Inhalt der Printausgabe

»Wäre Marilyn Monroe an der Seite einer kleinen, dürren, pickeligen, ihr Leben lang Zahnspange tragenden Schwester durchs Leben gegangen, hätte man sagen können: Frankfurt und Offenbach wirkten nebeneinander wie die Monroe-Schwestern.« Dies schreibt der in Berlin und Südfrankreich lebende, in Frankfurt aufgewachsene Kriminal- und anderweitige Schriftsteller Jakob Arjouni in seinem Roman »Kismet«, der, wie alle Romane um den türkisch-deutschen Privatdetektiv Kayanka, selbstverständlich in Frankfurt spielt; und nicht in Offenbach. Denn was spielt schon in Offenbach? Nicht einmal die Fußballer der Offenbacher Kickers spielen ja im eigentlichen, im engen Sinne; und sind zuletzt im sog. Main-Derby entsprechend klanglos von den die höhere Fußballkunst ja auch nicht erfunden habenden Frankfurtern aus dem Wettbewerb um den DFB-Pokal entfernt worden (0:3).

 

Auch wenn die Diskrepanzen und Distanzen, die Aversionen und Animositäten zwischen den Schwestern am Main sei’s aus folkloristischem Kalkül, sei’s aus reiner Langeweile so übertrieben geschürt und höchstens halbironisch am Glosen gehalten werden wie sonst und mutatis mutandis nur von Köln und Düsseldorf, Hamburg und Harburg oder Berlin und Paris: Offenbach ist eine sterbende Stadt. Während im wenigstens geographisch benachbarten Frankfurt Wirtschaft, Kunst und Kultur blühen und das Pro-Kopf-Einkommen im vergangenen Jahr die sagenhafte Höhe von 140 Millionen Euro erreicht hat – selbst wenn man Frankfurts viele ausländischen Mitbürger aus insgesamt 8000 Nationen einrechnet, kommt man noch auf gute und runde 68,70 Euro pro Einwohner –, betrug der gesamte Etat der Stadt Offenbach im Doppelhaushaltsjahr 2005/2006 gerade mal 100 Euro, und auch das nur, weil die Reinemachefrau ihr Portemonnaie im Bürgermeisterbüro vergessen hatte.

 

Nichts geht mehr in Offenbach. In der verödeten Innenstadt kontrollieren Blauhelmsoldaten um einen Kanten Brot bettelnde Großmütter, an den Schulen wird nur noch bis zum Kleinen Einmaleins unterrichtet – also bis zur zehnten Klasse –, und wer kann, flüchtet in eine Stadt mit Zukunft, nach Hoyerswerda, Guben oder Duisburg. 90 Prozent der Offenbacher Gebäude sind baufällig und müßten abgerissen werden, aber dazu ist der Offenbacher zu faul; und wer (man gibt es ja nicht gerne zu) Bekanntschaft in Offenbach hat, der wird, auch wenn die Klingel wie in praktisch jedem Offenbacher Haus kaputt ist, niemals an der Tür klopfen, wenn ihm sein Leben lieb und der Anzug frisch gereinigt ist.

 

Schon seltsam, dieses Nebeneinander von beispielloser urbaner Katastrophik und mitunter geradezu gleißender Schönheit, ja durchaus mediterraner Grazie, wie sie in Frankfurts Oberbürgermeisterin Dr. Petra Roth idealtypische Verkörperung findet: Die promovierte Kunsthistorikerin und doppelt habilitierte Astrophysikerin, die auf allen gesellschaftlichen Parketten der Welt eine blendende Figur (90–60–90) macht, zwölf Negerkinder adoptiert hat, 52 Sprachen spricht und die Wurzel aus 100 Millionen in Rekordzeit ziehen kann – welch ein Gegensatz zu Offenbachs Stadtoberhaupt Hans-Willi Arschbombe, der seine Stadtratssitzungen meistens in der Ausnüchterungszelle der einzigen besetzten Polizeiwache abhält! Unvergessen sein kotverschmierter Auftritt beim Weltgastwirtschaftsforum in Davos, der jedem Offenbacher ein Einreiseverbot in die Schweiz auf Lebenszeit beschert hat. Täglich »patrouilliert« der fransige Mittsechziger mit sichtbar aus der Ausverkaufshose baumelndem, von einer dicken, an den Rändern bereits bröckligen und käsig übelriechenden Smegmaschicht überzogenem Geschlechtsteil durch den ihm unterstehenden Gesamtslum und tritt Hunde in den von Speiseresten und Leichen verstopften Rinnstein, bevor er sich an der nächsten (selbstverständlich kaputten) Verkehrsampel erleichtert (groß). Daß mit so einer Figur beim Deutschen Städtetag kein Fördereuro abzugreifen ist, liegt auf der Hand.

Die grundsätzliche Divergenz, der brutale Unterschied zwischen Städten, die nicht einmal eine halbe Autostunde auseinanderliegen, läßt sich allenfalls historisch erklären: Frankfurt, die alte Kaiserkrönungs- und Freie Reichsstadt, Offenbach, das schon zur Römerzeit als Europas größter Puff galt – noch heute erleben viele arglose Besucher des Offenbacher Ledermuseums eine »schöne« Überraschung. Allein im Dreißigjährigen Krieg wurde die später von Goethe wie auch evtl. Victoria Ferres sogenannte »Pestbeule am Main« vierhundertmal völlig zu Recht niedergebrannt; es mußte also gar nicht bis in die dunkle Hitlerzeit dauern, bis Offenbach seinen Ruf als Nazihochburg des Großdeutschen Reiches »weg« hatte.

 

Überhaupt Hitler. Noch heute ist der führende Verbrecher des Zweiten Weltkriegs Ehrenbürger Offenbachs und erreicht bei Bürgermeisterwahlen regelmäßig 95 Prozent.

 

Es ist dies nur erklärlich aus der durchweg pathologischen Gesamtverfassung der Offenbacher Bürgerschaft. Wer nicht in mindestens achtzehnter Generation Offenbacher ist, gehört nicht »dazu« und wird geschnitten, und dies nur ausnahmsweise ohne Messer. Keimzelle der Offenbacher »Gesellschaft« (die Anführungszeichen können gar nicht dick genug gesetzt werden) ist die Familie, die streng hierarchisch organisiert ist und dem brutalen Regiment des sogenannten »Babba« untersteht, der nach Gusto Fememorde an in Frankfurt arbeitenden Verwandten oder Nachbarn mit TÜV-geprüften Autos anordnen kann, Bluttaten, die dann, alter Tradition gehorchend, von den jeweils jüngsten weiblichen Familienmitgliedern ausgeführt werden müssen. Da Polizei in Offenbach faktisch nicht existiert und höchstens mal zum Ausländerverprügeln eingesetzt wird, können die Leichenberge ohne Angst vor Strafe im Main versenkt oder, häufiger, an die Pizzerien im Stadtgebiet verkauft werden.

 

Das Land Hessen, die Bundesrepublik Deutschland, Europäische wie Sowjetunion – alle maßgeblichen politischen Instanzen haben Offenbach längst aufgegeben. Nur der lokale Fußballclub wird außerhalb der Stadtgrenzen noch manchmal als Botschafter von Gewalt, verfehlter Einkaufspolitik und drittklassigem Fußball wahrgenommen, und wer aus guten staatsbürgerlichen Gründen gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist, der hat noch kein Auswärtsspiel des OFC gesehen. Und kein Heimspiel. Und kein Trainingsspiel auch nicht.

 

Was also tun mit Offenbach, diesem Geschwür im Herzen Europas? Selbst wohlmeinende, der Toleranz ergebene Citoyens erwägen den so gezielten wie rücksichtslosen Einsatz von mittelschweren Nuklearwaffen; aber, und dies das notabene einzige, aber doch eminent stichhaltige Argument der Gegner: bemerkt werden würde das in Offenbach, dieser durch und durch unliebenswerten Urbanfrechheit am Zusammenfluß von Blut und Gemeinheit, wohl kaum.

 

Stefan Gärtner

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg