Vom Fachmann für Kenner | November 2007


Vorbildlich

Rauchverbote werden von meinem Freund Tom grundsätzlich mißachtet. So auch neulich auf dem U-Bahnsteig am Münchner Stiglmayerplatz. Unmittelbar nach dem Aussteigen zündete er sich eine Kippe an. Sofort kam eine Mittfünfzigerin auf ihn zugestürmt und rief: »Hior wüdd nisch geroocht!« Toms Antwort wie aus der ­Pistole: »Hier wird aber auch kein Sächsisch geredet!«

Moses Wolff

Frage an die Gewerkschaft

Haben Schwimmeister eigentlich einen Bademanteltarifvertrag?

Jens Radü

Ein idealer Tag

Ich würde lange schlafen. Am Kiosk holte ich mir die neue »Laßt mich bloß in Ruhe«. Im Fernsehen würde ich auf DVD ein paar Folgen meiner neuen Lieblingssoap schauen: »Sofa: Hier holt mich keiner mehr raus«; wahrscheinlich die ganze erste Staffel. Anschließend käme jemand zum Aufräumen, danach ein 45-minütiges Making-Of (»Pizza«), dann eine Pizza. Abends würde ich durch ein paar Shows und Dokus zappen (»Wozu sich anstrengen?«, »Ist doch eh alles Quatsch«, »Und futsch war die Lottomillion«), hinterher einen schönen Fantasy-Film auf RTL II gucken (»VACUUM III: The Void behind the Nothing«). Zum Abschluß noch schnell das »Leckt mich am Arsch, gute Nacht«-Magazin und dann ab ins Bett!

Mark-Stefan Tietze

Einerseits, andererseits

Meine Mutter berichtet mir von einem Hermann-van-Veen-Konzert, das sie besuchte und in dessen Publikum sie auffällig viele Contergan-Geschädigte sah. ­Eine zwiespältige Angelegenheit, vermute ich: Einerseits spricht’s natürlich für das ­soziale Engagement des Künstlers, andererseits schmälert es wohl den ­Applaus.

Tim Wolff

Arbeitsprobe

Wenn man im neuen Job gleich zu Beginn der ersten Dienstreise dem neuen Chef die Hosen von unten bis oben vollkotzt, beweist das eindrucksvoll, daß man zum PR-Manager tatsächlich geeignet ist. Immerhin gab es im ganzen Flugzeug niemanden, der es nicht mitgekriegt hätte.

Theobald Fuchs

Retro-Fun

Neben der DHL-Packstation in meiner Straße entdeckte ich nachts eine Paßfotokabine, wie man sie sonst nur noch auf Amtsfluren findet – dort also, wo sie Sinn ergeben. Weil das hier auf den ersten Blick nicht der Fall war, hatte man den Sinn einfach draufgeschrieben, in Fraktur und mit doppeltem ›ph‹: »Photographiere Dich selbst!« Während ich staunend davor stehenblieb, bog ein schrecklich verliebtes Pärchen um die Ecke. Die beiden lachten, knutschten und blitzten immer wieder mit erhobenen Handys auf sich herab. Dann erblickten sie ebenfalls das Gerät. »Ein Fotoautomat! Ist ja retro!« quietschte die junge Dame verzückt. Als ich das Paar wenig später mit seinen Schwarzweißbildern davonturteln sah – »Cool! Die sind richtig auf Papier! Und ganz ohne Farben!« –, da fragte ich mich, ob ich, wenn nur erst die Handys gelernt hätten, Brot zu toasten, nicht mit alten Toastern enorm reich werden könnte. »Toaste Dein Brot!« würde ich draufdrucken lassen, am ­besten total retro in Mittelhochdeutsch: »Brâte din brôt!«

Markus Liske

Die wahrscheinlich längste Praline der Welt

werde demnächst ich haben. In Zusammen­arbeit mit einem Schokoladenfabrikanten werde ich ein mindestens 15 Zentimeter langes Naschwerk kreieren, »Lüden­scheider Langpraline©« nennen und an die Herrschaften von Duplo spedieren ­lassen. Diese können dann aufhören, am Ende eines jeden Werbespots ihre alt­bekannte und nun widerlegte Vermutung anzustellen. Die Spots werden dadurch drei Sekunden kürzer, was bei einem ­Sekundenpreis von vielleicht 500 Euro und 1000 Ausstrahlungen pro Jahr eine Ersparnis von 1 500 000 Euro bedeutet. Die eine Hälfte können die Jungs in die Neukonzeptionierung der Drehbücher stecken, die andere Hälfte will ich.

Peter Henrich

Ethik

Zwei etwa vierzehnjährige Schülerinnen diskutieren lauthals ihren Stundenplan. Ein heftiger Streit bricht aus. Schließlich kreischt die eine außer sich vor Wut: »Nee, du Fotze – nach dem Mittag haben wir Ethik!«

Robert Niemann

Einstein im Alltag

Gesetzt, ich stehe an einem Bahndamm, und ein Zug fährt vorbei. Dann läßt sich sowohl behaupten, daß ich mich in Ruhe befinde und der Zug sich bewegt, als auch, daß der Zug sich in Ruhe befindet und ich mich relativ zu ihm bewege: Für die Relativitätstheorie sind beide Standpunkte gleich richtig. So gesehen wird auch die Frage hinfällig, ob die Brezen auf dem Oktoberfest tatsächlich kleiner sind als in meiner Kindheit, oder ob ich nur größer geworden bin.

Friedrich Krautzberger

Voreilig

Die kürzliche Heimkehr in die Hölle, falsch, das Paradies meiner Kindheit, auch Elternhaus genannt, löste bei mir einen Tumult der Gefühle aus. Der Anblick meines alten Zimmers, das immer noch so eingerichtet war wie zu der Zeit, da ich es verlassen hatte, versetzte mich sofort in die Stimmung meiner frühen Jugendtage zurück. Gedankenverloren inspizierte ich mein altes Kassettenregal. Dort fand sich ein uralter Tonträger mit der schönsten Musikzusammenstellung, die sich ein Grundschüler damals wünschen konnte. Künstler waren unter anderem Alf, ­Diether Krebs, Falco, Metallica und L.A. Style. Die Kassette war mit dem hübschen Namen »9 Lieder« betitelt. Jäh erinnerte ich mich daran, wie ich als Grundschüler voller Verzweiflung vor dieser wertvollen Kassette saß, mit dem innigen Wunsch, auch Rolf Zuckowskis »In der Weihnachtsbäckerei« noch draufzuspielen, und der gleichzeitigen Erkenntnis, dem Namen der Kassette damit jeglichen Sinn zu nehmen. Ich brach auf der Stelle in Tränen aus und begab mich wie damals in den tröstenden Arm meiner Mutter.

Maximilian Walther

Versuch zum Dialog der Kulturen (5)

Nachts um zwei in einer Kneipe.

Gast: Und ich hätte gerne noch eine Milch mit Honig.

Kellnerin: Tut mir leid, die Kaffee­maschine ist schon aus.

Dialog gescheitert.

Heiko Werning

Tip

Sollten Sie Ihrer Frau zum Hochzeitstag einmal aus Versehen Rosinen statt Rosen überreichen, trösten Sie sich und Ihre Liebste doch mit dem Hinweis, daß ­Rosen zwar schön anzusehen sind, daß aber auch diese einmal welken und im Gegen­satz zu den bereits verschrumpelten Rosi­nen nicht dazu taugen, am Abend vor dem Fernseher geknabbert zu werden. ­Sollten Sie die Nacht dann allein im ­Hotel verbringen müssen, haben Sie wenigstens schon was zu naschen dabei.

Tibor Rácskai

Brummender Glücksfall

Glück! Ja, Glück – nicht in seiner abstrakten, blutarmen Definition als Lexikoneintrag, sondern als leibhaftig und leiblich wahrnehmbares, unmittelbar existenzialistisch und zugleich heideggeraffin zeughaftes Transzendentalereignis, das geht so: Wenn nämlich die dumme, fette Fleischfliege, die schon seit Stunden orientierungslos durch die Wohnung brummt und im Stupor in unschöner Regelmäßigkeit bald gegen Lampe und Wand, gegen Bildschirm und Birne knallt, ohne daß man sie und sich jedoch erlösen könnte; wenn diese doofe feiste Fettfliege im Rahmen eines letzten verworrenen Loopings mit letzter Kraft sich deckenwärts emporschraubt, den Brummbetrieb plötzlich und final einstellt und sauber abschmiert und exakt in den unter ihr und neben meinem Schreibtisch stehenden Papierkorb platscht und dort für immer vorbildlich reglos liegenbleibt – das, liebe Mitmenschen: das ist Glück.

Oliver Maria Schmitt

Code für Kenner

Wer bei Burger King am Heidelberger Hauptbahnhof auf die Toilette will, muß an der Klotür einen Zahlencode eingeben. Den bekommt man beim Erwerb von Burger-King-Produkten – er steht auf dem Kassenzettel. Ich habe meinen neulich nicht gebraucht und gebe ihn hiermit gern weiter: 3527. Wenn’s nicht klappt, war ­jemand anderes schneller.

Nils Heinrich

Keine Details, bitte!

Zumindest beim Proktologen kann man im Wartezimmer noch einen respektablen Lacherfolg erzielen, wenn man nach der Behandlung »Mutti, Mutti, er hat überhaupt nicht gebohrt!« ruft. Auch wenn’s natürlich gelogen ist.

Oliver Nagel

Haarspalterei

Mein Freund neulich ganz begeistert: »Guck mal, du hast ein Haar, aus dem wächst ein zweites heraus!« Schon ­erstaunlich, wie sich Männer an Spliss ­erfreuen können.

Steffi Thul

Gutes Personal

Im Skater-Shop will ich nach all den Vans und Chucks auch mal die ­Schuhe aus dem Schaufenster anprobieren, die so schön spießig nach Mephisto aussehen. Bei der Wahl der Schuhgröße bin ich jedoch unsicher, habe ­wieder vergessen, wie das mit den amerikanischen Größen ist. Der Verkäufer, einen Kopf größer und auch sonst ein völlig anderer Menschentyp, aber vor Empathie und Hilfsbereitschaft strotzend: »Also ich nehm’ meistens 11 oder so.«

Florian Haymann

Spülmaschine, die erste

Wenn sich drei Studenten zu einer Männer-WG zusammengefunden haben und der freundliche Vermieter die WG-Küche durch den Kauf einer Spülmaschine wieder in einen menschenwürdigen Ort der Begegnung verwandeln will, ist die Spannung vor dem ersten vollautomatischen Spülen groß; und hinterher natürlich erst recht.

Nachdem wir zu dritt eine Stunde vor unserem großen neuen weißen Freund gesessen und jedes Knacken und Rumpeln, das den Vollzug der Spülarbeit dokumentierte, genüßlich und voller Wonne in uns aufgesogen hatten, machte es plötzlich »Klick«, und die Spülung war beendet. Voller Erwartung öffneten wir die Lade, hielten zu dritt unsere Köpfe in die Appa­ratur, inspizierten kritisch das Innere und führten folgenden Dialog:

»Riechst Du das? Das riecht doch ­irgendwie ganz eigenartig.«

Pause, Gedankenblitz und die etwas unsichere Antwort:

»Vielleicht riecht es so, wenn etwas wirklich sauber ist.«

Mark Pelzer

Mit einer scharfen Braut

Das fällt einem durchaus mal ein, wenn man auf der Zugtoilette die Ermahnung liest: »Bitte verlassen Sie diesen Ort so, wie Sie ihn vorfinden möchten.«

Marcel Vega

Tourismus invers

Der weltweite Aufschwung bringt es mit sich, daß man an immer mehr Orten Natio­n­al­­itäten antrifft, die man dort nicht vermutet hätte. In meinem Beispiel war es eine Kolonie indischer Touristen, die mit dem Zug auf das Jungfraujoch fuhr, um sich dort geschlossen in einem »Bollywood-Restaurant« einzufinden. Trotz ­aller Begeisterung über diese neue exotische Note im Alpenraum frug ich mich aber ein wenig, was die Inder dort wollten, wo sie doch den Himalaya praktisch vor der Haustür haben. Als ich dann jedoch während der Talfahrt das Treiben auf den saftigen Wiesen studierte, wurde mir die ­Sache klar wie ein gutgebrannter Enzian: Die Kühe sind in der Schweiz einfach viel hübscher als in Indien.

Michael Höfler

Reden ist Silber

Eine Sonderschulpädagogin versicherte mir am Wochenende, der Vorteil der Arbeit an Sprachbehindertenschulen sei der, daß der Unterricht nicht dauernd durch Zwischenrufe gestört werde.

Frank Scheller

Feuilleton

Mit seiner neuen CD ist dem Aushängeschild des deutschen Jazztrompetens, Till Brönner, wiederum ein Werk gelungen, ohne das die Musikredakteure der Infokanäle wohl nicht wüßten, wie sie die Lücken zwischen den Textbeiträgen ­füllen sollten.

Helge Möhn

Entwarnung

Nur um hier mal mit einem weitverbreiteten Mythos aufzuräumen: Ich habe die Lektüre des erfolgversprechenden Ratgebers »Endlich Nichtraucher« von Allen Carr unbeschadet überstanden und ­rauche jetzt sogar ein bis zwei Päckchen mehr am Tag.

Gregor Mothes

Logisch

Als ich neulich las, daß 90 Prozent aller Frauen Intimrasur bei Männern attraktiv finden, habe ich ganz schön gestutzt.

Arno Lücker

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg