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TITANIC Plattenkritik: Tocotronic – Unendlichkeit

Lange war es angenehm still um die Hamburger Originale von Tocotronic, doch jetzt schickt die eigensinnige Musikantentruppe sich mit einem neuen Longplayer an, die kommende Festivalsaison aufzumischen. "Unendlichkeit" heißt das Machwerk aus der Kugelschreiberfeder von Mastermind und Allrounder Dirk von Lotzow – wohl ein Verweis auf die Unendlichkeit. Die Platte geht direkt rockig los: eingängige Riffs, deftige Drums, dazu röhrt Lotzow in bekannter Manier einen flott gereimten Text über die Unendlichkeit der Liebe und fragt seine Angebetete, ob sie ihm bis ans Ende des Universums folgen möchte. So kennt man es von den "deutschen Foo Fighters" (Linus Volkmann), das ist das Erfolgsrezept, mit dem seit Jahren Kasse gemacht wird. Und so ist es wenig verwunderlich, daß in formaler Hinsicht auf dem Album kaum Überraschungen zu verzeichnen sind.

Es wird solide gerockt, die Tonart ist durchgängig C-Dur, fast meint man im Hintergrund die Bierflaschen aneinanderscheppern zu hören. Stimmungsmucke vom Feinsten pur, die einfach überall funktioniert, ob im Stadion oder beim Abschlußball einer Realschulklasse! Doch nicht zu unrecht ist Tocotronic weniger für seine musikalischen Arrangements denn für Inhalte berühmt. Textlich wagt man sich auf teilweise unbeackertes Terrain, etwa bei "Electric Guitar", wo der ehemalige Maschinenbaustudent Lotzow die Funktionsweise einer elektrischen Gitarre detailliert erklärt. Das wirkt durch den Reimzwang zwar teilweise bemüht, doch sollte dieses Experiment wohl auch mit einem Ohrenzwinkern gehört werden, etwa bei Zeilen wie diesen: "Und dann vibriert die Saite wie ein Vibrator, / das elektrische Signal wird weitergeleitet wie durch ein Rohr." Immerhin spart man sich durch das Lied die Lektüre des entsprechenden Wikipediaartikels, eingängiger wurden Bildungsinhalte noch nie transportiert!

Neu ist auch, daß Tocotronic sich von seiner politischen Seite zeigt. "Ich lebe in einem wilden Wirbel" ist eine Abrechnung mit dem Kapitalismus und "denen da oben“ (Lotzow). Man wolle "rocken, ohne zu stoppen, bis das System zusammenbricht". Rassismus erteilt Tocotronic in "Bis uns das Licht vertreibt" eine klare Absage, doch wird zugleich die Frage gestellt, ob bei der Wiedervereinigung alles mit rechten Dingen zugegangen sei oder ob nicht vielmehr gierige Westfirmen die Ossis ausgenommen hätten, weshalb diese sich nun hintergangen fühlten und anfingen, Asylbewerberheime anzustecken. Unbequeme Fragen zu stellen, auch das ist eine Spezialität der Band, die sie leider nur selten zeigt. Und dann wäre da natürlich noch der genialische Schlußtrack "Alles was ich immer wollte war alles", der wie der Opener so richtig ans Herz geht. Mit dieser Geschichte von zwei jungen Leuten, die unsterblich verliebt sind, aber immer aneinander vorbeilaufen, bis sie sich zum Schluß nach vielen Läuterungen doch noch kriegen, verabschiedet sich Tocotronic und zeigt, daß sich die Band vor deutschsprachigen Größen wie Silbermond, Blumentopf oder den Toten Hosen nicht zu verstecken braucht. Unterm Strich läßt sich sagen, daß "Unendlichkeit" genau das Album ist, das die Fans der ersten Stunde von Tocotronic erwartet haben, und die vier Jungs haben mal wieder astrein geliefert!

Wertung: 8/10 Nietenarmbänder

Kategorie: Allgemein



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Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

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Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

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