Humorkritik | März 2017

März 2017

R a t t e n g i f t.
Heutzutage muß die Komik fein sein, so fein, daß man sie gar nicht mehr sieht; wenn dann die Zuschauer sie dennoch bemerken, so freuen sie sich zwar nicht über das Stück, aber doch über ihren Scharfsinn, welcher da etwas gefunden hat, wo nichts zu finden war. Überhaupt ist der Deutsche viel zu gebildet und zu vernünftig, als daß er eine kecke starke Lustigkeit ertrüge.

S c h u l m e i s t e r.
Ja ja, er lacht nicht eher, als bis er sicher ist, daß er sich nachher wird förmliche Rechenschaft zu geben vermögen, warum er gelacht hat!

Chr. D. Grabbe, »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung«

Nehm ich nicht

»Und wieder ein Film, der in Deutschland undenkbar wäre«, ahnte im Jahre 2015 »Die Welt« in ihrer Rezension der französischen Komödie »Papa ou Maman«. Weshalb man selbige hierzulande nicht denken könne, sei an dieser Stelle nicht gefragt, aber da ich mich seit jeher an journalistischen Fehlprognosen delektiere, war ich erfreut, als kürzlich ein deutsches Remake des Films gedreht wurde. Darüber hinaus bietet »Schatz, nimm du sie!« (Regie: Sven Unterwaldt) aber leider keinen Anlaß zur Freude.

Wie die französischen, von Marina Foïs und Laurent Lafitte gespielten Eltern, die ihren Kindern die bevorstehende Scheidung nahebringen müssen, streiten auch die deutschen Pendants (Carolin Kebekus, Maxim Mehmet) um die Abneigung ihres intelligenten, aber nicht soziablen Sohnes Tobias und der pubertätsbedingt zickigen Tochter Emma. Jawohl: um deren Abneigung. Denn keiner will das Sorgerecht. Mama Antonia plant statt dessen, als Baustellenleiterin auf Malta zu reüssieren; Papa Marc, Gynäkologe, träumt von Pränataldiagnosen auf Tahiti, quatsch, Haiti (wenn Sie die Verwechslung lustig finden, dann könnte Ihnen der Film gefallen: Dieser »Witz« wird mehrmals gerissen).

Die Anstrengung, selbst Pointen zu ersinnen, haben die Drehbuchautoren vermieden, die Vorlage wurde lediglich ausgedünnt. Die französischen Eltern kochten noch Spaghetti con Spülmittel, um den Nachwuchs zu vergraulen, schossen ihm beim Paintballspiel aus kurzer Distanz auf die Glieder und diffamierten den Konkurrenten ihres Jüngsten beim Schachspiel lauthals mit rassistischen Invektiven. Diese Szenen hat man dem deutschen Publikum nicht zugemutet: Die beiden erstgenannten wurden gestrichen, beim Schach bezeichnet Mutter Kebekus, unter schwarz-rot-goldenem Hut grölend, den chinesischen Gegner als Japaner. Nun ja.

Darüber, daß die Quasikopie eines zwei Jahre jungen Werks in einer Welt voller Synchronsprecher, in der alle Vertriebswege nach Deutschland führen, kaum not tut, klage ich gar nicht. Es scheint da ein volkseigenes Bedürfnis zu existieren, ausländische Geschichten von Einheimischen nachgespielt zu bekommen. Und es ist ja auch nicht so, daß sich mein Sitznachbar damals im Kinosaal, als ich »Papa ou Maman« sah, über das permanente Spritzen meiner Lachtränen beschwert hätte. Aber zumindest die Kompromißlosigkeit und Härte der französischen Rabeneltern waren bemerkenswert. Bei »Schatz, nimm du sie!« bleibt sie aus. Dafür wird der dröge Rest beinahe bis aufs Wort übernommen. Carolin Kebekus findet ihren Hauptrollendebütfilm laut Presseheft übrigens besser als das Original. Au contraire, Madame.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg