Humorkritik | Dezember 2006

Dezember 2006

Vom armen BB

Es wird viel gelacht bei Konzerten des »elektrischen Liedermachers« Bernd Begemann, und eigentlich immer zu Recht. An Begemanns Ruf, auf der Bühne noch besser zu sein als auf seinen Schallplatten, ist soviel richtig, daß seine komischen Stücke – Klassiker wie »Fernsehen mit deiner Schwester« oder »Judith, mach deinen Abschluß« – auf Platte spaßig, vor Publikum aber Preziosen sind, was daran liegt, daß bei Begemann das eklige Rockjournalistenwort von der Authentizität einmal ganz im Ernst und unplapperig in Anschlag gebracht werden darf.

Daß Komik und Trauer zwei Seiten einer Medaille sind, ist eine Binse; wenn Begemann, nachdem er irgendwo im Stau festsaß, ohne jeden Soundcheck auf der Bühne z.B. der Frankfurter Brotfabrik vor vielleicht zweihundert Fans seine rastlosen Lieder (die der Feuilletonist wohl »Alltagsminiaturen« nennen würde) aus dem wie übervollen Herzen laufen läßt, ausgerüstet nur mit Gitarre, Verstärker und einem kleinen Mischpult, höchstens viertelironisch von seiner »sogenannten Karriere« spricht und insgesamt tatsächlich nie aus der oft besungenen Vorstadtsiedlung der Kindheit herausgekommen ist, dann ist er, in seiner hochsympathisch-melancholischen Aufgedunsenheit, genau der Popritter von der traurigen Gestalt, der sich für kleines Geld hundertmal im Jahr den Arsch abspielt und dem man seine flüssig improvisierten, lustigen Bühnenansagen zu Zeit, Publikum oder Auftrittslokal grad deshalb ohne jedes Zögern abnimmt.

Und so war ich auch gar nicht groß irritiert, als es in einem der Stücke vom neuen Album (»Ich werde sie finden«, Begafon) um die »Ikea-Falle« ging, in der wir alle stecken: Denn natürlich ist das einigermaßen von irgendwelchen kabarettistischen oder »Waschsalon«-Standards um Gutvik-Sofas o.ä. entfernt (und eben auch kein lt. Intro »albernes Gag-Lied«), sondern verhandelt auf gut Begemannsch die lebensweltliche Normierung, die viel weniger Kult und zum Lachen als halt auch wieder nur topfalsch mal todtraurig ist: »Dieser Weißweinkühler ist nicht so der Brüller/Schatz, ich geh lieber rüber zu den Köttbullar/fällt dir auf, die Leute hier/sind genauso wie wir/sie verstehen nicht ganz, was passiert/aber ich durchschaue es!«

Und ich, Ihr alter Mentz, ja eh.

 

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg