Humorkritik | März 2017
März 2017
R a t t e n g i f t.
Heutzutage muß die Komik fein sein, so fein, daß man sie gar nicht mehr sieht; wenn dann die Zuschauer sie dennoch bemerken, so freuen sie sich zwar nicht über das Stück, aber doch über ihren Scharfsinn, welcher da etwas gefunden hat, wo nichts zu finden war. Überhaupt ist der Deutsche viel zu gebildet und zu vernünftig, als daß er eine kecke starke Lustigkeit ertrüge.
S c h u l m e i s t e r.
Ja ja, er lacht nicht eher, als bis er sicher ist, daß er sich nachher wird förmliche Rechenschaft zu geben vermögen, warum er gelacht hat!
Chr. D. Grabbe, »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung«
Vollfette Käsekomik
Wie ein Hauch aus längst vergangenen Buchbewerbungszeiten weht’s mich an, wenn ich ein Elke-Heidenreich-Zitat auf dem Umschlag sehe – so wie in diesem Fall auf der Neuausgabe von »Käse« (Aufbau-Verlag), dem erfolgreichsten Roman des Belgiers Willem Elsschot (1882-1960): »Wer mal so richtig lachen will, sollte sich an diesem Auftritt des Edamers in der Weltliteratur versuchen.« Und wie meist, kann ich auch diesem knackigen Heidenreich-Tip nur bedingt zustimmen, ist doch »Käse« ebenfalls nur bedingt zum Lachen. Die Geschichte des schüchternen Büroschreibers Frans Laarmans, der den gesellschaftlichen Aufstieg mittels der Übernahme einer Handelsvertretung für »vollfetten Edamer« angeht und, nachdem er vorübergehend sogar zum »Vorsitzenden des Verbandes belgischer Käsehändler« avanciert, damit grandios reinfällt, weil ihm jegliches Talent fürs Kaufmännische abgeht, er sich in der Schaffung einer bürokratischen Infrastruktur verzettelt und in seiner narzißtischen Verblendung den Realitäten, etwa Kleingedrucktem in Verträgen, keinerlei Aufmerksamkeit schenkt: das ist in erster Linie eine Satire auf eine Gesellschaft, in der Schein mehr zählt als Sein. Die Bitterkeit seiner Erzählung mildert Elsschot mit einem etwas behäbigen, schnurrenhaften Erzählstil, was man dem kleinen Buch vielleicht anlasten könnte.
Ausgesprochen lustig ist jedoch, wie sehr dem angehenden Käsehändler sein Produkt, das ihm zu Ansehen und Reichtum verhelfen soll, stinkt. »Etwas Ekelerregendes und Lächerliches«, zumindest »ein komischer Artikel« ist Käse offensichtlich nicht nur für den Käsehelden, sondern auch für dessen Schöpfer Elsschot, sonst hätte er wohl nicht eine solche Käs-, nein: Kaskade an kuriosen Käsebegriffen über sein Käsebuch ausschütten können. Von des Helden anfänglichem »Käsetraum« führen sie über Merkwürdigkeiten wie einen »Käseturm« und allerlei »Käsephantasien« am Ende ernüchternd zu Laarmans’ »Käseheimsuchung« und »Käsetestament« und machen seine glimpflich ausgehende »Käsekatastrophe« zu einer runden, von »Käsekumpeln«, »Käsedrachen« und »Käsewürmern« belebten »Käsegeschichte«. Über diese geballte Käsekreativität mußte dann auch ich immer wieder so richtig lachen.