Humorkritik | März 2011

März 2011

Historiensplatter

Bisher gibt es keine verläßliche Statistik darüber, wie viele Tonnen Menschenfleisch aus Pointengenerierungsgründen in den Kochkesseln von Kannibalen enden mußten. Überhaupt ist – im Gegensatz zum Horror- und Splatterfilm – das Thema »Kannibalismus in der Literatur« noch kaum erforscht, obwohl oder gerade weil es ein durchaus komisches darstellt. Davon zeugen nicht nur haufenweise Kinderverse, der komisch schmeckende Clown oder de Sades seltsamer Riese Minski. Oder Walter Benjamins berühmtes Wort: »Echte Polemik nimmt sich ein Buch so liebevoll vor, wie ein Kannibale sich einen Säugling zurichtet.« Immerhin hat wenigstens André Breton erkannt: »Der Mensch ist es, der in Kafkas Fleischtopf gesotten wird.« Von Gottfried Keller findet sich im »Briefwechsel mit Marie und Adolf Exner« ein Beleg für seine abseitigen Neigungen, als Glückwunsch für eine junge Mutter: »Auf Ihr Kindchen freue ich mich: das wird gewiß ein allerliebstes Tierchen! Wenn es ordentlich genährt ist, so wollen wir’s braten und essen, wenn ich nach Wien komme, mit einem schönen Kartoffelsalat und kleinen Zwiebeln und Gewürznägelein. Auch eine halbe Zitrone tut man dran!« Ja, hier schreibt ganz der Feinschmecker.

 

Mit dem Entsetzen freilich soll man kein Backobst treiben. Nicht erst seit Hannibal Lecter ist der mündige Bürger auch draußen in der Landgaststätte sensibilisiert für das, was auf der Speisekarte steht. Die uralt gewordene Schriftstellerin Isolde Kurz erzählt aus der Zeit, als sie noch ein kleines, putziges Fräulein war: Sie kletterte dem Schriftsteller Ludwig Pfau in der Wohnung der Eltern am Tübinger Marktplatz auf den Schoß. Ziel: Ihn seiner Verlobten auszuspannen, mit einem Kuß auf die Lippen, die sich irgendwo hinter seinem gewagten Bart verbargen. Da sprach der Pfau: »Weißt du auch, warum ich dich so lieb habe? Weil du ein so zartes festes weißes Fleisch hast; das schmeckt fein zu französischem Senf«, indem er auf ein riesiges Messer schielte, das neben dem Senftopf lag. Auf einmal sah Isolden in Pfaus Gesicht die »ganze Scheusäligkeit des Kannibalen«. Mit einem schrillen Schrei entwich die eifersüchtige Vorwitzige und verbarg sich vor »dem Oger mit der gemeinen Seele« bebend unterm Kanapee, bis endlich die Eltern kamen. Pfau reiste rasch ab und wurde später Ehrenbürger der Stadt Heilbronn.

 

Doch vorerst Schluß nun, »man muß aufhören, sich essen zu lassen, wenn man am besten schmeckt« (Friedrich Nietzsche).

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg