Humorkritik | Juni 2012

Juni 2012

Heulendes Elend

»Tränenpalast« nannte man in Berlin früher die Ausreisehalle im Bahnhof Friedrichstraße. Statt der Ausreise gibt nun alljährlich die Verleihung des Deutschen Filmpreises »Lola« Anlaß zu Tränen. Die fand Ende April im Friedrichsstadtpalast statt und bleibt mir bis auf weiteres unvergeßlich.

Daß komisch gemeinte Filme hier keine Chance haben, war klar – daß aber nur mehr Passionsspiele für die Hauptpreise in Frage kommen, das geht zu weit; zumal der Eindruck entstehen konnte, es werde nach einer Art Leidensindex abgestimmt: Je ärger das Dargestellte, desto höher der Grad der Wertschätzung der Jury. Die nämlich zum überwiegenden Teil aus Schauspielern besteht, deren unverhohlene Bereitschaft zur Selbstbeweihräucherung die Leidensfähigkeit jedes halbwegs ironiefähigen Betrachters auf eine jammerharte Probe stellte: Wie da Haupt- und Nebendarsteller ihre Haupt- und Nebenrollen als Gestörte, Behinderte und Todgeweihte verinnerlicht hatten und auf der Bühne oder im Publikum tapfer gegen die Krokodilstränen ankämpften, wäre kaum auszuhalten gewesen, hätten da nicht zwei der geschätzten zwanzig Laudatoren aus wolkigem Himmel heiteren Klartext geredet.

Josef Hader definierte u.a. den Unterschied zwischen österreichischen und deutschen Arthouse-Filmen. In seiner Heimat gehe das ungefähr so: Vier krebskranke Musiker gründen eine Band und gewinnen am Ende irgendeinen Award. In Deutschland dagegen: Ein krebskranker Alt-Stasi oder Neonazi (das weiß ich nicht mehr so genau) gründet keine Band und gewinnt nichts. Dafür geht er in die Uckermark. Das war gut beobachtet.

Christoph Maria Herbst hingegen sprach einfach die bittere Wahrheit aus: Alle sechs Nominierten in der Kategorie »Bester Spielfilm« haben zusammen weniger Zuschauer ins Kino gelockt als Thomas Gottschalk an einem seiner schwächsten Vorabende vor den Fernseher.

Dafür bekam er höflichen Beifall der Betroffenen – frei nach dem alten Motto: Tumor ist, wenn man trotzdem lacht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg