Inhalt der Printausgabe

Zwielichtige Künstler
Darf man diese Kunst noch zeigen?

Seit Produktions­firmen es gelegent­lich als nicht rentabel erachten, Kunstwerke von Belästigern und Vergewaltigern zu promoten, werden große Fragen gestellt wie: Darf man Kunst von ihren Urhebern trennen? So als gäbe es unter kapitalistischen Bedingungen andere Instanzen als den Markt, die über Moral bestimmen, haha. Doch halt, gibt es: Torsten Gaitzsch (Dr. phil.) und Tim Wolff (Magister artium) entscheiden jetzt einfach mal, wessen Werke noch präsentabel sind und wessen nicht!

NEIN

Dieter Wedel, der Macher hinter, auf und in fesselnden bis quälenden Fernsehspielen wie »Der große Schwellheim« und »Die Affäre Pimmeling« hat jahrelang auch privat mit Sexverbrechen geprahlt. Bald darf er das vor Gericht. Grund genug, seine Produktionen nicht mehr zu zeigen? Sicherlich. Aber hätte dafür nicht bereits die Tatsache gereicht, daß er 21. Träger des Pfälzer ­Saumagen-Ordens ist? 

Ja

Klar, homophobe, rassistische und antisemitische Ausfälle gehen gar nicht. Für all diese Fehltritte hat Mel Gibson aber längst Reue gezeigt und gebüßt (»Machete Kills«) – und außerdem eine Erklärung geliefert: Er hat ein Alkoholproblem. Gibsons Filme zu meiden wäre mithin Ableismus! Man sollte sie losgelöst von etwaigen Privat-Ausrutschern betrachten und »Apocalypto«, »Hacksaw Ridge« und »Die Passion Christi« als das genießen, was sie sind: unpolitischer, künstlerisch wertvoller Torture-porn eines genialen Schweins.

Ja

Die Grunge-Röhre Courtney Love hat – angeblich! – Kurt Cobain in den Tod getrieben. Was bis heute ihre künstlerisch wertvollste Tat ist. Bitte bis ans Lebensende finanziell unterstützen!

JaIN

Puh, hmmm, besonders schwierig. ­Kompromiß: »Die Bill Cosby Show« wegen Klassismus bitte nicht mehr gucken, die Stand-up-Programme des Komikers/Cocktailmischers aber ruhig weiterhin besuchen, weil man ohnehin nichts versteht (»Dabbidy-zippity-boo«).

JA

Oliver Welke, so hört man in der Branche, ist der einzige Mensch weltweit, der privat nicht nett ist. So soll er auf Zimmerpflanzen urinieren, vorm überraschten Oliver Kahn (»Ich brauche jetzt keine Eier!«) masturbiert und gerüchteweise aus Langeweile (»Heute Show«) NSU-Prozeßzeugen ermordet haben. Seine Sendung sollte aber natürlich weiterhin ausgestrahlt werden, damit AfDler von ihrem sonstigen gefährlichen Irrsinn ­abgelenkt werden.

Ja. ODER NEIN. ODER DOCH. ODER NICHT?

Der niederländische Maler Maurits Cornelis Escher galt seinen Zeitgenossen als »unmögliche Figur«. Einige glaubten, er umgebe sich ständig mit kleinen Mädchen, andere sahen eher Schwäne. Ein Frau behauptete, Escher habe sie in einem Käfig gehalten, aus dem es kein Entrinnen gab, sie sei immer wieder am Ausgangspunkt heraus­gekommen. Die Polizei hielt das aber für eine ­optische Täuschung.

NEIN

So ikonisch die Bilder vom Meisterwerk »Polenfeldzug« auch sein mögen: Sein Drahtzieher ist ein ­zu Recht von der Wiener Kunstakademie abgelehnter Maler, dessen naive Postkarten von mindestens zweifel­hafter Qualität sind.

JA

Der 2017 verstorbene Familienmensch Charles Manson schrieb Songs, die später u.a. von Guns N‘Roses, den Beach Boys und Marilyn Manson (nicht verwandt) gecovert wurden. Man könnte ihn also berechtigterweise als profitgieriges Arbeitstier mit Hang zur Geltungssucht kritisieren. Andererseits hat Manson im Gegensatz zu anderen Größen im Musikgeschäft nie zum Israelboykott aufgerufen, keine norwegischen Stabkirchen angezündet und sich nicht an kleinen Jungs vergangen. Man gebe seinem Werk posthum eine Chance!

NEIN

Der kleine Sören-Jörn (3) und seine Schwester Yvette-Lustigerdoppelname (5) räumen ihr Zimmer nicht auf, essen die Suppe nicht und müßten um diese Zeit längst im Bett liegen! Deswegen kommen diese „Gemälde“ auch nicht an den Kühlschrank. Und jetzt Licht aus!

NEIN

Haben Sie nach dem Lesen dieses Artikels ein mulmiges Gefühl? Zu Recht! Die Autoren haben 1) freiwillig »Rosemaries Baby« von Roman Polanski gesehen, 2) nie ein Gedicht von (Nora-Eugenie) Gomringer kritisch hinterfragt, und sind 3) Operierende Thetanen der Stufe V. Eigentlich nicht druckfähig!

In diesem Artikel haben wir unhaltbare Behauptungen über Oliver Welke aufgestellt. Wir haben das aus inhaltlichen Gründen getan und sind davon ausgegangen, daß Oliver Welke Spaß versteht. Wir wußten jedoch nicht, daß er in Wahrheit ein typisch deutscher überambitionierter Sportmoderator ist.

Für TITANIC war die Satirebehinderung von Oliver Welke nicht erkennbar – es war nicht unsere Absicht, uns über diese Behinderung lustig zu machen. Hätten wir davon Kenntnis gehabt, hätten wir den Beitrag natürlich nicht gedruckt.

TITANIC

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Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg