Humorkritik | Januar 2009

Januar 2009

Schnurrige Schnarrtrommel

Bücher über Rockmusik sind ja doch gemeinhin unbrauch- und -genießbar. Halbgare Heroenhistörchen, stilistische Konvulsionen und ein erschütterndes Maß an Galimathias zählen zuverlässig zu den Hauptingredienzien des Genres. »Aber die Engländer! Die Amerikaner!« wird der Leser jetzt ausrufen, »die können es doch!« Na ja, im einen oder anderen Fall vielleicht; doch spätestens wenn deutsche Übersetzer Hand anlegen, ist es um Sinn und Kohärenz geschehen.

 

Das beweist aufs neue Martin Popoffs eigentlich sympathisch rotzige, hie und da mit dem alten Krawallerzeugergitarrengott Ritchie Blackmore gar harsch ins Gericht marschierende Monographie »Rainbow – Zwischen Genie und Wahnsinn« (Iron Pages Verlag, Berlin 2008). Die deutsche Übertragung ist ein derart wüstes Sammelsurium aus Ahnungslosigkeiten, Ungeschicklichkeiten und Schlampereien, daß einem sämtliche Sinne schrumpfen – bis man dann auf Stellen stößt, die in ihrer jenseitigen Bescheuertheit mirakulös funkeln und eine Komik entfalten, die aus der angenehm berührenden Einsicht erwächst, daß die Sprache, sofern man sie nicht durch Regeln knebelt und zurechthobelt, halt am liebsten anstellt, was sie will; beispielsweise dies, hinsichtlich des epochalen Rainbow-Albums Rising aus dem Jahr 1976: »Man beachte auch die Symmetrie von Rising: vier Songs auf Seite eins und zwei auf Seite zwei. Das Cover ist ikonoklastisch, wie ein Anker, der wegweisende, emotionale Inhalt einmalig und eingebettet in eine selbstsichere, geschickte Mission. Das Selbstvertrauen, das die Scheibe ausstrahlt – und, wenn man so will, auch die Schwarzweißphotos –, erinnert sehr an Led Zeppelin.«

 

Ich mußte lachen, sehr lachen. Zudem stimmt an Popoffs ins Deutsche hinübergewürgter Würdigung inhaltlich-semantisch tatsächlich: absolut nichts. Schummrig schlingern da die Worte umeinander, als seien sie von ihrer unauslotbaren missionarischen Nichtigkeit regelrecht besoffen. Wunderbar. Heino Jaeger hätte es kaum besser hingekriegt.

 

Nicht minder gelabt haben mich, der ich Herrn Blackmores Neigung zu Scherzen, zu »practical jokes« hier bereits des öfteren nachgegangen bin (der Großkotz und Egomane ist ja nicht umsonst ein Monty-Python-Aficionado), ein paar selbst mir bis dato unbekannte Anekdoten aus dem spaßigen Rockerleben; wie etwa die rabaukenhaft-infamen Streiche, die Blackmore dem Promoter Eric Thompson spielte, den er von seinen Roadies komplett ausziehen und während eines Konzerts an Gurten nackich über der Bühne baumeln ließ; oder dem arg gebeutelten Tony Carey, der in Frankreich inmitten von Aufnahmesessions zum Flughafen floh und dort auf Grund eines Hinweises von Mr. Blackmore an die Gendarmerie, der Tastenmann führe ein Kilo Kokain bei sich, in durchaus lustige Kalamitäten geriet.

 

Those were the days – ausgeräumte Hotelzimmer, weiße Jaguarlimousinen, die an der Rezeption vorfuhren, anarchistische Narreteien und Bübereien noch und noch. Und zwischendurch schlug einer der vielen Rainbow-Drummer auch immer mal wieder eine »Schnarrtrommel« (Übersetzung: Franziska Schöttner), meint: Snaredrum. Schnurrig.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella