Humorkritik | November 2013

November 2013

Palins Tagebücher

Man muß sich Alt-Monty-Python Michael Palin wohl als wahnsinnig netten Menschen vorstellen. Als einen, der so sensibel ist, daß er schon mit alltäglichen Verrichtungen hadert, etwa mit dem regelmäßigen Kauf von Vasen. Sind doch viele Vasenverkäufer so bemüht, ihm möglichst unzerbrechliche Blumenbehältnisse anzudienen oder die Vorzüge von Plastikblumen zu loben (»They can be cleaned when they get dirty«) – dabei will Palin diese Vasen doch lediglich auf der Bühne mit einem Holzhammer kaputtschlagen.

Es sind diese Anekdotensplitter, die Michael Palins Tagebücher von 1969 bis 1988 ausmachen. Skandale sind keine aufzudecken, dazu wäre Palin auch viel zu freundlich und zurückhaltend. Zunächst einmal spielen sogar Monty Python selbst gar keine überragende Rolle, schließlich war sich das Ensemble der kleinen Sketch-Show »Monty Python’s Flying Circus« gar nicht bewußt, was es in Gang bringen würde. Und auch später kommen John Cleeses Alleingänge, Graham Chapmans Alkoholkonsum, Neid und Mißgunst, wie sie in vermutlich allen Künstlergruppen an der Tagesordnung sind, eher am Rande vor. Allenfalls erlaubt er sich: »Die anderen vier von uns, oder sollte ich sagen drei und ein sich herumdrückender Chapman (nein, das wäre nicht nett, und das hier ist ein nettes Tagebuch), die anderen vier von uns arbeiteten weiter bis dreiviertel sieben.«

Dafür erhält man Einblick in ein Leben, dessen geregelter Ablauf wenig von dem anarchischen Flair hat, das üblicherweise mit Monty Python in Verbindung gebracht wird. Statt dessen geht es um kleine Kinder, den alzheimerkranken Vater und Sorgen um das von Wirtschaftskrisen und Terror gebeutelte Land; regelmäßig ist der Strom abgestellt, einen Bombenanschlag der IRA kann Palin von seinem Haus aus hören.

Zwischen Vertragsverhandlungen und Dreharbeiten, die nicht nur gerüchteweise zum größten Teil aus Warten und Frieren bestehen, ist es schon ein Höhepunkt, wenn die ganze Truppe zu einer USA-Tour aufbrechen darf. Die ist zwar nicht gut bezahlt, aber von zahlreichen treuen, oft verrückten, aber stets harmlosen Fans begleitet, selbstverständlich auch von weiblichen. Terry Jones, Palins bester Freund und stets mit dem Kürzel »TJ« bedacht, TJ also gerät ordentlich in Rage, als er erfährt, daß das Hotelpersonal in Gestalt zweier bewaffneter Wachmänner einem Groupie nicht erlauben will, die Pythons auf ihren Zimmern zu besuchen. Jones macht »the wrong move of the evening«, nimmt den Aufzug ins Erdgeschoß und dreht erst mal durch. »These poor heavily armed men« müssen Jones’ ganzen Frust über Klimaanlagen und schlechte Bordverpflegung über sich ergehen lassen, bestehen aber tapfer darauf, daß für Besucher auf dem Zimmer zu bezahlen sei. Jones läßt seinem Zorn so lange freien Lauf, bis er seinen Willen bekommt und das Mädchen auf sein Zimmer darf – und stellt erst dann fest, daß die Maid wider Erwarten »dick, von keiner bemerkenswerten Schönheit und auf keinen Fall eine wunderschöne Prinzessin war, die er aus den Fängen eines Drachen befreit hatte«.

So versöhnen selbst die kurzen Momente von Stargehabe und Berühmtheit den nur unwesentlich unberühmteren Leser, der so vor allem von der Freundlichkeit und der Heiterkeit des nettesten Pythons der Welt erfährt: Palins Notizen (»The Python Years« und »Half Way to Hollywood«, beide bei Phoenix erschienen) sind, in kleinen Portionen genossen, sehr treue, kurzweilige und unaufdringliche Begleiter bei den eigenen Tourneen von zu Hause ins Büro und zurück.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg