Briefe an die Leser | Oktober 2023


Gute Fahrt, Rennfahrerin Sophia Flörsch!

Sie gelten als eine der wenigen Frauen, die es bis in die Formel 1 schaffen könnten, und durften im großen Stern-Interview deshalb sämtliche Fragen zum Thema »Frauen im Rennsport« beantworten. Darüber hinaus berichten Sie, dass Sie als Beifahrerin zum Interview erschienen sind und von Ihrem Vater gefahren wurden: »Weil der Papa als Beifahrer gar nicht geht, er ist echt der Allerschlimmste!«

Das können wir uns gut vorstellen, wie der Papa Ihnen schlaue Tipps im Straßenverkehr erteilt, zum Beispiel, wie man sich mit 250 Stundenkilometern in die Kurve legt und dabei die anderen Verkehrsteilnehmer/innen von der Fahrbahn abdrängt oder wie man bei einem doppelten Überschlag den Fliehkräften trotzt und sich unversehrt aus der brennenden Fahrerkabine schält. So was ist eben echte Liebe!

Aber natürlich auch sehr nervig, findet: Titanic

Huhu, hessische FDP!

Zunächst hatten wir es ja auf das Unwissen des jungen Kandidaten bei uns im Viertel geschoben, aber spätestens zur Septembermitte dann verstanden, dass Dein eminenter Powerslogan für die gesamte hessische Landtagswahl tatsächlich »Feuer und Flamme für Hessen« lautet. Anschließend hatten wir gedacht, Ihr wärt vielleicht allesamt zu dumm oder unbelesen, um zu wissen, dass »Feuer und Flamme für diesen Staat« seit den frühen achtziger Jahren ein beliebter Schlachtruf von Linksradikalen und Autonomen war, gerade in Hessen, wo die Kämpfe um die Startbahn West blutig eskalierten.

Aber Du, FDP, hast den Slogan gewiss mit Bedacht und einem kräftigen Augenzwinkern gewählt, denn Du besitzt ja auch einen anarcho-libertären Flügel, der jede staatliche Ordnung abschaffen und alle Belange vom Markt regeln lassen will, also vom Gesetz des Stärkeren.

Und dass Du diese gewaltversessenen Hooligans zur Wahl noch mal vor unseren inneren Augen durch die Straßen Frankfurts marodieren lässt, dafür danken Dir die gesetzlosen Chaot/innen von der Titanic

Beste »Süddeutsche Zeitung«!

Wir verstehen ja, dass Du nach zwanzig Artikeln zum Thema ein bisschen ermüdet warst von der durch Dich ins Rollen gebrachten sogenannten Flugblatt-Affäre, bei der es nicht zuletzt um eklige »Witze« über Auschwitz ging, nur: Die Überschrift »Aiwanger setzt Söder unter Zugzwang«, die hätte Dir doch wirklich als stilistische Entgleisung auffallen können.

Kleines Geschmacksredigat von Titanic

Sie, Peter Neumann,

haben sich für die Zeit »Jeder schreibt für sich allein« angeguckt, Dominik Grafs »schillernden Filmessay über Dichter in der Nazi-Zeit«. Dieser behandelt Schreibende wie Gottfried Benn, Erich Kästner, Ina Seidel u.a., die während des Nationalsozialismus nicht ins Exil gegangen sind, sich dem Regime auf diese oder jene Weise anpassten oder, im besten Fall, entzogen. »Ganz besonders Kästner hat man die Schuldfrage immer angesehen«, fällt Ihnen dabei auf. »Nach dem Krieg erlebt er ein kurzes Comeback, wird Feuilletonchef der Neuen Zeitung in München, gründet zwei Kabaretts. Doch während Benn noch einmal zur späten Blüte gelangt, 1951 sogar den Büchner-Preis erhält, ist es mit Kästner bald vorbei. In einem Interview sieht man ihn, 1964, Mantel, Schal, von hinten drücken die Alpen. Und man merkt diesem Kästner das Schweigen an, als wäre es nie wieder von ihm gegangen, dieses Geduckte, Gedrungene, das Aufgestaute, das irgendwann kein Ventil mehr findet, sondern absinkt, schwer wird, wie geronnene Lava.«

Das ist fein beobachtet, Neumann, und tüchtig psychologisiert. Schade nur, dass die Details nicht ganz hinhauen. Als nämlich der Spätblüher Benn 1956 verwelkte, hatte Kästner, mit dem es »bald vorbei« gewesen sein soll, noch fast 20 Jahre. Und wenn als Beweis für Benns Nachkriegsruhm der Büchner-Preis angeführt wird – sollte man dann nicht erwähnen, dass Kästner ebendiesen Preis ein paar Jahre später selber kriegte? Sodass der Satz »Als Kästner noch einmal zu später Blüte gelangt, 1957 sogar den Büchner-Preis erhält, ist es mit Benn schon längst vorbei« gleichfalls möglich, ja sogar einen zarten Tick korrekter gewesen wäre? Aber dann hätten Sie freilich auf all Ihren Schuld- und Schweigekitsch, die geronnene Metaphernlava und das aufgestaute, gedrungene Alpendrücken, das Sie bei Kästners Anblick halluzinieren, verzichten müssen.

Wenn Sie uns fragen: Ihnen sieht man den Faselhans schon von weitem an. Und das sagen wir, ohne ein Foto von Ihnen zu kennen!

Findet immer ein Ventil: Titanic

Sie aber, Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU),

regieren Nordrhein-Westfalen und spekulieren, wie gemunkelt wird, auch auf die Kanzlerkandidatur der Union. Nun hat Kanzler Scholz im Bundestag Ihnen und den anderen Länderchef/innen vorgeschlagen, sich gemeinsam mit Bund, Opposition und Kommunen an einem patriotischen Gemeinschaftswerk, einer »nationalen Kraftanstrengung«, einem so betitelten »Deutschland-Pakt« zur Modernisierung des Landes zu beteiligen (»Wir müssen schneller werden, unkomplizierter, weniger bürokratisch«).

Das haben Sie noch am gleichen Tag empört abgelehnt. Weil Sie vielleicht witterten, dass sich hinter gefühligen Appellen ans deutsche Kollektiv in der Regel die größten Sauereien verbergen? Oder weil Sie der festen Überzeugung sind, wir müssten langsamer werden, komplizierter und noch viel bürokratischer? Eventuell schon, hauptsächlich aber, weil Sie sich, wie Sie sagten, »offen gesprochen veräppelt« fühlten: Der Pakt sei ein »reiner PR-Gag«, also propagandistische Schaumschlägerei für die Schlagzeilen.

Sie hingegen mit Ihrer scharfen Replik, MP Wüst, suchten lediglich die Öffentlichkeit, um das Informationsbedürfnis der Bürger/innen zu stillen.

Und wer fällt darauf auch noch rein und verbreitet es weiter?

Na, allzeit Ihre Titanic

So nicht, Plattnasen-Holzrüssler!

Jahrzehntelang hast Du Dich im Nordosten Deutschlands nicht mehr blicken lassen, weil Dir unsere schönen, aufgeräumten Forste nicht gut genug waren für Deine Käferbrut, die Du ja unbedingt in absterbendem Eichenholz aufziehen musst. Und jetzt kommst Du plötzlich wieder angekrochen, denn klimawandelbedingt gibt es derzeit genug sieche Eichen, in denen Du mit Deiner platten Nase herumrüsseln kannst. Du bist also ein verdammter Erderwärmungsgewinnler! Aber freu Dich nicht zu früh: Erst wenn die letzte Eiche vertrocknet ist, wirst Du feststellen, dass Du diese ganzen neuen klimaresistenten Baumarten, die jetzt überall angepflanzt werden, nicht fressen kannst.

Etwas platt: Titanic

Ihre Dissertation, Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU),

möchte man auch nicht sein. Wie sollte man da nicht in eine Identitätskrise schlittern? Bei all den Plagiaten! Denn Sie haben es offenbar geschafft, in Ihrer Doktorarbeit mehr davon unterzubringen als Ihre Senatskollegin Franziska Giffey. Genauso wie Giffey damals wollen Sie, Schreiner, nun erst mal abwarten, was Ihre Uni in Rostock dazu sagt. Wenn sich da mal nicht das nächste Plagiat andeutet, quasi nachgelebt.

Aber Vorsicht: Wenn Sie es weiter so wie Giffey anstellen, sitzen Sie am Ende einfach wieder im Berliner Senat. Und das hält man doch wohl nur durch Unterstützung von Doktor/innen aus, oder?

Meinen Ihre Abschreiber/innen von der Titanic

Du hingegen, »Spiegel«,

hast für unbekömmliche Nachrichten gesorgt, als Du über einen Ernährungsberater berichtetest, der »Schmiergelder in Millionenhöhe« angenommen haben soll. Zugegeben: Bis zum Ende haben wir den Text nicht gelesen. Daran, dass Marken wie Nutella, Kerrygold oder Bonne Maman ihre klebrigen Finger hier mit im Spiel haben, besteht für uns allerdings kein Zweifel.

Will da aber auch nicht zu dick auftragen: Titanic

Erinnerst Du Dich, Adobe,

an das Titelbild unserer letzten Ausgabe? Wir nämlich schon, und da fragen wir uns glatt, ob Du neuerdings die Betreffzeilen für Deine Werberundmails ungeprüft vom Digitalisierungs-Ausschuss der AfD übernimmst!

Nichts für ungut. Titanic

Ciao, Giorgia Meloni!

Ihre Regierung hat sich auf die wehenden Fahnen geschrieben, die grassierende Jugendkriminalität in Ihrem Land (Italien) subito zu bekämpfen. Wie? Natürlich mit rechter forza: Sicherheitsverwahrung von Kindern, U-Haft bereits fürs Handeltreiben mit kleinen Mengen Rauschgift und mancher Schikane mehr.

Allora, Signora Ministerpräsidentin, so wird das aber nichts mit der Rückbesinnung auf italienische Tugenden und nationalistische Werte! Wenn sich die ragazzi früher danebenbenommen haben, hat denen die Mutter mit dem Kochlöffel den Hintern versohlt und gut war’s. Zur Not gab es Bolognese-Entzug oder eine Woche Vespa-Verbot. Da musste niemand jahrelang eingeknastet werden. Uns scheint, Sie haben Ihr Volk nicht im Griff. Wird Zeit, dass Ihnen Ihre mamma mal wieder die Ohren langzieht.

Schwenkt das Nudelholz: Titanic

Sie, Christiane Gotte,

sind Vorsitzende des Bundes-Elternrates und wollen »unangemessene, lottrige, zerrissene oder freizügige Kleidung« aus Deutschlands Schulhäusern verbannen. Wer nicht ordentlich angezogen sei, müsse nach Hause. Aber, Frau Gotte: Bedenken Sie das Ende. Dann würde ja noch mehr Unterricht ausfallen!

Und die Kinder lernen ja nicht für die Schule, sondern für Titanic

Ganz recht, Friedrich Merz!

In einer vielzitierten Rede während des Gillamoos-Jahrmarktes stellten Sie fest: »Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland!« Und da, das müssen wir anerkennen, haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen: Deutschland ist ganz offensichtlich zu großen Teilen kein gentrifiziertes Großstadtviertel, in dem hippe, wohlhabende Leute bei einem Hafer-Cappuccino Camus lesen, im Eine-Welt-Laden Avocados kaufen oder sich in Fairtrade-Sexshops vergnügen. Vielmehr ist Deutschland ein trauriger Kleinstadtrummel, bei dem alle sich gegenseitig im Autoscooter frontal rammen und sich wohlstandstechnisch auf dem Freefall-Tower befinden.

Das haben Sie, Merz, richtig erkannt. Dass Sie für diese Feststellung allerdings vom Publikum gefeiert wurden, erklärt sich uns nur durch dessen Kirmes im Kopf.

Beobachtet das Geschehen vom Riesenrad aus: Titanic

Apropos: Jaja, Friedrich Merz …

Dass Sie – im Gegensatz zu Ihrer Partei – die viel beschworene Brandmauer zur AfD um jeden Preis aufrecht erhalten wollen, bekräftigten Sie ein weiteres Mal. Auf Nachfrage sagten Sie: »Ein Nein ist ein Nein, auch auf kommunaler Ebene.«

Sorry, dass wir olle Kamellen aufwärmen, aber so ein »Nein heißt nein« klingt doch etwas unglaubwürdig aus dem Munde eines Politikers, der einst gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt hat. Finden Sie nicht?

Findet schon: Titanic

Ob das eine gute Idee ist, British Telecommunications?

Als einer von Großbritanniens größten Kommunikationsdienstleistern betreibst Du unter anderem die berühmten roten Telefonzellen, die allerdings außer für Lösegeldforderungen und Rauschmitteldeals keinem Zweck mehr dienen. Darum hast Du nun angekündigt, die pittoresken Blickfänger für einen symbolischen Betrag den britischen Kommunen zu verkaufen, damit diese einen neuen Verwendungszweck für sie finden. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir lesen werden, dass die Tories die erste Telefonzelle in eine Mehrbettunterkunft für Geflüchtete umgewandelt haben.

Orakeln Deine politischen Hellseher/innen von Titanic

Auf ganz heißer Spur, »Frankfurter Rundschau«,

warst Du kurz nach dem Absturz des Flugzeugs des russischen Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin. Über den Fall gebe es »neue Details«: »Der Bericht nährte zusätzlich die andauernden Spekulationen, dass der Absturz nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte.« Falls Du einmal die Gewissheit haben solltest, dass ein Flugzeugabsturz mit rechten Dingen zuging, möchte diese Details bestimmt nicht erfahren: Titanic

Keine Angst, Constantin Schreiber!

Sie mussten bei einer Lesung in Jena nähere Bekanntschaft mit einer Sahnetorte machen. Daraufhin gaben Sie nun in der Zeit bekannt, nichts weiter zu den Themen krimineller Islamismus, Clan-Wahn und Kopftuchmafia sagen zu wollen: »Ich werde mich zu allem, was mit dem Islam auch nur im Entferntesten zu tun hat, nicht mehr äußern. Ich werde keine Bücher dazu schreiben, ich lehne Talkshow-Anfragen ab, ich mache das nicht mehr. Ob das ein Gewinn ist für die Meinungsfreiheit und für den Journalismus, ist eine andere Frage.«

Da können wir Sie beruhigen, Schreiber. Auch ohne Ihre tendenziösen Schockreportagen und Houellebecq nacheifernden Romane wird es weiterhin reichlich Persönlichkeiten geben, die bereitwillig Ihre Thesen von der Islamerer-Gefahr und der Überfremdung wöchentlich bei Lanz, Maischberger und Co. zum Besten geben werden. Es mag Ihnen noch nicht aufgefallen sein, aber es gibt sogar ganze Parteien, deren populistisches Geschrei praktisch deckungsgleich mit Äußerungen von Ihnen, einem Sprecher der Tagesschau, sind. Und ob das wiederum ein Gewinn für den Journalismus ist, können Sie ja mal in Ihrem nächsten Buch untersuchen.

Empfiehlt Ihnen Titanic

Grüß Dich, Stachelbeere!

Von Dir dachten wir bisher, wir wüssten einigermaßen Bescheid. Keine Ahnung hatten wir! Bis wir die NZZ in die Hände bekamen: »Die Stachelbeere galt lange als spießigste aller Sommerbeeren.« Wie konnte das an uns vorbeigehen? »Im Gegensatz zu ihrem Namen tut ihr Stachel gar nicht weh.« Toll, Du bist die erste Beere der Naturgeschichte, deren Name wehtut. »Stachelbeeren werden geputzt, indem der Stiel und die Blütenenden mit einer Küchenschere abgeschnitten und dann kurz mit Wasser abgebraust werden.« Dann sind zwar Stiel und Blütenenden nass, aber wie wirst Du davon sauber? »Der Gaumen erinnert sich beim Verspeisen an einen süßen Sirup, der als Kind besonders gut geschmeckt hat.« Außer, der Gaumen ist etwas zerstreut und hat vergessen, dass der Sirup mal ein Kind war.

»Stachelbeeren haben einen schönen Knack.« Wir aber haben jetzt einen schönen Knacks, Stachelbeere, nämlich einen Stachelbeeren-Knacks, und rühren Dich bizarres Früchtchen auf keinen Fall mehr an. Oder zumindest nicht die NZZ-Kulinarikseiten. Die machen nämlich Sodbrennen.

Stichelt gern: Titanic

Haha, Daniel Günther!

Sie haben tatsächlich im Juni dieses Jahres auf der Kieler Woche »Layla« mitgegrölt? Auf der Bühne euphorisch »Schöner, jünger, geiler!« ins Mikro gejohlt? Also unsereins hat ja schon eine lange Leitung, wenn uns das bis jetzt entgangen ist. Aber mit einer solchen Verzögerung und mit beiden Beinen ins Vorjahres-Fettnäpfchen zu springen, da können wir nicht mithalten – Chapeau!

Rechnen mit einer Reaktion in zwei bis drei Werkjahren:

Ihre Puffmütter von Titanic

Liebe »Taz«!

In einem unserer Lieblingskinderbücher muss man den kleinen Kaninchen alles tausendmal erklären, bis sie es endlich verstehen, und also »gern« noch mal: »Cancel Culture und Literatur: Einen Gang runterschalten, bitte« – wie vor dem Überholen? Um dann im kleineren Gang aufs Gas zu steigen?

Metapherngegurke und Journalismus: einfach mal auf die Bremse steigen!

Rät Deine Titanic

Aufgepasst, Bundeswehr!

Auch Du leidest seit längerer Zeit unter Fachkräftemangel und buhlst um neues Personal. Natürlich sind wir froh, hast Du doch noch keine Teilmobilmachung angeordnet, aber dieses HR-Gequassel auf Deiner Website von wegen »Der Mensch im Fokus« nimmt Dir niemand wirklich ab. Vielleicht würde es besser funktionieren, wenn Du den Menschen mal ins Visier nehmen würdest? Oder vielleicht gleich einen Headhunter engagieren?

Empfehlen Deine HR-Profis von der Titanic

Weißt Du noch, Achim Frenz,

wie Du mit der Gruppe »Visuelle Opposition« die Kneipen von Kassel unsicher gemacht hast? Sponti-Zeit, »Nonsens statt Konsens« und Neue Frankfurter Schule – das alles kumulierte in der Schnapsidee, im Jahr 1987 eine Gegenveranstaltung zur ganz und gar nicht komischen Documenta zu organisieren: Die Caricatura war geboren. Und weil Du damals voller Tatendrang stecktest, hast Du nebenbei auch noch Dynamo Windrad gegründet und Dich mit den Genoss/innen bis vor das Bundesverfassungsgericht geklagt.

Doch was ist passiert, alter Mann? Als TITANIC-Herausgeber hast Du bereits in der Chefetage unseres Magazins die Füße hochgelegt. Nachdem Du unzählige Ausstellungen zur Neuen Frankfurter Schule organisiert, das Festival der Komik ins Leben gerufen, der Komischen Kunst eine Heimat in Frankfurt gegeben hast und als Kaiser des Reiches durch die Stadt gestiefelt bist (siehe Heft 12/16), willst Du jetzt auch noch den Job als Direktor des Caricatura-Museums an den Nagel hängen? Wer poliert dann jeden Morgen, kurz bevor die Sonne aufgeht, das Geweih des Elches vor dem besten Museum der Welt?

Fragt motiviert

Deine Titanic

Heißen Dank, liebe Feuerwehr Hamburg!

Mit Deiner Kampagne »Feuer im Herzen« brennst Du alte Grenzen des Marketings nieder: Hier wird nun also das, was es zu bekämpfen gilt, umarmt, willkommen geheißen und sogar ins Herz geschlossen. Andere städtische Dienstleistungsunternehmen werden sich dem Beispiel zweifellos anschließen, und so freuen wir uns schon auf Imagekampagnen wie: »Fäkalien im Herzen – Stadtreinigung Bremen«, »Verkehrspolizei Neuruppin – Auffahrunfall im Herzen« oder »Herzversagen im Herzen – Marienhospital Osnabrück«.

Herzliche Grüße von Deinen Marketingpros der Titanic

Hey, Du Wurm im Menschenhirn,

ganze acht Zentimeter lang, wurdest in Canberra (Australien) im Hirn einer Patientin entdeckt und musstest operativ entfernt werden. Wie es der 64jährigen danach ging, konnten wir dem SZ-Artikel nicht entnehmen, aber Du wurdest zu unserer Erleichterung lebendig und zappelnd geborgen.

Hineingeraten warst Du wohl bei der Nahrungsaufnahme als unentdecktes Wurm-Ei. Dass Du dann lieber in der Denkmorchel als in Dünn- oder Dickdarm abhingst, spricht für die Wirtin. Wenn es keine wilden Gedankenfeuerwerke zu beäugen gegeben hätte, wärst Du doch lange vor der Notwendigkeit einer OP gelangweilt durch ein Nasenloch hinausgekrochen. Jetzt, wo Du obdachlos bist, kannst Du gern jederzeit die Lounge in unserem Oberstübchen testen. Da wird Dir in puncto Unterhaltung und Chaos auch einiges geboten!

Versprechen Deine Denkakrobat/innen von Titanic

Hallo, Sonnenschein »Computer Bild«!

Du titelst unkend »Solaranlagen: Wie hoch ist die Brandgefahr?«, und die meisten Leser/innen werden es bereits vermuten: nicht hoch. Was Nachdenken erledigt, hätte aber auch ein Blick in das zum Artikel gehörende Video getan: Dort zeigst Du überhaupt nur ein Bild eines brennenden Hausdaches mit Solaranlage, und darauf steht so ziemlich alles in Flammen – bis auf die Solaranlage!

Wofür sind wir im Zeitalter der Desinformation, wenn Du es nicht mal schaffst, ein paar dramatischere Bilder zu finden?

Stromert enttäuscht davon:

Deine Titanic

Ganz schön was los bei Dir, Kreispolizeibehörde Euskirchen!

Erst haben Kinder und Jugendliche an der Gesamtschule eine sogenannte »Hot-Chip-Challenge« veranstaltet und dabei sauscharfe Chips gefuttert. Atemnot und Notruf folgten, für den Löscheinsatz wurden alle Milchvorräte der Schule akquiriert.

Doch damit nicht genug, nerven Dich nun auch Leute mit ihren nächtlichen Backmanövern. Nach dem Verzehr von selbstgebackenen Keksen hatten drei Männer bei Dir angerufen. Sie hätten sich »kaum verständlich artikulieren« können und wussten auch nicht mehr, wo sie genau waren. Was in den Keksen steckte, werde »derzeit noch ermittelt«.

Liebe Kreispolizeibehörde Euskirchen, lass uns kurz brainstormen, welche Ingredienzen drei junge Männer mitten in der Nacht in Kekse packen könnten, sodass sie sich danach unverständlich ausdrücken. Monster Energy? Eine Überdosis Butter? Warten gespannt auf die Ergebnisse Deiner Ermittlungen:

Deine Backexpert/innen von Titanic

Lieber Robert Gernhardt!

Dass den nach Dir benannten Literaturpreis dieses Jahr niemand anders erhalten hat als Ulrike Almut Sandig, und zwar für ihren Roman »Die Düne« – wie findste denn das? Bitte? Ein wüstes Wortspiel? Ein allzu trockener Kalauer? In dem aber ein Körnchen Konsequenz steckt?

Dachte sich’s schon:

Deine Titanic

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

 Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Lieber Jörg Metes (5.1.1959–16.6.2024),

Du warst der jüngste TITANIC-Chefredakteur aller Zeiten. Du warst der Einzige, der jemals eine klare Vorstellung davon hatte, wie das ideale Heft aussehen musste, und hast immer sehr darunter gelitten, dass sich Deine Utopie nur unzureichend umsetzen ließ. Aus Mangel an Zeit und an Mitarbeiter/innen, die bereit waren, sich Nächte um die Ohren zu schlagen, nur um die perfekte Titelunterzeile oder das richtige Satzzeichen am Ende des Beitrags auf Seite 34 zu finden.

Legendär der Beginn Deiner satirischen Tätigkeit, als Du Dich keineswegs über einen Abdruck Deiner Einsendung freutest, sondern Robert Gernhardt und Bernd Eilert dafür beschimpftest, dass sie minimale Änderungen an Deinem Text vorgenommen hatten. Das wurde als Bewerbungsschreiben zur Kenntnis genommen, und Du warst eingestellt. Unter Deiner Regentschaft begann die Blütezeit des Fotoromans, Manfred Deix, Walter Moers und Michael Sowa wurden ins Blatt gehievt, und manch einer erinnert sich noch mit Tränen in den Augen daran, wie er mal mit Dir eine Rudi-Carrell-Puppe vor dem iranischen Konsulat verbrannt hat.

Nach TITANIC hast Du viele, die ihr Glück weder fassen konnten noch verdient hatten, mit Spitzenwitzen versorgt und dem ersten deutschen Late-Night-Gastgeber Thomas Gottschalk humortechnisch auf die Sprünge geholfen. Und dass River Café, eine deutsche Talkshow, die live aus New York kam, nur drei Folgen erlebte, lag bestimmt nicht an Deinen Texten. Auf Spiegel online hieltest Du als ratloser Auslandskorrespondent E. Bewarzer Dein Kinn in die Kamera, und gemeinsam mit Tex Rubinowitz hast Du das Genre des Listenbuches vielleicht sogar erfunden, auf jeden Fall aber end- und mustergültig definiert, und zwar unter dem Titel: »Die sexuellen Phantasien der Kohlmeisen«. Und diese eine Geschichte, wo ein Psychiater in ein Möbelhaus geht, um eine neue Couch zu kaufen, und der Verkäufer probeliegen muss, wo stand die noch mal? Ach, in der TITANIC? Sollte eigentlich in jedem Lesebuch zu finden sein!

Uns ist natürlich bewusst, dass Du auch diesen Brief, wie so viele andere, lieber selber geschrieben und redigiert hättest – aber umständehalber mussten wir das diesmal leider selbst übernehmen.

In Liebe, Deine Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster