Marine Le Pen im Porträt – Annäherung an eine interessante Frau
Wer das Phänomen Marine Le Pen verstehen möchte, muß in die französische Champagne fahren, tief hinein in die Einsamkeit der Weinberge, wo die Reben seit Jahrhunderten in der Erde wurzeln, und sich vorstellen, ein Haufen Islamerer hätte sich dort eingenistet, vergiftete die Erde, verarbeitete faulige Trauben zu Most und pinkelte schließlich die Schaumweinfässer voll – statt all das wie gehabt die Winzer erledigen zu lassen. Gedanken wie diese sind es, die Marine Le Pen zu dem gemacht haben, was sie ist: eine Politikerin, die gerade Frankreichs erfolgreichste Partei anführt, die den Franzosen die beste Regierung seit der NSDAP verspricht. Sie ist eine Frau kurz vor dem Höhepunkt, bereit für den ganz großen Knall. Diesen Zustand freilich hat sie sich hart erarbeitet, lange deutete nichts auf eine solche Karriere hin. In ihrer Kindheit galt Marine als braves Kind, wenn sie nicht mit Ausländern spielte; wie viele Mädchen ihres Alters träumte sie davon, eines Tages ihren Vater zu heiraten und dann umzubringen. An die Möglichkeiten der Politik dachte sie damals noch nicht. Allerdings, so berichten ehemalige Weggefährten, machte sich bei ihr früh ein ausgeprägter Ungerechtigkeitssinn bemerkbar. Auch habe Marine Le Pen schon als Heranwachsende eine Leidenschaft für die Pflege nationaler Werte empfunden: Dreimal täglich wusch und bügelte sie die zehn Quadratmeter große Tricolore des Hauses und wickelte anschließend wieder den Familienkäse hinein. Und doch fremdelte sie bereits mit Teilen ihres Landes, fühlte sich nicht gebührend zurückgeliebt, von François näm- und namentlich, der lieber zur Marine als zu Marine wollte. Enttäuscht wandte sie sich Vater Jean-Marie Le Pen zu und öffnete sich für seinen strammen Front National, zu dessen Vorsitz sie sich dereinst aufschwingen und ihren Papi schließlich absägen sollte. Parteiintern galt sie schon bald als Naturtalent, auch das politische Programm zu verstehen, fiel ihr nicht schwer, und so bahnte sie sich unaufhaltsam den Weg an die Macht, verschliß dabei zwei Gatten, Dutzende Kuchenstückchen und eine Jeans. Mit der Zeit ist sie hart geworden, vom fröhlichen Faschismus ihrer Anfangstage, als sie Flüchtlinge schon mal zu einer Partie Schwimmen im Mittelmeer einlud, ist nichts mehr zu spüren. Was sie in all der Zeit geformt und im Kampf mit politischen Gegnern und Freunden gestählt hat, sind die großen und kleinen Verletzungen, die sie anderen zufügen konnte. Als "kalt und berechnend" beschreiben sie ihre Haushaltsgeräte; ihr seelenloses Eisherz hat sie sich herausoperieren und durch eines aus Haß ersetzen lassen. Und doch bzw. gerade deshalb gilt sie Beobachtern als diejenige, die den Front National entdämonisiert hat, die es geschafft hat, Wähler aller gesellschaftlicher Schichten anzusprechen und auf ein Techtelmechtel mit nach Hause zu nehmen. Nach außen spielt sie die joviale Vatermörderin mit Familiensinn und Nationalfimmel, die nette Mutter, die einem das Gefühl gibt, sie schon ewig aus einem DIY-Video zu Holzperlenschmuck oder Hakenkreuzstickereien zu kennen. War ihr Vater noch ein überzeugter Antisemit und Holocaustleugner, wirbt Marine Le Pen inzwischen auch um Stimmen von Juden, die sich vorstellen können, übergangsweise vom Front National toleriert zu werden; wo ihr Vater noch die Wiedereinführung der Guillotine befürwortete, wirbt Marine Le Pen um sanfte alternative Tötungsmethoden. Nur manchmal fällt die Maske, dann sieht man die ehrgeizige Nazikrampe hinter der fleißigen Faschomami. In solchen Momenten, das weiß sie, ist es besser, den Kopf zu entlasten, einmal auszusetzen und die Probleme des Landes mit etwas Abstand zu betrachten. Dann kann man sie oft durch die Champagne fahren sehen, das Gewehr im Anschlag, auf der Suche nach Volksschädlingen und Humanunkraut, immer im Dienste der "Grande Nation". So präsentiert sich Marine Le Pen als eine, auf die sich alle einigen können, die Einflüsse von außen ebenso ablehnen wie in seligeren Zeiten Marine und Jean-Marie in Pari.
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