Briefe an die Leser | Mai 2022


Herrschaftszeiten, Wladimir Putin!

Offenbar als einen der letzten Versuche, im über Dein marodes Reich reinbrechenden Embargo- und Sanktions-Tsunami noch irgendwie Haltung zu wahren, hast Du zum Beginn des Monats die Verträge für russische Gaslieferungen auf Rubel umstellen lassen. Konkret heißt das, wie wir dem Handelsblatt entnehmen, dass die Abnehmenden (also die nicht befreundeten Staaten) »zwei Konten – ein Fremdwährungskonto und ein Rubel-Konto – bei der Gazprombank unterhalten … Gazprom-Kunden überweisen dann ihre Zahlungen in ausländischer Währung auf das entsprechende Konto, woraufhin die Bank an der Moskauer Börse Rubel dafür kauft. Diese werden dem Rubel-Konto des Käufers gutgeschrieben und auf ein Konto des Lieferanten Gazprom nach Russland überwiesen.«

Pff, wie langweilig! Bist Du statt eiskalter Auto- jetzt auch Bürokrat? Wir hatten uns das so vorgestellt, dass Robert Habeck einen Sack mit Euroscheinen zum Roten Platz schleift, den Inhalt in der nächsten Wechselstube (Operatsionnaya Kassa) zum Tageskurs in Rubel umtauscht, diese dann zum Kreml rollt und dafür unter den strengen Augen einer Deiner Apparatschiks persönlich für ein paar Minuten den Gashahn aufdrehen darf. Das wäre eines Superschurken würdig! Und krumme Geschäfte tätigt man in unserem Kulturkreis noch immer mit großen, unmarkierten Banknoten; frag mal Briederchen Gerd.

Den Witz mit der IWAN-Nummer spart sich diesmal: Titanic

Schnappatmung, liebe »Welt«,

haben wir bekommen, als wir diese Überschrift in Deinem Online-Wirtschaftsteil lasen: »Die Deutschen unterschätzen ihre wichtigste Vermögensquelle«. Den Artikel dazu konnten wir zwar nicht lesen, weil er sich hinter der Bezahlschranke verbarg, und Du weißt ja, wir müssen alle sparen – aber der Teaser war eindeutig: »Beim Vermögen denken die meisten an Wertpapiere, Rohstoffe, Immobilien oder Sparkonten. Ihr wertvollstes Kapital haben die Deutschen aber kaum im Blick.«

Na klar! Du meinst die selbstgemachten Stoffmasken, die seit 2020 zu Hunderten in unseren Kleiderschränken lagern, haben wir recht?

Danken für den Fingerzeig: die Nähmaschinen von Titanic

Holla, »Bild«-Chefredakteur Johannes Boie!

Am 7. April wurde in einigen größeren Städten mal wieder eine kostenlose Sonderausgabe Ihrer unguten Publikation in die Briefkästen gestopft. Auf dieser stand in großen Buchstaben das Wort »WIR« gedruckt, da Sie sich von der aktuellen Stimmung angesichts des Krieges Russlands gegen die Ukraine vermutlich ein wenig Aufschwung im Kampf gegen die schrumpfende Auflage erhofften.

»Das WIR-Gefühl bedeutet zu wissen: Ich gehöre dazu. Auf dem Marktplatz, im Freibad, am Strand, im Wahllokal, in der Kneipe, bei der Arbeit«, erklärten Sie darin. »Wir sind nicht alle befreundet. Wir sind nicht immer einer Meinung. Wir kennen uns noch nicht mal alle gegenseitig. Aber wir gehören zusammen. Wir, das sind alle, die an dieselben Werte glauben: Demokratie! Freiheit! Gerechtigkeit! Wir, das ist das beste Gefühl, das es gibt.«

Was aber doch, Herr Boie, eigentlich nur dann gilt, wenn es gegen jemanden gerichtet wird! Gegen Putinversteher und Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel, gegen Wehrkraftzersetzer, Kriminelle und Schmarotzer! Gegen schwänzende Schülerinnen, übergeschnappte Frauen, bremsende Wissenschaftler:innen und jeden Gender-Wahnsinn. Das müssten Sie als Nachfolger von Julian Reichelt doch besser wissen als jeder andere.

Ab morgen in der regulären Bild dann bitte wieder mit ein bisschen mehr Ernst.

»Die« von Titanic

Verschnupft, US-Biotechnologin Nicole Brackett,

reagierten wir auf Ihren Vorschlag, mittels der Gen-Schere »Crispr« allergenfreie Katzen zu basteln. Möglich wäre das, weil nicht die Haare der Stubentiger schuld an den Allergien sind, sondern Eiweißverbindungen im Speichel. Das dafür verantwortliche Gen wollen Sie und Ihr Team nun aus der Katze rausschnippeln, wie wir auf orf.at lasen: »Erste Versuche, das Gen aus Katzenzellen im Labor mittels Crispr zu schneiden, seien zufriedenstellend verlaufen, schreiben die Fachleute in einer Studie.«

Natürlich wäre es schön, wenn sich von Allergien geplagte Katzenfreunde ein genetisch maßgeschneidertes Samtpfötchen nach Hause holen könnten. Aber wenn man schon dabei ist, Haustiere zu optimieren, gäbe es da nicht dringendere Veränderungen? Warum nicht Hamster erzeugen, die tagsüber fidel sind? Oder Goldfische, die ihre Besitzer nicht nach drei Sekunden vergessen haben? Und natürlich und zuvorderst Hunde, deren Kot bereits vor Verlassen des Körpers in Plastiksäckchen steckt?

Fragt ohne Gen-Schere im Kopf: Titanic

Du, Polizei Hagen,

berichtest in einer ausführlichen Pressemitteilung aufgeregt von einem »betrunkenen Lügner«, der Dir »gegen 3:30 Uhr Sonntagmorgen« ins Netz gegangen sei, und Du zählst die von ihm vorgebrachten Unwahrheiten akribisch auf: »1. Lüge: Nein, ich habe nichts getrunken. Der anschließende Alkoholtest ergab einen Wert von rund 1,3 Promille«, »2. Lüge: Ja, ich habe einen bulgarischen Führerschein und Ausweis. Bei der anschließenden Dokumentenüberprüfung wurde festgestellt, dass beide Dokumente Totalfälschungen sind und der Mann keine Fahrerlaubnis besitzt.«

Auch seine Behauptung, er »wohne in Hagen und Drogen habe ich noch nie genommen«, sowie die, wonach er »ein unbescholtener Bürger« ist, enttarntest Du knallhart als weitere »Lügen« und das ist natürlich starker Tobak, klar. Aber lass uns angesichts Deiner rührenden, beleidigt-paternalistischen Empörung ob der Verlogenheit dieses Knilchs einmal kurz im Vertrauen sprechen: Was hast Du denn erwartet? Du bist halt, äh, na ja, wie sollen wir es sagen, die Polizei!

Immerhin ehrlich zu Dir: Titanic

Ciao, Silvio Berlusconi!

»Ich kann und will nicht verhehlen, dass ich zutiefst enttäuscht und traurig bin über das Verhalten von Wladimir Putin«, sagten Sie in Rom bei einer Veranstaltung Ihrer Partei: »Ich kenne ihn seit etwa 20 Jahren, und er erschien mir immer als Mann mit gesundem Menschenverstand, ein Mann der Demokratie und des Friedens.« Mamma mia, Berlusconi!

Und das sagen Sie uns erst jetzt?! Hätten Sie uns von Ihrer Einschätzung denn nicht eher wissen lassen können, so vor 19 Jahren vielleicht? Angesichts Ihres Urteilsvermögens hätte dann alle Welt ganz sicher gewusst, dass Putin über keinerlei gesunden Menschenverstand verfügt und ein Mann der Diktatur und des Krieges ist!

Enttäuscht und traurig: Titanic

Hallo »Deutschlandfunk Kultur«,

damit sich Deine Zielgruppe in ihrer Kultiviertheit selbst bestätigen kann, postest Du in regelmäßigen Abständen gefühlige Instagram-Kacheln zum akademischen Wohlfühltopos »Lesen«. Dort zitierst Du dann allgemeingültige Phrasen zum Thema u.a. von Kultautor/innen wie Cornelia Funke oder, ganz wichtig, Roger Willemsen. Da müssen Deine Follower nicht lange nachdenken und können sich dem Like-Impuls direkt hingeben. So weit, so verständlich. Stutzen mussten wir allerdings bei der Pascal-Variation eines nicht näher bekannten Antiquars: »Das ganze Elend dieser Welt resultiert ja nur daraus, dass der Mensch nicht in der Lage ist, allein im Zimmer zu sitzen und ein Buch zu lesen.«

Aha. Hätte also Bashar al-Assad einfach mal bei einer Tasse Yogi-Tee »Die wilden Hühner« lesen sollen? Und wäre Putins Herz bei der Lektüre des kleinen Prinzen aufgetaut? Halten wir für eine steile These. Aber vielleicht sind wir auch einfach nicht belesen genug, um aus unserem zynischen Elend zu entkommen.

Gibt Dir kein Tintenherz für diesen Beitrag Titanic

Jemenitische Huthi-Rebellen!

Wir waren, zugegeben, noch nie Eure größten Fans. Aber Euer Drohnenangriff neulich auf eine Ölraffinerie in der Nähe der Formel-1-Strecke im saudi-arabischen Dschidda während eines Trainings: Huthi ab! »Die Fahrer konnten in ihren Autos den Geruch des verbrannten Benzins riechen, die riesige Rauchwolke am Himmel sehen«, las man bei Bild. Und zum ersten Mal fanden wir Autorennsport beinahe unterhaltsam.

Gibt Gummi: Titanic

Sie, Musikproduzent Leslie Mandoki,

würden den alten Dschinghis-Khan-Hit »Moskau« erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder spielen, wenn Sie damit den Ukraine-Krieg beenden könnten. Der Deutschen Presse-Agentur schmetterten Sie ins Mikrofon: »Ich habe das Lied seit etwa 40 Jahren nicht mehr gesungen und werde es auch nie wieder singen – es gäbe nur einen einzigen Grund, das zu tun: Wenn ich die russischen Soldaten damit davon abbringen könnte, auf ihre ukrainischen Schwestern und Brüder zu schießen.«

Ob die sich allerdings überzeugen ließen, im Feindesland weiter zu wüten, ist angesichts der von Ihnen im fröhlichen 4/4-Stampf vertonten Zerstörungsorgien (»Wirf die Gläser an die Wand«), Plünderungen (»Doch im Keller ist noch mehr«), Vergewaltigungsfantasien (»Mädchen sind zum Küssen da«) sowie territorialen Besitzansprüchen (»Spiegel der Zarenzeit«) eher zweifelhaft. Darum hoffen wir zumindest auf weitere 40 Jahre Frieden für unsere Ohren.

Ho, ho, ho, ho, ho, hey! Titanic

Late Night Berlin!

Eingedenk des Kriegs in der Ukraine wurde die Sendung vom 8. März. ein wenig anders als gewohnt gestaltet. Zum Talk im Studio waren Erik Marquardt (MEP, kurz vorher in Lwiw), Louis Klamroth (Schauspieler und Moderator, dokumentierte das Eintreffen von Geflüchteten am Berliner Hauptbahnhof) und Anna Dushime (Journalistin und Autorin, selbst vor dem Völkermord in Ruanda geflohen).

Komplettiert wurde die Runde von Sophie Passmann. Die Autorin und »geschätzte Freundin« referierte über »Social Media in Kriegszeiten« und gab zu Protokoll, sie habe keine Ahnung, ob sie überhaupt etwas posten solle. Und da fragen wir uns: Wieso wurden nicht noch weitere geschätzte Freund/innen eingeladen? Hätte nicht auch Sido etwas zu Rap in Kriegszeiten, Joko Winterscheidt seine Ideen zu Start-ups in Kriegszeiten oder Knossi Tipps zu Online-Glücksspielen in Kriegszeiten vortragen können?

Dann lieber All Night Frankfurt: Titanic

Sie, Uwe Bohm,

waren Schauspieler und sind jetzt viel zu früh verstorben. Das tut uns leid. Die Braunschweiger Zeitung verriet in Ihrem Nachruf : »Bohm hatte vier Kinder von fünf Frauen.« Und damit, Uwe Bohm, sind Sie für uns unsterblich.

Ihre Patchworker der Titanic

Heiliger Bimbam, Wiener Dompfarrer Toni Faber!

Mitten in der Nacht haben neulich die Glocken des Stephansdoms für 20 Minuten geläutet, wohl weil ein Hacker sie über eine Internetverbindung erklingen ließ. Der Süddeutschen Zeitung sagten Sie, dass Sie deshalb nicht nur sofort »in die Socken gesprungen« seien, sondern auch: »Dann bin ich in den Dom hineingegangen, aber mit Vorsicht, ich wusste ja nicht, sind da drinnen Verbrecher am Werk? Es war aber alles zu.« Nun ja, Faber, schöner als mit der Evidenz einer leeren katholischen Kirche hätte man kaum ausdrücken können, dass diese frei von Verbrechern ist. Sind von dem fast schon transzendenten Gebimmel in Ihren Worten von den Socken: Ihre Oberglöckner von der Titanic

Sind Sie, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir,

gerade ein bisschen schlecht drauf? Auf die Frage der Taz jedenfalls, ob es vorstellbar sei, dass Sie im Alter zurück aufs Land gehen würden, sagten Sie: »Ich weiß es nicht. Meine Eltern sind beide in meinem Geburtsort Bad Urach beerdigt worden.« Und weiter: »Ich habe das für mich noch nicht entschieden, wo ich mal beigesetzt werden möchte. Aber ich würde jetzt nicht ausschließen, dass das am Ende auch der Ort wird, wo ich geboren bin und auch sehr schöne Jahre meines Lebens verbracht habe.« Aufs Land gehen ist für Sie demnach mehr ein ins bzw. sogar unter Land gehen. Für einen Landwirtschaftsminister ist das zwar recht konsequent, aber wie schön Ihre auf dem Land verbrachten Jahre tatsächlich waren, dass Sie sich das dann lieber von unten anschauen, will am Ende echt nicht wissen: Titanic

Liebe Corona-Fallzahlen,

müsst Ihr uns immer wieder von neuem so dermaßen in Aufregung versetzen? Ihr seid einfach sehr unsensible Daten!

Verletzt und aufgewühlt: Titanic

Was ein Glück, Gérard Depardieu,

dass Sie so gut befreundet sind mit dem russischen Präsidenten und sozusagen auf toi et toi avec Monsieur Putin stehen. Nachdem Sie vor nicht allzu langer Zeit noch geglaubt hatten, ihn in den höchsten Tönen bejubeln zu müssen, haben Sie ihm nun »verrückte und inakzeptable Exzesse« vorgeworfen; weil man einem guten Freund ja von Zeit zu Zeit auch mal die eine oder andere unbequeme Wahrheit stecken darf. Worauf der Kreml relativ wohlwollend reagierte: Sie hätten da anscheinend etwas nicht ganz richtig verstanden und man werde Ihnen den »Ukraine-Konflikt« gerne »erklären«.

Seien Sie also froh und dankbar, dass man netterweise und aus reiner Freundschaft bereit ist, Ihnen die Lage zu erklären und nicht etwa den Krieg.

A votre santé! Titanic

Augenklinik Zürich!

Unter dem Motto »Erlebnis Auge« lädst Du zum Tag der offenen Tür ein. Die dazugehörige Plakatillustration zeigt einen gigantischen Augapfel, dessen Linse wie eine Tür aufgeklappt ist. Aus dem Loch der Pupille rollt sich dem Betrachter ein langer, blutroter Teppich entgegen. Ist dies, liebe Zürcher Augenklinik, Deine kaum verhohlene Art, Versuchskaninchen für Deine neuesten chirurgischen Experimente anzulocken?

Deine Einladung zum »Erlebnis Auge« schlägt jedenfalls dankend aus: Titanic

Eins noch, Putin!

Ihr jahrelanger Protest gegen die Nato-Osterweiterung war ja vielleicht nicht vollends aus der Luft gegriffen: Seit 1999 hat sich die Nato um weitere osteuropäische Länder vergrößert.

Nur, Putin: So, wie Sie sich jetzt durch die Ukraine bomben, nur um zu verhindern, dass auch die noch Nato-Mitglied wird – jetzt stehen bereits Schweden, Finnland und andere Länder, die das nie vorgehabt hatten, bei der Nato auf der Matte. Wir meinen nur: Schon mal was von self fulfilling prophecy gehört? Ein Mann, der sich angesichts eines heranrückenden Gegners bereits umzingelt wähnt, verhält sich gern so, dass er tatsächlich umzingelt wird!

Wenn Sie so weitermachen, werden irgendwann China und Nordkorea einen Antrag auf Nato-Mitgliedschaft stellen. Und dann wird der Tag kommen, wo Ihnen Ihre Geheimdienstchefs reinen Wein einschenken werden: Auch Ihre Frau, Ihre Ex-Frau, Ihre Töchter, Ihr Eishockeyverein, Ihr Labrador und Ihr Pferd sind längst heimlich in der Nato! Die Stunde des Einzelkämpfers wird angebrochen sein: Einer allein gegen den Westen!

Nur zu, Sie schaffen das. Titanic

Bemerkenswert finden wir, wie Du, Johanna Klum,

die inhaltliche Ausrichtung Deiner Moderations- und Testimonialjobs auswählst: Auf Dein Engagement als »Firmenbotschafterin« bei Ford folgte die von Dir beworbene Kampagne »Runter vom Gas!« sowie Werbung für den WWF. 2020 hast Du Dich dann von McDonald’s als Moderatorin der crazy Gameshow »McDonald’s Landleben« einkaufen lassen und die Kandidat/innen bei der Zubereitung des »besten Beefs« beraten. Und jetzt? Strahlst Du uns entgegen als Werbegesicht und Stimme des Lidl-Podcasts »Es gibt vegan, Baby!«. Da fragen wir uns: Versuchst Du mit jedem Job, das verlorene Karma des vorherigen wieder herzustellen, oder ist der Grund für Deine arg gegensätzlichen Jobs doch profanerer Natur?

Macht auch alles für Geld: Titanic

Lieber ZDF-Fernsehrat,

kürzlich warst Du auf Twitter etwas komisch. Auf ein Foto von Igor Levit, das einen Flügel und einen Klavierhocker mit darauf stehender Bierflasche zeigte, antwortetest Du: »Sieht ein bisschen aus wie Anal Intruding bei der Arbeit. Könnte aber auch Beethovens 1. Klavierkonzert sein!?« Es folgte ein heiterer bis irrsinniger Austausch mit Levit und anderen Twitter-Usern, der unter anderem Alkohol bei der Arbeit, Fäkalsprache, aber auch Chopin und den Hamburger Kultursenator Carsten Brosda umfasste.

Am nächsten Tag erklärtest Du: »Auf diesem Account wurde in einer Weise kommuniziert, die den Aufgaben, dem Selbstverständnis und den Gepflogenheiten des Gremiums in keiner Weise gerecht wird. Der Vorsitzende hat sichergestellt, dass so etwas nicht wieder vorkommt.« Und noch ein paar Floskeln mehr.

Die enthemmten Tweets waren allerdings auch zehn Tage später noch nicht gelöscht. Und tatsächlich wurde seitdem (bis Redaktionsschluss) überhaupt nichts mehr getwittert. Daher unsere Frage: Kann es sein, dass Du die einzige Person, die bei Dir das Internet beherrscht, vorschnell rausgeschmissen hast? Mitsamt Twitter-Passwort? Oder ist sie einfach immer noch verkatert?

Wie immer auf Seiten der besoffenen Witzbolde: Titanic

61jähriger Magdeburger,

der Sie sich 87-mal haben impfen lassen und dabei jedes Mal einen neuen gelben Pass mit ins Impfzentrum gebracht haben, um selbigen danach an Impfgegner zu verkaufen: Die Kriminalpolizei ermittelt nun zwar wegen Urkundenfälschung gegen Sie. Aber wir halten Ihre Aktion für die beste Impfkampagne von allen! Wenn Menschen einer Person gutes Geld zahlen, um sich einen Stoff nicht spritzen lassen zu müssen, weil sie nämlichen Stoff für lebensgefährlich halten, den sich ebenjene Person unbeschadet dutzendfach spritzen lässt – na, dann muss denen ja irgendwann ein Licht aufgehen! Andererseits: Wenn Sie sich jetzt noch mit Covid-19 infizieren sollten, wäre das natürlich auch nicht gerade ein Argument für die Impfung!

Attestiert Ihr Dialektikzentrum Titanic

Hamburger Gabelstaplerhersteller Jungheinrich,

Dein Aktienkurs »sackt ab« (Hamburger Abendblatt), bzw. »bricht ein« (finanzen.net), ist »tief im Minus« (finanzen.at), wird »nach unten« gezogen (Der Aktionär) oder um es ganz einfach zu sagen: »fällt deutlich« (Ariva). So ein Schiet aber auch! Ja, wenn es doch bloß irgendwelche Hilfsmittel gäbe, mit denen man etwas wieder anheben kann!

Meet you at the bottom: Titanic

Helene Fischer!

Sie sind nicht unbedingt dafür bekannt, sich politisch zu äußern, doch vor Kurzem haben Sie genau das bei einem Konzert in der Schweiz getan. »Ich verabscheue zutiefst, was da gerade vor sich geht, und vor allem diesen einen Menschen. Ich glaube, ihr wisst, von wem ich spreche. Dieser eine Mann, der zu viel Macht hat.«

Aber aber, Frau Fischer! Warum das Rumgedruckse? Sprechen Sie doch einfach aus, dass Olaf Scholz endlich aus dem Amt gejagt und vor Gericht gezerrt werden muss! Und am besten dann, wenn Sie in Deutschland auf der Bühne stehen.

Ein wenig enttäuscht: Titanic

Sie, US-Künstler Jeff Koons,

wollen mit Ihrem neuesten Werk hoch hinaus, wie wir der FAZ entnahmen: »Jeff Koons … verkündete gerade, er wolle bald von ihm geschaffene Skulpturen auf den Mond schießen und dort deponieren lassen.« Da sich Sammler/innen diese Meisterstücke dann schwerlich ins Wohnzimmer stellen können, gibt es die Mond-Gebilde hier auf Erden als digitale »Non-Fungible Token« (NFT) zu erstehen – die man sich nachher jedoch ebenso wenig ins Wohnzimmer stellen kann.

Wir verkneifen uns jetzt die Feststellung, dass es im All bereits ohne Ihre Kunst genügend Weltraumschrott gibt. Vielmehr möchten wir fragen: Warum Ihre Skulpturen? Wäre es nicht marketingtechnisch wie künstlerisch besser, wenn man einfach Sie, Koons, auf den Mond schösse?

Würde sich zwar auch davon kein NFT kaufen, aber einen Screenshot machen: Titanic

Huhu, »Süddeutsche Zeitung«,

unter der Überschrift »So sparen Urlauber Geld« notiertest Du die »zehn wichtigsten Tipps für einen günstigen Urlaub«. Die lauten beispielsweise: »Frühzeitig buchen«, »Preiswerte Reiseländer und Regionen aussuchen«, »Günstige Unterkünfte auswählen«, »Schnäppchenportale nutzen«, »Günstig an- und abreisen«. Danke, Süddeutsche! Wir dachten bisher immer, dass man als Urlauber Geld spart, wenn man kostspielig an- und abreist, teure Reiseländer, Regionen und Unterkünfte aussucht und um Schnäppchenportale einen großen Bogen macht.

Baff: Titanic

Sie wiederum, Clemens Tönnies,

waren als Großmetzger jahrelang sehr stolz auf Ihren Riecher im Schweinegeschäft und darauf, die Telefonnummern von Leuten wie Wladimir Putin oder Uli Hoeneß zu haben, mit denen Sie die Freude am autoritären Gehabe wie am Handwerk des Entleibens und Entbeinens teilen.

Entsprechend irritiert waren wir, dass Sie nach Kriegsbeginn eine ganze Woche brauchten, um zu begreifen, dass die alte Männerfreundschaft zu Putin vielleicht doch nicht mehr sonderlich geschäftsfördernd ist, und auf Distanz gingen: »Ich habe mich in ihm getäuscht.« Jaja, aber – und das ist die erfreuliche Nachricht – wir uns nicht in Ihnen.

Denn erst berichtete die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V., dass Ihr Schlachtkonzern »erleichtert« sei, es Ende 2021 »gerade noch rechtzeitig« geschafft zu haben, sein Russlandgeschäft zu verkaufen, und dann erwiesen Sie sich als der gewiefte Kriegsgewinnler, für den wir Sie schon vorher gehalten hatten: Die Firma Tönnies startete in Polen Anwerbeversuche für Geflüchtete aus der Ukraine, um für kleines Geld an Malocher/innen zu kommen. Dass Sie im anschließenden Shitstorm verlauten ließen, Sie hätten ja auch »lange haltbare Wurstkonserven gespendet«, war da nur folgerichtig.

Möchte von Ihnen im Leben nichts geschenkt: Titanic

Du, »Focus Online«,

lieferst in Deiner Rubrik »Praxistipps« sicherlich viele brauchbare Ratschläge. In erster Linie versuchst Du Dich dort aber freilich im Clickbaiting. Mit folgender Schlagzeile bist Du allerdings bei uns abgeblitzt: »Katze gurrt: Das steckt dahinter«. Zu eindeutig liegt hier auf der Hand, was dahintersteckt: eine verschluckte Taube.

Taube Ohren für Dich hat stets: Titanic

Mit Ihren Buchtiteln, Peter Hahne,

haben wir uns zugegebenermaßen immer ein bisschen schwergetan. Sie heißen »Nicht auf unsere Kosten!«, »Seid ihr noch ganz bei Trost!«, »Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen!«, »Finger weg von unserem Bargeld!«, »Niemals aufgeben!« Anders steht es um den Ihres neuen Buches: »Das Maß ist voll« (ohne Ausrufungszeichen!) bzw. genau genommen um den Untertitel: »In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung«.

Denn da, Hahne, müssen wir Ihnen ausnahmsweise vollumfänglich zustimmen: Auch wir sind der Meinung, dass Volksverdummung in Krisenzeiten rein gar nichts bringt. In normalen Zeiten dagegen? Erklären Sie's uns! In Sachen Verdummung sind Sie schließlich Experte.

Maßvoll wie immer: Titanic

Abgewiesener Elon Musk!

Der Berliner Club Berghain hat Sie nicht reingelassen, heißt es. Sie selbst wiederum behaupten, Sie hätten den Eintritt verweigert, weil auf der Außenfassade des Berghains »Peace« steht und Sie das Wort hassten, da alle, denen »Peace«, also Frieden, wirklich etwas bedeutet, das Wort nicht hören (oder lesen) müssten. Interessant, aber lassen Sie derart abenteuerliche Erklärungen doch einfach sein, ist ja keine Schande: Das Berghain hat uns wegen eines Drogenrausches auch schon mal nicht reingelassen, und alle Welt weiß ja, dass Sie auf einem gigakrassen E-Trip sind!

Peace! Titanic

Der technische Fortschritt, liebe Kühe,

macht auch vor Paarhufern nicht halt. So lasen wir beim Redaktionsnetzwerk Deutschland folgende Geschichte, die wirklich auf keine, tja …, Ihr wisst schon wessen Haut geht: »Mithilfe von VR-Brillen, auf denen ein Video einer grünen Weidelandschaft abgespielt wurde, sollte die Milchproduktion von Kühen angeregt werden … Ein türkischer Landwirt hatte berichtet, dass die Milchleistung zweier seiner Kühe deutlich gestiegen sei, seit diese täglich für 20 Minuten VR-Brillen trügen. Mehrere Experten halten einen solchen Effekt aber für nicht plausibel.«

Sehr wohl plausibel scheint uns, dass diese Brillen (steht das »VR« dann eigentlich für »Vieh-Rind«?) leider nur der Anfang waren. Am Weidehorizont sehen wir bereits weiteren Hightech-Firlefanz heraufziehen, der Euch zukünftig vorgaukelt, Ihr wäret nicht in einem Stall gefangen: Herden-Social-Media, lästige Fliegen-Drohnen und zuletzt KI – Kühnstliche Intelligenz. Aber eines ist klar: Sollten sich alle derart hochtechnisierten Nutztiere – Termuhnatoren wie Cyporks – verschwören und gewaltsam die Weltherrschaft übernehmen, ist am Ende der Mensch selbst der Gehörnte. Und darauf würde mit Euch feierlich ein Glas Sojamilch heben: Titanic

Richtig kreativ, »Berliner Zeitung«,

bist Du geworden, um die Übergangszeit zu beschreiben, in der es »nicht mehr bitterkalt, aber auch noch nicht sommerlich heiß« ist. Diese »ganz neue Jahreszeit« hast du den »Winter-Sommer« getauft. Bravo! Und Schande über die deutsche Sprache, dass es für diese laue Zeit zwischen Winter und Sommer noch keinen passenden Begriff gab. Auch wir werden uns keinen ausdenken, sondern bei Deiner perfekten Neuschöpfung bleiben.

Machten sich ergo einen faulen Lenz: Deine Frühblüher bei Titanic

Hach, Galileo.tv,

bei Dir lasen wir in einer Artikelzusammenfassung zum Marianengraben: »In 800 bis 6000 Metern Tiefe sprudeln ›Raucher‹ aus dem Meeresboden«, und wo wir – egal wohin wir kommen – inzwischen rausgeschickt werden und auch nur noch ziemlich wenige sind, wenn es ans Qualmen geht, hatten wir kurz Nachwuchs-Hoffnung. Aber es handelt sich leider nur um »bis zu 400 Grad heiße Quellen«, wie wir beim Weiterlesen erfuhren.

Raucht einsam weiter: Titanic

Wenn Ihr, liebe Kollegen von Europas ehemals größter Filmzeitschrift »Cinema«,

ein berühmtes Zitat auch noch mit dem Hinweis verseht, dass es jeder kenne, dann ist es wichtig, dass Ihr das Zitat auch wortgetreu bringt und nicht grob aus dem Gedächtnis, auch wenn es sich um eine Synchronfassung handelt. Bill Murrays berühmter Satz in Ghostbusters war ja gerade deshalb berühmt, weil er so lakonisch war: »Er schleimte mich voll.« Und nicht »Iiiiih, er hat mich vollgeschleimt«.

Falls Ihr unseren Einwand übertrieben penibel findet, dann freuen wir uns schon auf Apocalypse now (»Ich liebe den Geschmack von Napalm am Abend«), Blues Brothers (»Wir sind nicht streng religiös, aber für eine gute Sache unterwegs«), Harry und Sally (»Ich hätte gerne einen Salat und dann einen Orgasmus«), Highlander (»Es kann keine zwei geben«), Star Wars (»Ich bin einer deiner Elternteile«), Terminator (»Hasta la vista, Señor!«) und natürlich Casablanca (»Wieso sehen wir eigentlich nicht den ganzen Tag unsere Nasen?«)

11 Oscars für Titanic

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg