Humorkritik | November 2013
November 2013
Tom Wolfe als Lautmaler
In seinem jüngsten Großroman »Back to Blood« (Blessing Verlag) entführt Tom Wolfe die Leserschaft nach Miami und versetzt sie mit einer in allen Klassen spielenden Mixtur aus Liebes-, Abenteuer-, Gesellschafts- und Kriminalroman in Spannung, könnte man sagen, wenn man gutwillig wäre; und wenn man böswillig wäre, könnte man dagegenhalten, daß ihm der etwas mühsam zusammengezimmerte Plot als Vorwand für ausufernde Milieuschilderungen dient, in denen sich der Autor mit seinen immensen Rechercheleistungen brüstet. Auf alle Fälle ist alles dabei, was ein Romancier, der sich so wie Tom Wolfe als Erbe der realistischen Erzähler des 19. Jahrhunderts begreift, seinem Publikum schuldet: Liebe, Eifersucht, Eitelkeit, Geldgier, Geilheit, Egoismus, Niedertracht, Verzweiflung, Einsamkeit, Heldenmut, Schuld und Verbrechen.
Ich will hier weder für die eine noch für die andere Seite Partei ergreifen, sondern nur darauf hinweisen, daß Tom Wolfe zwischendurch immer wieder entzückend komische Miniaturen gelingen. Im zweiten Kapitel schleppt sich ein alter Exilkubaner mit einem riesigen Topf ab, in dem anläßlich einer Familienfeier ein Schwein gebraten werden soll. Normalerweise hätten Vater und Sohn den Topf gemeinsam transportiert, doch der Vater hat den Sohn soeben verstoßen und demonstriert ihm nun seine Verachtung, indem er den Topf ganz alleine zu schultern versucht und den in der Küche sitzenden Sohn akustisch an dieser Anstrengung teilhaben läßt. Die Geräusche, die der taumelnde Vater ausstößt, sind die folgenden: »– messch … cinngch … neetz … guuhn arrrgh … mihfughh … nuuunmp … Scheiße … boggghh … frimp … ssluuusch … gessssuh hujuh … niiinch … arrrgh … iiiiioooomp.«
Absatz. Und dann heißt es kurz und bündig: »Die Beine des alten Mannes gaben nach.«
Das Familiendrama, das sich hier abspielt, hat einen todernsten Hintergrund, doch es liegt auch eine groteske Komik in dieser Szene, und am allerliebsten ist mir der Stoßseufzer »frimp«. Beneidenswert. Und eine interessante Herausforderung für Vortragskünstler.