Humorkritik | Juli 2013

Juli 2013

Humorbomber Müller

Sich selbst Komikerkompetenz zu attestieren ist nicht lustig. Der Mief solchen Eigenlobs verflüchtigt sich freilich, wenn sich der Eigenlobende lediglich als »Spaßvogel der Nationalmannschaft« tituliert, wie weiland der Torhüter Sepp Maier im Vorwort des 1971 erschienenen »Mitlachen Sportsfreunde«. Das Buch versammelt Schwarzweißfotos, die mit, nun ja, lustigen Sprechblasen versehen, den Sportsfreund zum Mitlachen nötigen wollen – etwa mittels einer Aufnahme, auf welcher Maier höchstselbst einem Ball entgegenhechtet, wobei er sagt (oder denkt): »Wenn der Ball reingeht, will ich Maier heißen!«

Oder nicht Maier, sondern gleich Karl Valentin? Der nämlich ward, wie schon 1998 in Gerhard Fischers und Jürgen Roths Buch »Leben voller Fallrückzieher. Fußballer erzählen – von Fritz Walter bis Lothar Matthäus« (Reclam Leipzig) festgestellt wird, »von Maier wieder und wieder nicht etwa zum Vorbild, sondern zum Vorgänger erkoren«. Warum, weiß man nicht: Denn als Valentin verkleidet im Fernsehkasten albern herumzuagieren (wie es Maier tat), hat natürlich nichts mit dem anarchischen Nonsens Valentins zu tun.

All das wäre eine banale Fußnote aus jener banalen Geschichte, welche »die Fußballieblinge, die vom Publikum vergötterten Fußballisten« (Valentin) schreiben, fände Maier nicht einen nicht minder nervenden Nachfahren: Ob sich Thomas Müller ihn zum Vorbild erkoren hat, weiß ich nicht – Müller in den Rang des neuen Nationalspaßvogels zu erheben, erledigen aber schon andere. Zahllose Seiten dokumentieren die »lustigsten« Sprüche Müllers; die Aussage »Wo keine Muskeln sind, kannst du dir auch nicht wehtun! Meine Waden sind so dünn, da kann kein Gegner die Knochen treffen, weil man sie so schlecht sieht«, findet beispielsweise die Sport-Bild »zum Ablachen«. Der Vergleich fiel dann im Rahmen eines Fußballfreundschaftsländerspiels, als irgend etwas für Müller Ärgerliches geschah und der immer unerträglicher werdende Kickkommentator Béla Réthy in die Welt bellte: »Das nimmt er alles mit seinem Karl-Valentin-Humor.«

Eben nicht, eben nicht – aber offensichtlich reicht es, der bayerischen Ethnie anzugehören, ein großes Mundwerk zu haben und Müller oder Maier zu heißen, um unvermeidlich besagten Humor zugeschrieben zu bekommen. Und ich kann dagegen anschreiben, wie ich will – es ist in der Welt, der dummen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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