Vom Fachmann für Kenner | Juli 2015


Akademikerlatein

Betreten meine Wissenschaftskollegen neues Forschungsterrain, sprechen sie von einer »Pilotstudie« oder gar vom »pilotieren« – das Wesentliche sollte bekanntlich im Verb ausgedrückt werden. So oft, wie sie jedoch ihre zu testenden Versuchsparadigmen gegen die Wand fahren, sollten sie lieber von »chauffieren« sprechen. Zumal sie anschließend gerne aus der Haut fahren, will sagen: sich echauffieren.

Michael Höfler

Nicht therapieren!

Neulich hat es sich zum ersten Mal gelohnt, daß ich beim Auspacken von Briefumschlägen immer dreimal nachschaue, ob ich auch wirklich alles rausgefischt habe. Da war ein Blatt Papier am Klebestreifen hängengeblieben und wäre fast übersehen worden. Nur weil du neurotisch bist, heißt das nämlich noch lange nicht, daß es keinen Grund zur Hysterie gibt!

Tina Manske

Soll ’n das?!

Um mir die Aufenthalte im heimischen Café halbwegs erträglich zu gestalten, stelle ich mir gern vor, alle anderen mir unbekannten Anwesenden seien hochintelligente Wissenschaftler, Mediziner, Nobelpreisträger, Literaten und Intellektuelle. An manchen Nachmittagen gelingt den Anwesenden diese Täuschung derart überzeugend, daß ich empört aufspringe und schimpfend das Café verlasse: Ja, haben die denn alle nichts Besseres zu tun?!

Peter P. Neuhaus

Lebensglückhilfe

Um essentielle Aufgaben nicht zu vergessen, lege ich ab und an in der Notiz-App meines Taschentelefons eine »To-Do-Liste« an. Wochen später, wenn ich jene Applikation erneut aufrufe, um weitere äußerst wichtige Vorhaben einzutragen, evoziert das Wiederentdecken der älteren, vergessenen und längst verstrichenen Termine ein wohliges Gefühl: Es ging also auch ohne. Es wird ohne weitergehen.

Cornelius Oettle

Kopflasten

Ständig diese unverschämten Vorurteile, die besagen, als Autor sei man automatisch verkopft und habe angeblich auch noch einen übertriebenen Hang zur Schwermut. Das zieht mich jedes Mal so runter, da muß ich dann immer erst mal in Ruhe darüber nachdenken.

Fabian Lichter

Spott und Hohn

Ich muß es mir wohl eingestehen. Der Kapitalismus hat gesiegt. Die Konzerne regieren die Welt, überwachen unser Leben. Das für sich ist schon keine schöne Nachricht, aber müssen sie es mir auch noch unter die Nase reiben? Muß mein Smartphone das berühmte Marx-Zitat wirklich zu »Proletarier aller Länder, verneigt euch« korrigieren?

Ernst Jordan

Stückwerk

Ich habe neulich einen stotternden Freund gefragt, ob in seiner Familie alle stottern. Er antwortete: »Sa…sage… gen w… wir ma… mal so, ich ko… komme a… aus ei… einer Patchwordfamilie.«

Uwe Geishendorf

… aber!

Vorweg: Ich bin nicht rassistisch! Jeder Zeitgenosse ist mir gleich lieb, unbesehen von Herkunft, Aussehen, Sprache oder noch so exotischen Gewohnheiten. Neulich im Bus zwängte sich zum Beispiel so ein Korpulenter auf den Sitzplatz neben mir, obwohl in den Reihen hinter uns alles frei war. Nun, dachte ich bei mir, schaut halt auch gern durch die große Scheibe oder ist das aus seiner Heimat so gewohnt. Allein Bus fahren in einer Metropole hat ja doch mitunter etwas Beängstigendes. Störte ja auch nicht weiter; der mehr Breite als Große bemühte sich auch, mich nicht mehr als nötig zu bedrängen. Und das, obschon er sich unablässig mit beiden Händen laut rasselnd über Stirn und Gesicht strich, hernach den Kopf heftig schüttelte, um dann erst seine Handflächen und anschließend die Finger eingehend zu betrachten. Einmal, dreimal, unablässig. In dieser Abfolge; schaben, schütteln, inspizieren. Wird wohl ein Tic sein, der ihn sicher mehr stört als mich, oder gar ein mir unbekanntes Gebetsritual. Ich bin ja so unwissend in dieser Richtung, kam daher nicht umhin, den Trumm von einem Kerl, der mir da auf die Pelle rückte, verstohlen und neugierig auf weitere Absonderlichkeiten hin zu erforschen. Alles, soweit sichtbar, erschien mir normal, nichts bot einen ungewöhnlichen oder gar verstörenden Anblick – bis auf die Fingernägel. Ich will ja nicht schlecht von meinen Mitmenschen denken, aber: die waren wirklich schwarz.

Maik Hölzel

Sternstunden des Irrens

Seitdem ich erfahren habe, daß es sich bei Morgenstern und Abendstern um denselben Himmelskörper handelt, verwechsle ich letzteren ständig mit Ringelnatz.

Isabelle Aimer

Kunstgeschichtliche Anekdoten

In seiner Eigenwerbung pries sich Girolamo Frescobaldi (1583 bis 1643) mit einem wirklich saublöden Wortspiel um seinen Nachnamen als Künstler an, der in der Lage sei, Wand- und Deckengemälde unverzüglich anzufertigen. Doch auch nach Online-Überweisung des geforderten Honorares erhielten die enttäuschten Kunden nach frühestens sechs Monaten lediglich eine Partitur eher mittelmäßiger Frühbarockmusik, mit der Aufforderung des Schelms, sich diese gegebenenfalls an die Wand zu tapezieren. Frescobaldi reüssierte daher nie richtig als Maler und ist bis zum heutigen Tage als Komponist verschrien.

Helge Möhn

Sucht und Ordnung

»Typisch deutsch!« schoß es mir durch den Kopf, als ich an der Bushaltestelle in den welken Fingern einer alten Frau eine blecherne »Fishermans Friend«-Dose erblickte, genutzt zur Aufbewahrung ihrer Zigaretten und folgsam beklebt mit dem ausgeschnittenen EU-Warnhinweis, wonach Rauchen die Gesundheit gefährdet.

Susanne Feldt

Metaphysisches, allzu Metaphysisches

Was mich mit zunehmenden Alter – und damit auch zunehmender Anzahl von Verstorbenen im Bekanntenkreis – an der Vorstellung eines Weiterlebens nach dem Tod am meisten stört, ist der Umstand, daß die Toten einen wahrscheinlich aus dem Jenseits beim Wichsen beobachten können.

Christian Y. Schmidt

Lebensziele

Die Möglichkeiten sind ungezählt. Sollte ich alles daran setzen, geringfügig älter zu werden als James Dean? Mich noch maßloser der Völlerei hingeben als Gandhi? Deutlich weniger Schaden anrichten als Hitler? Ehrgeiziger sein als der Typ, der neulich beim Kiosk vorne am Eck anfragte, ob die eine Aushilfe bräuchten, am besten an Samstagnachmittagen, damit er ausschlafen könne; der, als die Frau hinter der Ladentheke sagte, sie wisse nicht, aber erkundige sich bei Gelegenheit beim Inhaber, abwinkte und meinte, er wolle doch keine Umstände machen, so wichtig sei die Sache auch nicht – kurz: Das schaut mir doch nach einem recht vernünftigen Plan aus.

Theobald Fuchs

Nationalgedanke

Denk ich an Deutschland in der Nacht
muß ich einen wirklich seltsamen Abend verbracht haben.

Tim Wolff

Gedankengulasch

An einem sonnigen Tag im Spätsommer setzte ich mich an meinen Schreibtisch, um einen Witz für einen Cartoon-Wettbewerb zu zeichnen, dessen Einsendeschluß ein halbes Jahr vor Bekanntgabe der Gewinner lag. Als ich meine Idee skizzierte, in der ein junger Syrer bei »Wetten, daß…?« eine gute von einer bösen Bombe allein durch Betrachten der durch sie entstandenen Trümmer unterscheiden will, kam mir plötzlich dieser Gedanke: Hoffentlich ist dann da unten überhaupt noch Krieg, wenn die Jury den Cartoon sieht. Schockiert grübelte ich lange, wie mir nur so etwas Abartiges durch den Kopf gehen konnte. Nach ein paar Tagen entschied ich mich dann doch, den Cartoon noch schnell zu zeichnen. Und wie es der Zufall wollte: Als die Jury Anfang dieses Jahres schließlich tagte, gab es da unten tatsächlich noch Krieg. Nur hier kein »Wetten, daß…?« mehr.

Teja Fischer

Heisenberg am Tresen

Ich weiß zwar noch, wo ich getrunken habe, aber nicht mehr, wie schnell.

Karsten Wollny

Heitere Supermarktverleumdung

Bei Rewe gibt es einen Schokoaufstrich namens »Dunkles Geheimnis«. Das dunkle Geheimnis besteht darin, daß die dafür verwendeten Kakaobohnen besonders unfair gehandelt werden.

Torsten Gaitzsch

Smalltalk-Handwerk

Gelernt ist gelernt. Wie etwa, wenn meine Friseurmeisterin einer Kundin auf die Aussage »Daß es im Süden immer warm ist, ist auch nur ein Klischee!« dieses erwidert: »Stimmt, bei den heutigen Zeiten.«

Jan Küthe

Eine Frage des Stils

Lange habe ich zu ergründen versucht, warum es bisher noch keine Frau länger als bis zum nächsten Morgen bei mir ausgehalten hat. Nachdem ich – 1,88 m, durchtrainiert und gut situiert – als passionierter Hobbykoch, verständnisvoller Zuhörer und eloquenter Gesprächspartner mit vielseitigen kulturellen Interessen, als ebenso einfühlsamer wie ausdauernder Liebhaber und treuer Begleiter in allen Lebenslagen mittlerweile ausschließe, daß es an mir selbst liegt, kann als Ursache nur noch eines in Betracht kommen: die Abtörnfarbe an meinen Wänden.

Daniel Sibbe

Schockdiagnose

Von Minute zu Minute fiel mir das Atmen durch die Nase schwerer. War eine Erkältung im Anflug? Sollte ich das erste Mal in meinem Leben Heuschnupfen haben? Kurze Zeit später dann aber die Erleichterung: Meine Brille war lediglich nach unten gerutscht.

Vivien Tharun

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
16.05.2024 Regensburg, Alte Mälzerei Max Goldt
17.05.2024 A-Linz, Posthof Max Goldt
18.05.2024 Wien, Rabenhoftheater Max Goldt
23.05.2024 Bielefeld, Theaterlabor Max Goldt