Inhalt der Printausgabe

Am EIGENEN LIFE erfahren

Selbstversuche: Im Durchschnittsalter von 12,3 Jahren fangen Menschen an, sie durchzuführen – und verlieren ein Leben lang nicht den Spaß daran. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch Journalisten sich nicht mehr damit zufrieden- geben, nur zu beobachten, sondern auch selber »machen« wollen und aufregende Extremreportagen feilbieten. TITANIC stellt die heißesten Experimente der deutschen Journaille vor.

Der moderne Klassiker: Burkaversuch

Es ist das beliebteste Experiment des Jahres 2016: Findige Journalistinnen schlüpfen unter eine Burka, laufen 24 Stunden durch ihren Kiez, versuchen Smoothie und Quinoa-Salat durch das Augengitter zu bekommen und enthüllen sich dann kurze Zeit später in ihrem Schmierblatt. Zu Grabe getragen wird der Trend jetzt endlich durch zwei Reporter, die weiter gehen als je zuvor: Matthias Matussek möchte »verstören und den scheiß Islamerern etwas katholischen Rock’n’Roll bieten«, schlüpft also für die »Huffington Post« unter eine Burka, stürmt eine Kölner Moschee und entblößt das Leibchen lüpfend sein Hochzeitswerkzeug. Die Haßprediger sind sprachlos. Nicht weniger gewagt ist das Experiment der ehemaligen Stern-Journalistin Laura Himmelreich: Als neue Chefin der deutschsprachigen Vice möchte sie ein Zeichen setzen und sich FDP-Granden Rainer Brüderle diesmal in einer Burka statt einem Dirndl nähern. Als sie ihn an einer Hotelbar damit konfrontiert, entgegnet dieser mit einem souveränen Klaps auf das umstrittene Gewand: »Liebes, ich hab dich doch schon von da hinten gerochen, hähähicks!«

Für immer offline

Ein Risiko bleibt: Selbstversuche können sich verselbständigen und furchtbar schiefgehen. Ebenfalls vom Szenemagazin Vice wird die junge Autorin und Poetryslammerin Julia Engelmann zu Beginn des Jahres mit einer Reportage beauftragt, für die sie das gesamte Jahr 2016 ohne Internet und Smartphone auf einem verlassenen Hof in Brandenburg verbringen soll. Weil die Vice-Redaktion bereits am 2. Januar die Adresse des Hofes verschlampt hat, besteht seitdem keine Möglichkeit mehr, Engelmann zu kontaktieren oder zu finden. Das Foto unten setzte ein Suchtrupp der Polizei Brandenburg über Instagram ab, bevor die Beamten im September nachts in einem Waldstück verschwanden.

Das Jenke-Experiment: Das Enke-Experiment

Jenke von Wilmsdorff ist mit gerade mal 50 Jahren der junge Wilde unter den Selbstversuchlern, entsprechend »hardcore« (Jenke) ist Jenke: Jenke fraß, Jenke soff, Jenke kiffte, Jenke nahm harte Drogen – und trotzdem ging Jenke zur Arbeit, um Reportagen zu drehen. Doch auch er muß nun dem Verlangen des Publikums nach immer gefährlicheren Selbstversuchen nachkommen: Das Enke-Experiment soll alles bisher Gesendete in den Schatten stellen. Für den Langzeitversuch unterschreibt Jenke zunächst einen Vertrag bei Hannover 96, geht mit Vereinspräsident Martin Kind zum Abendessen und muß sich eine Wohnung in Hannover suchen. Nach zwei Wochen ist Jenke »physisch und psychisch am Ende«, schnallt sich eine Go-Pro-Kamera auf den Kopf und schmeißt sich vor…

Food-Eßperiment Ernährung

»Vegan, vegetarisch, Flexitarier, Paleo, Bukkake, Pescetarier, glutenfrei, Carbonara – ich bin raus, ich esse jetzt, was auf den Tisch kommt«, moderiert Top-Frau Barbara Schöneberger die große ZDF-Gala »Das Barbara-Eßperiment« an und läßt sich von einem völlig enthemmten Horst Lichter auf den Prachtbusen trommeln. Günther Jauch moderiert, Eckart von Hirschhausen betreut medizinisch und Rollstuhlkellner Samuel Koch fährt zu den Klängen des Revolverheld-Orchesters eine Speise nach der anderen auf. Bilanz: ein teurer Spaß.

Wallraff extrem

Der Großmeister des Selbstversuches Günter Wallraff, hat schon einiges »durchgezogen«: unterbezahlter Postbote, Schuhcreme-Neger bei der Bild und Prostituierte in Hannes Jaenickes Affenbordell. Zu sagen, daß man ihm dies nicht ansehe, wäre gelogen. Jetzt möchte Wallraff es noch mal wissen und seinen größten Coup landen: Er schleicht sich als Praktikant »Günni« in die Redaktion seiner eigenen RTL-Sendung »Team Wallraff – Reporter undercover« ein. Wallraff ist zu Beginn zuversichtlich, arbeitsrechtlich wie sexuell ausgebeutet und erniedrigt zu werden – doch der Plan geht nicht auf. Die Kollegen behandeln ihn bestens, nehmen ihn herzlich auf. Als er die Redaktionsleiterin schließlich entnervt fragt, warum ein Praktikant so gut umsorgt werde, erwidert diese: »Tja, der Chef ist im Urlaub, da läuft so manches anders.«

Die Rothenhöfer-Verschwörung

Er war in Palästina, beim IS und ist Admin auf seiner eigenen Facebook-Seite: Jürgen Todenhöfer. Für sein neues Buch »Allein unter Tätern« nimmt er eine neue Identität an, reist als Shlomo Rothenhöfer nach Israel und tritt dort den Wehrdienst an. Schwer bewaffnet läßt er sich von seinem Sohn Frederic in den Gazastreifen fahren, um in Schulen, Krankenhäusern und Suppenküchen um sich zu ballern. Nachdem er festgenommen und von einem Hamas-Gericht zu einem Dutzend Sozialstunden verurteilt wurde, wendet sich Todenhöfer an die Bundeskanzlerin: »Inschallah, der Beweis ist erbracht, wir dürfen die israelischen Aggressoren nicht weiter unterstützen. Dein JT.«

Moritz Hürtgen

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella