Vom Fachmann für Kenner | August 2008


Gummistiefel einpacken!

Man braucht sich gar nicht mal vertippen, um bei Amazon, auf der Suche nach Wanderführern, »Feuchtgebiete« von Charlotte Roche empfohlen zu bekommen.

Nils Heinrich

Reifezeugnis

Wer das bayerische Schulsystem kennt, der weiß auch, welcher Druck hierzulande an den Gymnasien herrscht. Auf eine gewisse Weise war es daher verständlich, daß ein junger Mann während der jüngsten Abifeier all dem Frust der vergangenen Jahre freien Lauf ließ, indem er, offen­sichtlich bereits stark sektbefeuert, die Abiturrede der Direktorin immer wieder durch pöbelnde Zwischenrufe störte, bei der Übergabe der Zeugnisse lautstark die verdorbenen Charaktere der einzelnen Absol­venten kommentierte und schließlich, Bier und Zigarette in der Hand, mit schwerer Zunge und feuchter Aussprache der Schulleiterin ins Gesicht sagte, was er von ihr und ihrer ganzen »Scheißdruck­sys­tem­schule« halte. Am nächsten Morgen beschlich mich aber doch das Gefühl, ich ­hätte das besser mal bei meiner eigenen Abifeier erledigt und nicht erst als aufsichtführende Lehrkraft.

Andreas D. Hesse

Spammer

Bis vor zwei Monaten fand ich täglich mehrere Penisverlängerungsangebote in meinem Mail-Postfach. Dann erreichte mich eine Zeit lang nur Viagra-Werbung, und seit einer Woche sind es ausschließlich schicke Uhren, die mir ans Herz gelegt werden. Ich frage mich, was das bedeutet: Wissen die alle von meinem unübersehbaren sozialen Aufstieg, oder sprechen die sich untereinander ab, sobald man mal (versehentlich) was bestellt hat?

Mark-Stefan Tietze

Supersommerdiät

Man darf alles essen, worauf man Appetit hat, muß nur kurz vorher etwas anschauen oder an etwas denken, wovon einem komplett der Appetit vergeht.

Uwe Geishendorf

No future

Im Sanitärbereich der Autobahnraststätte Siegerland hängt neben den Urinalen ein Automat, der neben Verhütungsmitteln auch ein Produkt mit dem schönen Namen »Travel Pussy – die künstliche Vagina« zum Kauf feilbietet. Ein gut sichtbar angebrachter Warnhinweis des Herstellers enttäuscht jedoch von vornherein den vom Familiengründungswunsch getriebenen potentiellen Anwender: »Nicht für Kinder geeignet!«

Florian Kläger

Ausgegrenzt

In diesen In- und Out-Listen finde ich unter »In« nie etwas, das auf mich zutrifft. Damit läßt sich leben. Daß ich unter »Out« auch nichts finde, gibt mir dann aber doch zu denken.

Thorsten Mausehund

Energiequälen

Wenn mein Freund betrunken nach ­Hause kommt und in Orthopädenbesuchshaltung auf der Wohnzimmercouch einschläft, kann ich das als liebevolle Partnerin natürlich nicht mitansehen. Daher habe ich das Lichtleitsystem entwickelt: Ich lösche sämtliche Lichtquellen bis auf die im Schlafzimmer und rüttle an meinem Freund, bis er völlig verstört aufwacht, aufsteht und sich – dem Licht ­folgend – plötzlich glückselig in seinem Bett wiederfindet. Nach einem Streit am Vorabend funktioniert das Lichtleit­system übrigens auch hervorragend in die ­andere Richtung.

Valeska Schuh

Kleine Staatskritik

Überall Blaulicht und Martinshorn, Absperrungen und Uniformierte, die Anweisungen schreien – nach manch schwerem Gewitter habe ich wirklich den Eindruck, wir leben in einem Feuerwehrstaat!

Oliver Nagel

Abgenabelt

Ich habe zu meinem Heimatdorf mittlerweile eine so große emotionale wie räumliche Distanz gewonnen, daß ich dem Mädchen an der Supermarktkasse, mit dem ich vor vielen Jahren das erste Mal teilte, laut und ohne rot zu werden die Frage stellen kann, ob denn wenigstens sie seitdem noch mal Sex gehabt habe.

Lars Ruppel

Konversationsrätsel

Die folgende Konversation fand neulich auf einem Schulhof statt und bereitete der aufsichtsführenden Lehrerin doch einige Schwierigkeiten:

Schüler A: »Ey, gehst du Päckchen?«

Schüler B: »Fick disch!«

Schüler A: »Apfel!«

Wenige Minuten später löste sich das Rätsel: Schüler B kehrte mit einem Apfeltrinkpäckchen vom Hausmeister zurück und händigte es Schüler A aus.

Niels Frerichmann

Feststellung

Eigentlich wenig verwunderlich, daß Musiker wie Rammstein oder Tokio Hotel kommerziell so erfolgreich sind. Sind sie doch in der Platte aufgewachsen.

Sascha Dornhöfer

Mannhaft

Es war Frühsommer, wir waren vier Jungs, saßen in einer von uns bevorzugten Berghütte, hatten haufenweise Bier und Obstler terminiert und befanden uns alle in einem hübschen Vollrausch. Irgendwann, es war schon etwas später, bezahlten wir und wankten, hinreißende Herrenwitze von uns gebend, nach draußen, um uns in der etwa vierzig Meter entfernten Schlafhütte niederzulegen. Nur mein Kumpel Hubert hatte erhebliche Koordinationsschwierigkeiten. Er sackte noch beim Verlassen des Schank­raums auf die Knie, hielt sich mühsam am Türrahmen fest, wollte sich auch nicht helfen lassen und legte sich schließlich zusammengerollt auf den Boden. Unsere Aufmunterungen, doch aufzustehen und die wenigen Meter zur Schlafstätte mit uns zu kommen, ignorierte er kopfschüttelnd. Mit letzter Kraft ächzte er: »Laßt mich nur liegen, ohne mich könnt ihr es vielleicht noch schaffen!«

Moses Wolff

Geht durch den Magen

Meine Freundin kann gut kochen! Sonntag zum Beispiel gab es wieder einmal Ente mit Rotkohl und Knödeln samt den von mir verehrten Innereien. Die werden den Tiefkühl-Vögeln in der Fabrik jedoch meist nicht vollständig, sondern je nach Gewicht hinzugefügt, weshalb wir dieses Mal auf Leber verzichten mußten, dafür aber zwei Herzen im geöffneten Entenpo fanden. Beim Servieren des köstlichen Mahls legte meine Freundin jedem von uns ein Herz auf den Teller. Als sie, um den passenden Rotwein zu entkorken, kurz in die Küche mußte, spießte ich schnell beide Herzen auf eine Gabel und ließ sie in meinem Mund verschwinden.

Ich: »Hmmm!«

Sie, den Tatort betretend: »Du hast mein Herz gekaut!«

Arne Holst

Poetik

Zur Einführung in die Kriminalliteratur des späten 19. Jahrhunderts und ihre Analyse empfehle ich besonders Paulus Henri de Vries’ »Poe and after«.

Almuth zu Jeddeloh

Studentische Arbeitsmoral

Vor der Universitätsbibliothek treffe ich zufällig einen entfernten Bekannten, der Verbindungsstudent ist.

Er: »Was machst du denn schon wieder in der Bibliothek?«

Ich: »Muß bis in ’ner Woche noch ’n Exposé schreiben. Und da war ich grad zum Recherchieren in der Bib.«

Er: »Warum machst du denn sowas? Laß es doch die Putze schreiben, kauf dir ein paar Bier und stell dir mal ordentlich einen rein!«

Erst will man die Einstellung ja empört ablehnen, weil sie, nun ja, eben von einem Verbindungsstudenten kommt. Aber irgendwann denkt man dann doch: Eigentlich hat er ja recht.

Moritz Keller

Teekesselchen

Ist das nicht interessant und ein wenig verwirrend? Beim Thema Kohlesubventionen ist ein Förderschwerpunkt ein Förderschwerpunkt. Mal holt man was raus, mal steckt man was rein. Ich bin mir sicher, hinter dieser Sache verbirgt sich eine höhere Weisheit. Ich weiß bloß nicht, welche.

Katharina Greve

Naturbeobachtung

Wie sie da emsig über die Terrasse huscht, von Gast zu Gast, um Bestellungen aufzunehmen, die sie in ihrer Schürzentasche verschwinden läßt. Wie sie sich dann ins Innere des Lokals zurückzieht, für lange, lange Zeit, fast möchte man meinen, eine ganze Jahreszeit. Und wie sie dann wieder erscheint, mit zuckendem Näschen die Sonne begrüßt, um erneut eifrig ihre Runden zu drehen, aber natürlich wieder mal die Hälfte vergessen hat…

»Cafe Eichhörnchen« ist aber auch ein zu blöder Name!

Oliver König

Trauriger Verein

Auf dem Heimweg von der Schule berichtete mir mein konfessionsloser Sohn, sie hätten die Dorfkirche besichtigt. Von der Betrachtung der grausig detaillierten Kreuzwegbebilderung war er spürbar noch mitgenommen, blickte grüblerisch ins Leere und verkündete schließlich: »Stimmt’s, Papa? Man muß nicht unbedingt in die Kirche gehen – man kann auch zu Hause traurig sein!«

Askal Bosch

Reformvorschlag

Nach einer durch das Geschrei des gerade ein Jahr alt gewordenen Henrik wieder einmal größtenteils durchwachten und bereits um fünf Uhr morgens beendeten Nacht kam mir die Idee, der chinesischen Duden-Redaktion einen Vorschlag zu machen: Wäre es nicht besser, das chinesische Schriftzeichen für »Frieden«, das sich aus den Elementen »Frau« unter »Dach« zusammensetzt, durch ein aus dem Elementen »Sohn« auf »Mond« zusammengesetztes zu ersetzen?

Friedrich Weissdorn

Älter werden

Ich erinnere mich an den Besuch eines Schnellrestaurants an der Nordsee. Dort lief über die Lautsprecher ein zeitgenössisches Pop-Lied, das ich schon einmal gehört hatte und das mir gefiel. So fragte ich die beiden etwa 15jährigen Damen, die mir und meinem Kompagnon gegenüber saßen, wer dieses Lied denn interpretiere. »Wheatus«, versetzten die beiden Gören, was angesichts der überwältigenden Lautstärke der Musik nicht für jedermann präzise verständlich war. Mein Nachbar jedenfalls schnellte erstaunt vor und rief erfreut: »Was? Von den Beatles? Ist ja toll, daß die auch mal wieder was machen!«

Bernhard Löwenberg

Interessantes Rendezvous

Neulich wurde ich von einem Oberförster in den Wald eingeladen. Es gab Kaffee und Buchen.

Andrea Maisy

Die Weisheit der Pubertierenden

Mein Töchterlein wird derzeit wie viele andere Achtklässler als Versuchskaninchen für das bayerische G8 mißbraucht, den gestrafften Gymnasial-Lehrplan, der unter anderem schon in die Wahrscheinlichkeitstheorie einsteigt, ehe noch Schönschreiben und Betragen ihre Bedeutung verloren haben. Nachdem ich meinem Schatz mit Mühe den Unterschied zwischen absoluten und relativen Häufigkeiten nahegebracht hatte, seufzte sie und sagte: »Das habe ich jetzt verstanden, aber immer wenn ich etwas verstanden habe, kommt etwas, das noch schwieriger ist« – ich hatte mich erst durch 2000 Seiten Schopenhauer hindurchkämpfen müssen, um zu dieser Einsicht zu gelangen.

Theobald Fuchs

Nudelphilosophie

Teigwaren sind Teigwaren, weil sie mal Teig waren.

Christian Dickenbey

Auf der Mauer

Der Verlauf der Mauer ist in ganz Berlin durch eine Doppelreihe Kopfsteine gekennzeichnet, die sich einmal quer durch die gesamte Stadt über Gehwege, Radwege, Plätze und Straßen zieht. Auf dem Weg von Mitte nach Kreuzberg hat sich kürzlich mein Vorderreifen zwischen zwei dieser Kopfsteine verfangen, und ich habe mich mit dem Rad voll auf die Fresse gelegt. Seitdem bemühe ich mich um Anerkennung als Maueropfer.

Volker Surmann

Stellenwunder

Siemens streicht weltweit 16 750 Stellen – hoffentlich ist der Wasserfleck an meiner Wohnzimmerdecke mit dabei!

Murmel Clausen

Wie sag ich’s meinem Kind?

Auf einem Plakat zur Aids-Prävention sind verschiedene Früchte und Gemüse zu sehen, über die Präservative gestülpt sind. Ein etwa fünfjähriges Kind deutet auf das Plakatmotiv und fragt seine Mutter: »Mama, was ist das da über der Gurke?«

Die Mutter in erfinderischer Not: »Das sind Gemüseschutzhüllen.«

Friedemann Encke

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg