TITANIC Reportage: Berufung Polizei - Ein Leben für die Großstadtrevue
Ein jeder schätzt sie, und wo auch immer sie auftreten, zaubern sie ein Lächeln in die Gesichter der Menschen: Polizisten. Polizist sein, das heißt aber auch, ein Leben am Rande der Gesellschaft führen, im ständigen Kampf um Anerkennung und Sicherheit. Denn nur die wenigsten von ihnen können auch wirklich davon leben. Die meisten schlagen sich mit Zweit- und Drittjobs durch das Leben, so daß immer gerade noch genug für das Nötigste da ist. Der berühmte Notgroschen für das Pils zum Frühstück, die Currywurst zum Abendbrot.
Immer mehr Polizisten arbeiten auch nachts, abseits des Reviers, ein Großteil von ihnen als Stripper. Strippen, das heißt schnell verdientes Geld und eine gewisse Linientreue, denn die Uniform ist immerhin dieselbe. Tagsüber die Leute wie erwartet nach allen Regeln der Kunst zu schikanieren und zu strafen und ihnen abends zum verruchten Sound von "Eins, Zwei, Polizei" um die Lenden schlängeln, das ist ein Spagat, an dem nicht wenige zerbrechen und irgendwann einen anderen, einen bürgerlichen Weg einschlagen. "So etwas Schöngeistiges wie der Polizeiberuf ist nun mal eine Leidenschaft, eine Herzensangelegenheit, für die heute kein Platz mehr in unserer Gesellschaft zu sein scheint. Wenn man so will, sind wir Künstler", sagt "Lulu", seinen richtigen Namen möchte Werner W. nicht vollständig in der Presse lesen. Zu tief sitzt die Scham vor der Familie, vor einer Gesellschaft, die immer noch in ihrer heilen "Sonntagabend-Tatort-Traumwelt" lebt, wie W. Witzel es nennt.
Das Leben in der Beamten-Bohème ist ein fortwährender Seiltanz. Ein kräftezehrender Balanceakt zwischen dem schillernden Dasein als gefeiertes Starlet mit Marke und Schußwaffe auf dem Parkett deutscher Innenstädte und dem ständig drohenden Verschlucktwerden vom Dunkel der Gosse. Nur wenigen bleibt das Glück vorbehalten, vom Geheimdienst finanziell gefördert zu werden. Für den Rest bedeutet der Beruf die permanente Selbstaufgabe. Oft endet dies wie bei Lulu im Doppelleben zwischen Blau- und Rotlichtmilieu. Alles aus Liebe zum Dienst.
Schicksale, die unbequeme Fragen aufwerfen. Fragen wie die, was heute noch vom einst so prächtigen Polizeistaat übrig ist. Verhalten wischt sich Lulu eine Träne aus dem Gesicht, bevor er zu seinen Kollegen vom Dezernat auf die Bühne steigt und sich gekonnt an die Stange schmiegt. "Was soll's", sagt er noch mit diesem typischen Lächeln, wie es nur Polizeibeamte zu lächeln wissen, "the show must go on!"
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