Inhalt der Printausgabe
Oktober 2002
Vom Fachmann für Kenner (Seite 14 von 16) |
Terrorpilot Während der letztjährigen Terrorhysterie ging es, man erinnert sich nurmehr vage, auch um die Möglichkeit, sich mittels computergesteuerter Simulatoren die Kunst der Flugzeugnavigation beizubringen. Es gibt ja Irre, die ihren ganzen Hobbykeller mit einem sagen wir Boeing-Sperrholzcockpit ausbauen, bei dem dann alle Knöpfe und Anzeigen ihre tatsächlichen Funktionen erfüllen, wenn auch nur virtuell. Vor den "Windschutzscheiben" ist dann eine Projektionsfläche installiert, auf welche schon sehr echte Bilder vom "Flug" geworfen werden. Zu einem solchen Freak wurde damals Freund O., Redakteur bei Sat.1, geschickt. Er möge doch bitte ein Kamerateam engagieren und dem "Kapitän" über die Schulter sehen, um einige Minuten Material zur Illustration der Sachlage zurückzubringen. Vor Ort entpuppte sich die Kapitänsattrappe als Korinthenkacker, der vor laufender Kamera ellenlange Vorträge über seinen Apparat zu halten begann und Spezifi- kationen ausbreitete, die hinterher natürlich wieder herausgeschnitten werden mußten. Freund O. wurde zunehmend nervös; einerseits wollte er weder dem Fachmann seine Begeisterung und so eventuell die Kooperationsbereitschaft nehmen, andererseits muß ein Profi natürlich beständig die laufenden Kosten im Auge behalten, die ein Kameramann, ein Toningenieur und ein Beleuchter pro Stunde erzeugen. Nach dreißig Minuten Ausschuß auf Band und einem beinahe erschöpften Drehbudget war es schließlich soweit: Der Captain warf den Riemen auf die Orgel, forderte vom "Tower" eine "Startgenehmigung" an und "hob" schließlich "ab": von London Heathrow mit Ziel New York. Der Start war erfolgreich, und nach weiteren zehn Minuten Dreh "flog" die "Boeing" ohne weitere Zwischenfälle Richtung Amerika. Das Kamerateam ging Zigaretten rauchen, knappe zwanzig Sekunden waren im Kasten. Nun könne man doch, frug der Fernsehmann vorsichtig, eventuell zum Landeanflug übergehen...? Das gebe vermutlich am meisten her, gefragt seien im Fernsehen ja die starken Bilder! Der Simulationspilot legte zwei Kippschalter um, warf einen Blick auf den Höhenmesser und erklärte mit bedächtiger Sturheit: So ein transatlantischer Flug dauere eben - acht Stunden etwa, mit etwas Glück und ein bißchen Rückenwind eventuell eine halbe Stunde weniger. Nach weiteren zehn Minuten war klar, daß weitere Diskussionen nichts ändern würden, und mit Produktionskosten des mehrfachen Äquivalents eines sehr realen Fluges nach New York, aber ohne Filmbeitrag, traf O. zwei Stunden später im Sender ein. Oliver Nagel
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