Humorkritik | Mai 2013

Mai 2013

Welten schaffen

An Phantastik, besonders ihrem prominentesten Subgenre Fantasy, habe ich nur selten meinen Spaß. Der überwiegende Teil der Autoren scheint mir über Mittelerde-Variationen nicht hinausgekommen; daran kann auch eine Ulknudel wie Terry Pratchett mit seiner Scheibenwelt nichts ändern. Dabei ist die schriftstellerische Aufgabe bei Fantasy im Grunde überschaubar: Welten schaffen – und sie anschließend retten lassen. Leider überspringen die meisten Fantasy-Schaffenden diesen ersten Teil. An ihren Welten sollt ihr sie erkennen!

In dem Waliser Autor Jasper Fforde erkenne ich derzeit einen der kreativsten Weltenschöpfer. Die »BuchWelt«, mit sieben Bänden sein bisher erfolgreichstes Konstrukt, basiert auf der Annahme, daß in einer Parallelwelt Literatur einen solch hohen Stellenwert besitzt, daß sie durch eine eigene Polizeieinheit vor Eingriffen von außen geschützt werden muß. Wir begleiten die Agentin Thursday Next auf der Suche nach entführten Hauptfiguren und anderen Einsätzen ins Innenleben der Literatur. Das Springen zwischen Real- und Buchwelt eröffnet dabei Raum für unzählige literarische Späße, Verweise und Andeutungen. Das ist alles furchtbar postmodern, aber schön erdachter, detailverliebter höherer Blödsinn.

Von Band zu Band der Serie verlagert sich die Handlung mehr in die Buchwelt hinein. Nachgerade begeistert bin ich vom hierzulande zuletzt erschienenen sechsten Band »Wo ist Thursday Next?« (Dtv Premium), in dem die Selbstbezüglichkeit einen schönen Höhepunkt erreicht und Fforde als Protagonistin nicht mehr seine Agentin ermitteln läßt, sondern die »geschriebene Thursday Next« aus den Vorgängerbänden.

Das Ergebnis sind kuriose Ermittlungsreisen durch zahllose Gattungen mit beiläufigen Genreparodien, satirischen Seitenhieben, literaturkritischen Bonmots und unzähligen intertextuellen Albernheiten, die weit über die Fantasy hinausweisen, weil sie zugleich, wie Walter Moers’ »Stadt der träumenden Bücher«, eine große Verbeugung vorm Literaturschaffen an sich sind. In diesem Roman siedelt Fforde sich selbst am Rande der spekulativen Phantastik an. Hier muß man auch sein zweites Mammutprojekt einordnen: »GRAU« (das seinerseits in der Buchwelt für einen Scherz gereichte, trug die englische Originalausgabe doch den schönen Titel »Shades of Grey«), eine weitere, klug erdachte Welt, in der die Fähigkeit zur Farbwahrnehmung über den Stand des Menschen in einer streng hierarchischen Gesellschaft entscheidet.

Nach einer ungeklärten globalen Katastrophe ist die verbliebene Menschheit auf einen frühindustriellen Status zurückgefallen. Es regiert eine Oligarchie der Farben, die sogenannte »Chromogenzija«. In diesem Kosmos verliebt sich »der Rote« Eddi Russet in eine graue Arbeiterin. Gemeinsam machen die beiden sich auf, das Geheimnis ihrer Welt aufzuklären, deren einzige Karte aus einem alten Risiko-Spielbrett besteht. Boy meets Girl also, Weltrettung und Kampf gegen autoritäre Systeme – in der Buchwelt würde das womöglich als »FantasyPlot 3-b« klassifiziert. Doch Fforde ist ausufernd detailfreudig, intelligent im Ausmalen seiner Systeme und ein mitreißender Stilist. Daß er oft übertreibt, ist alles, was ich ihm vorwerfen könnte; doch im Zweifel ist mir ein mit zuviel Phantasie gesegneter Fantasy-Autor lieber als das viel häufiger anzutreffende Gegenteil.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg