf i heit obnd hoit nix trinken.«

Andreas Volz

Gewissensfragen

War es Rassismus, latenter Behindertenhaß oder verklemmte Sexualität, die mich angewidert den Kopf schütteln ließen, als ich in einem Kölner Kiosk einen kopierten Flyer mit folgendem Text erblickte: »Schwarzer Kunstleder-Swinger mit Chrombeinen günstig abzugeben. Nur 80 €!«? Oder machte sich nur meine ewige Plastikallergie bemerkbar?

Heiko Bentrup

Schöne Tradition

In einer Kleinstadt im Norden, in welcher ich neulich weilte, pflegt ein Teil der dortigen Kaufmannschaft, im Bemühen, gleichermaßen seriös wie jovial zu erscheinen, die schöne Tradition, sich möglichst gedrechselt auszudrücken. So wird man etwa, nach Vorzeigen der gewünschten Ware, an der Kasse des Schreibwarenladens beschieden: »Die beiden Sachen? 4,50 soll das sein.« Schon wollte ich anheben, die vermeintliche Frage zu beantworten und die Causa richtigzustellen, da es sich keineswegs um 4,50 handelte, sondern um zwei feine Bleistifte, doch gerade im rechten Moment besann ich mich, es zu halten wie der Ethnologe, also zu schweigen und so dazu beizutragen, das kulturelle Erbe der Menschheit zu bewahren.

Tibor Rácskai

Schau, schlau!

Wer trotz ALG II beim Lachsessen nicht auf den leckeren scharfen Meerrettich verzichten will, kann sich die Geschmackssensation mit einem einfachen Trick ganz umsonst verschaffen: Einfach nach dem Biß ins Lachsbrötchen einige Nasenhaare ausreißen, fertig.

Arne Holst

Spezielle Vorliebe

Eines mache ich potentiellen Liebschaften stets schon am Tresen klar: Im Bett hab ich die Hosen an!

Sascha Dornhöfer

Nahtod-Erfahrung

Wenn irgendwann, im Angesicht des Todes, mein Leben vor meinem inneren Auge noch mal als Film abläuft, taucht dann vorher eigentlich der Hinweis auf, daß ich diesen Film nicht illegal mitschneiden darf? Und müßte ich nicht eigentlich schon gewarnt sein, wenn der Eisverkäufer reinkommt?

Nils Heinrich

Cum grano salis

In einem Ratgeber für musikalische Heimaufnahmen fand ich kürzlich den erstklassigen Tip: »Benutze Hall- und Echo-Effekte, wie du Salz beim Kochen benutzt.« Das hieße dann in meinem Fall: Immer schön rein damit, und je mehr, desto besser!

Mark-Stefan Tietze

Aversionsminimierung

Ein Bekannter, genußvoller Raucher, beklagt regelmäßig eine heftige Unlust auf Zigaretten, welche ihn bereits nach harmlosen Anstrengungen auf dem Fahrrad geradezu anfalle und bis zu drei Stunden anhalten könne. Neulich parierte ein Dritter bei einem Gelage mit dem bedenkenswerten Rat: Durch ein hastig hinuntergespültes Weizenbier unmittelbar nach Verlassen des Fahrradsattels lasse sich die Zeit der Aversion ohne weiteres auf wenige Minuten »runterfahren«

Christof Goddemeier

Wie die Zeit vergeht!

Die junge Dame, die auf der Party nach der Uhrzeit fragt und von mir »zwölf Uhr« zur Antwort bekommt, ist total perplex: »Wie? Eben war’s doch schon eins!« Sichtlich erleichtert löst sie das Rätsel nach einiger Zeit selbst: »Ach so, das war gestern.«

Martin Schwarzbeck

Meine neuen Skills

Mittlerweile traue ich mir fast alles zu. Denn die Fehler, die andere – gerade in höheren Positionen – begehen, die kann ich auch!

Friedrich Krautzberger

Zu arm

In einer Fernsehdokumentation über China beklagte sich ein Junggeselle aus der Provinz, daß man heutzutage ein eigenes Haus brauche, um eine Frau zu finden. Ich fühlte mich sofort entmutigt: Wenn solche Anforderungen schon im armen China gestellt werden, was für Erwartungen haben dann erst Frauen im reichen Deutschland?

Jonas Haas

Münchner Paranoia

Ich war die letzten Jahre nicht mehr auf dem Oktoberfest, aus Angst vor Terroranschlägen. Nicht mal unter der Woche bin ich gegangen, wenn weniger Leute da sind. Ich will eine möglicherweise ja vorhandene soziale Ader potentieller Attentäter nicht ausschließen, die sich sagen: »Gut, wir sind human, wir machen den Anschlag an einem Tag, wo weniger Leute da sind.«

Markus Riexinger

Von nichts kommt nichts

Als Kollege Ertu am Montagmorgen wieder über seinen schweren Laptop klagt, schweigen wir verlegen. Bestimmt hat er sich am Wochenende wieder mächtig was runtergeladen.

Marcel Vega

Maßnahme

Jetzt, da das Oktoberfest wieder begonnen hat, frage ich mich, wieso noch niemand ein anti-alkoholisches Gegenevent zur Wies’n erfunden hat. Den Eröffnungsspruch zum Anti-Bier-Fest kann ich mir jedenfalls schon vorstellen: »O-Saft is’!«

Thorsten Gaitzsch

Im Restaurant

– Sag mal… Rio Reiser ist doch tot, oder?
– Ja.
– Sicher?
– Wie, sicher? Klar ist der tot.
– Rio Reiser, ne?
– Ja-ha!
– Wann is’n der gestorben?
– Keine Ahnung, Mitte der 90er oder so.
– Ganz sicher?
– Ja, verdammt!
– Okay, dann ist gerade Blixa Bargeld aufs Klo gegangen.

Karlo Tobler

Bange Frage

Kita-Eingewöhnung, Gruppe Minimäuse. Mein Sohn stürzt sich sicherheitshalber erst mal auf die Bücher. Ein Bilderbuch mit Fahrzeugen. Jede Doppelseite ein Fahrzeug und ein Satz. Ich lese vor und staune über die Wörter: Löffelbagger, Schwebebühne, Hubkanzel, Gleiskettenfahrzeug… Zum Glück habe ich die Wikipedia jetzt noch exklusiv und meinen Wissensvorsprung sicher. Aber wie lange noch?

Heiko Werning

Merkzettel für Filmregisseure

1. Intro
2. Turbulenzen
3. Überraschendes Ende

Moses Wolff

Bestätigung

Vom Balkon unseres Urlaubsquartiers beobachten wir den Streit zweier kleiner Mädchen. Eines, welches offensichtlich Nala heißt, schreit dem anderen entgegen, daß es eine doofe Zicke sei und seine Eltern viel weniger verdienten als die seinen. Wir wissen zwar nicht, ob es sich bei dem beschimpften Kind um jenes handelt, welches vor wenigen Augenblicken auf dem Hoteltelefon versehentlich bei uns angerufen hatte und eine Nala sprechen wollte, die wir zwar nicht kannten, von der wir aber genervt wegen der Häufigkeit solcher Fehlanrufe behaupteten, sie wolle die Anruferin nicht sprechen, weil diese eine doofe Zicke sei und ihre Eltern viel weniger verdienten als die ihren, vermuten es aber und freuen uns nun, daß wir mit unserer Ad-hoc-Behauptung die Wahrheit so genau getroffen haben.

Uwe Geishendorf

ÖPNV des Grauens

Als ich in einer fremden Stadt mit der Straßenbahn zu einem Auftritt fuhr, hielt die Bahn hintereinander an folgenden Haltestellen: Friedhof – Kirche – Frankenstein. Der Auftritt war dann aber trotzdem schön, niemand kam zu Schaden, und es gab nicht einmal ein unheilvolles Gewitter.

Nadja Schlüter

Englisch-Deutsch

In der Londoner U-Bahn wird man beim Ein- und Aussteigen lapidar vor der Bahnsteig-Lücke gewarnt: »Mind the gap!« Auf dieselbe Gefahr, jedoch in umständlicher deutscher Ausführlichkeit, weist ein großes Schild im Berliner S-Bahnhof hin: »Achtung! Bitte beachten Sie die Lücke zwischen Zug und Bahnsteigkante!«
Das deutsche Schild ist so lang, damit könnte man den doofen Spalt glatt abdecken.

Friedemann Encke

Hoffnungsschimmer

Heute die Kurse beobachtet: Öl, Gold, Dow Jones, DAX – alles im Sturzflug. Wird dafür jetzt evtl. das Geld wieder mehr wert?

Harald Wurst

Ausländer durch die heitere Lupe gesehen

Mit einer Japanerin im Zugabteil zu sitzen, der in einem fort die Stricknadeln zu Boden fallen, ist schon komisch genug. Wie unterhaltsam müßte es erst sein, ihr bei Gelegenheit mal beim Essen zuzusehen!

Hans Kantereit

Stalker

Meine Zurückhaltung und Menschenscheu ist einigermaßen groß. Es müssen schon außergewöhnliche Umstände eintreten, daß ich mit einem Unbekannten die Telefonnummern austausche. Wenn aber dieser Unbekannte nach einer Woche anruft und mich fragt, warum ich mich nicht melde, bei seinem zweiten Anruf vom vertraulichen Du zum Sie übergeht und mir schließlich, nachdem ich seine Forderungen ignoriert habe, wüste Drohungen auf den Anrufbeantworter spricht, dann lehrt mich diese traurige Entwicklung bloß eines: Daß ich mir beim nächsten Mal sehr genau ansehen werde, bei wem ich einen Auffahrunfall verursache.

Michael Ziegelwagner

Unterscheidungshilfe

Freitagabende lassen sich von Donnerstagabenden oder Mittwochabenden unter anderem dadurch unterscheiden, daß man junge Pärchen sehen kann, die mit Salatschüsseln unter den Armen vor Haus­eingängen stehen und die richtige Klingel suchen.

Lars Weisbrod

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Moment, Edin Hasanović!

Sie spielen demnächst einen in Frankfurt tätigen »Tatort«-Kommissar, der mit sogenannten Cold Cases befasst ist, und freuen sich auf die Rolle: »Polizeiliche Ermittlungen in alten, bisher ungeklärten Kriminalfällen, die eine Relevanz für das Jetzt und Heute haben, wieder aufzunehmen, finde ich faszinierend«, sagten Sie laut Pressemeldung des HR. Ihnen ist schon klar, »Kommissar« Hasanović, dass Sie keinerlei Ermittlungen aufzunehmen, sondern bloß Drehbuchsätze aufzusagen haben, und dass das einzige reale Verbrechen in diesem Zusammenhang Ihre »Schauspielerei« sein wird?

An Open-and-shut-case, urteilt Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster