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"Postkolonialismus ist kein Ponyhof"

Shooting-Star und Troublemaker zugleich: Jens Spahn ist für die Union, was Jesus für Gott war. Durch seine Rolle als Gesundheitsminister in der größten Pandemie der jüngeren Geschichte ist der Mann mit den Knopfaugen noch wichtiger geworden als er sich vorher schon selbst fand. TITANIC hat ihn zum Interview getroffen.

TITANIC: Herr Spahn, vielen Dank, dass – 

Spahn: Herr Minister Spahn, bitte.

TITANIC: Okay. Herr Minister Spahn. Steigen wir unverfänglich ein: Sind Sie denn schon geimpft?

Spahn: Ja, ich konnte sogar Biontech ergattern. 

TITANIC: Was soll das denn heißen?

Spahn: Alle anderen Impfstoffe sind auch ganz toll. Aber Biontech ist einfach eine persönliche Präferenz. Dann kriege ich schneller die Freiheit zurück, mit den Jungs von Burda geile Gartenparties zu feiern. 

TITANIC: Klar, das wollen wir alle. 

Spahn: Darf ich eine Frage stellen? Haben die Deutschen mir schon verziehen? Vor einem Jahr habe ich gesagt, dass wir uns viel verzeihen werden müssen, und da wollte ich einfach mal nachfragen, wie es damit so läuft.

TITANIC: Hm. Also unserer Einschätzung nach sind jetzt nicht alle Fans von Ihnen. 

Spahn: Das Gefühl habe ich nämlich auch! Können die Menschen nicht einfach mal dankbar sein? Immerhin sind hier schon ein paar Leute geimpft. Ich meine, wir haben den armen Ländern nicht umsonst sämtlichen Impfstoff vorenthalten. Postkolonialismus ist kein Ponyhof. 

TITANIC: Glückwunsch. Und was ist mit der Masken-Affäre? Da haben Sie und die Union sich ja auch nicht mit Ruhm bekleckert. 

Spahn: Hey, immerhin haben wir nicht gekleckert! Aber jetzt mal Scherz beiseite: Kann man es den geschätzten Kollegen, die jeden Tag hart für ihr Land arbeiten, verübeln, dass sie sich in diesen schwierigen Zeiten ein bisschen was dazuverdienen wollen? Wir Politiker können ja im Moment auch nicht mehr auftreten, da bleibt uns nur noch das spärliche Abgeordnetengehalt. 

TITANIC: Stichwort Maskenaffäre: Gerade ist ans Licht gekommen, dass Sie defekte Masken an sozial Benachteiligte, Menschen mit Behinderungen und Pflegekräfte verteilen wollten. 

Spahn: Mein Gott! Jeder macht mal kleine Fehler. Und überhaupt: Diese Pandemie ist für uns alle hart. Die einen können nicht mehr ins Grill Royal, andere kriegen Masken, die vielleicht ein bisschen löchrig sind. Das wichtigste ist doch, dass wir am Ende als ein großes Team hier durchgegangen sind. Ich als Jogi, die Deutschen als Müller.

TITANIC: Finden Sie, dass manches Leben mehr wert ist als anderes?

Spahn: Nächste Frage. 

TITANIC: Stört es Sie, dass Sie nicht der Kanzlerkandidat der Union geworden sind?

Spahn: Warum fragen mich das immer alle? Nein, natürlich nicht. Ich unterstütze Armin Laschet voll und ganz. Ich finde Armin Laschet so richtig toll! Ich habe sogar ein Foto von mir und Armin Laschet gefunden, auf dem wir beide lächeln. Armin Laschet hat meinen "full support". 

TITANIC: Sie wären also nicht gerne Kanzler geworden? Das glaubt doch kein Mensch. 

Spahn: Erstens, mal kurz off the record (ab hier off the record, Anm. d. Red.): Kanzlerkandidat der Union heißt noch lange nicht Kanzler von Deutschland mit diesen grünen Birkenstockdödeln auf dem Vormarsch. Und zweitens, und das ist meine offizielle Antwort: Natürlich kann ich mir vorstellen, eines Tages Kanzler zu werden. Aber jetzt ist erstmal die Zeit des Armin Laschet, und das ist auch gut so. 

TITANIC: Super. Jetzt noch eine entspannte Frage zum Abschluss: Was planen Sie denn für Ihren Sommer?

Spahn: Mal eine Woche keinen Kontakt zu Lothar Wieler haben.

 

Antonia Stille

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Briefe an die Leser

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

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Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg